Ukraine-Krieg: Schwere Folgen durch Russlands Einsatz von Gleitbomben

Seite 2: Zerstörte Abschussvorrichtungen: Problematische Taktik mit Patriots

Die Taktik hat sich allerdings auch als problematisch für die ukrainischen Flugverteidigungskräfte herausgestellt, denn am vergangenen Samstag gelang es einer russischen Drohne, gleich einen ganzen Konvoi der für die Ukraine so wertvollen Patriots zu sichten. Nicht auszuschließen ist der Verrat der Position des Konvois.

Durch einen darauf folgenden Einsatz vermutlich einer einzigen russischen Iskander-Rakete konnten die russischen Raketenstreitkräfte mit einem Schlag einen signifikanten Teil der gesamten ukrainischen Langstrecken-Luftabwehr ausschalten. So berichtet Forbes:

Das ukrainische Luftabwehrkräfte sind zweifellos angeschlagen. Die Luftabwehrkräfte, die der Luftwaffe unterstehen, verfügen nur über drei Patriot-Batterien – wahrscheinlich mit Radar und vier bis acht Abschussgeräten – sowie vier Ersatzabschussgeräte. Zwei Batterien und zwei Ersatzraketen stammen aus Deutschland; die Vereinigten Staaten haben eine Batterie gespendet; die Niederlande haben zwei Raketenwerfer gespendet.

All das bedeutet, dass die Ukrainer in einem einzigen Geschehen bis zu 13 Prozent ihrer Patriot-Raketen verloren haben. Oder sieben Prozent, wenn die ukrainischen Batterien jeweils acht Abschussvorrichtungen haben.

Forbes

Die zerstörten Abschussvorrichtungen sind nicht leicht zu ersetzen, denn die Produktion der Partiots läuft auf niedrigem Niveau. Ein Ersatz dürfte Monate, wenn nicht Jahre dauern, es sei denn, bestehende Patriot-Betreiber wie Deutschland oder die USA liefern Systeme direkt aus ihren Arsenalen nach. Das scheint aber derzeit wenig wahrscheinlich.

Der Konvoi von ukrainischen Patriots nahe der Frontlinie enthüllt die Einsatztaktik der ukrainischen Streitkräfte. Um der Aufklärung und Bekämpfung durch die russische Armee zu entgehen, sind die ukrainischen Patriots wahrscheinlich in einer Art Hit-and-Run-Strategie eingesetzt worden, bei der die Patriot-Abschussvorichtungen temporär einsatzbereit gemacht wurden, um die Trägerflugzeuge der russischen Gleitbomben zu treffen.

Nach einem Bekämpfungsversuch haben die ukrainischen Patriots dann wahrscheinlich versucht, den Standort zu wechseln.

Russische Luftüberlegenheit

Die Konzentration von um die zehn Prozent der gesamten Patriot-Kapazitäten der ukrainischen Luftabwehr auf nur wenige Quadratmeter stellte sich als Fehler mit schweren Folgen heraus. Mit nur einer einzigen Rakete konnte Russland so den ukrainischen Streitkräften eine herbe Niederlage zufügen, die eine große Auswirkung auf das Frontgeschehen haben könnte.

Denn den russischen Streitkräften gelingt es immer stärker, eine lokale Luftüberlegenheit über den Frontabschnitten herzustellen. Und dadurch können die Flugzeuge des Angreifers immer mehr verheerende Gleitbomben abwerfen. Eine Todesspirale, die, so steht zu befürchten, dazu beitragen kann, die ukrainischen Verteidigungslinien zum Kollaps zu bringen.

Wie präzise die russischen Gleitbomben zum Einsatz gebracht werden können, wird auf folgendem Video vor die Augen gerückt. Zu sehen sind die Einschläge von insgesamt vier kleineren Gleitbomben, und zwar exakt entlang einer Frontlinie. Anhand des Videos lässt sich genau die Gefahr für die Ukraine erkennen.

Mit der auf beiden Seiten extrem effektiven Luftaufklärung durch Drohnen lassen sich sehr genau gehärtete Frontabschnitte identifizieren, etwa Bunker, MG-Nester oder Geschützstellungen.

Zielgenauigkeit der Angriffe

Mit den dadurch gewonnen Daten lassen sich dann exakte Zielzuweisungen vornehmen und die ausgemachten Bollwerke zielgerichtet zerstören, vorausgesetzt, die Fehlertoleranz beträgt tatsächlich nur fünf Meter. Das verlinkte Video scheint diese Angabe zu unterstützen.

Dabei scheinen die russischen Luftstreitkräfte bewusst das Risiko einzugehen, mehr Flugzeuge zu verlieren, wie France24 analysiert.

Das war noch bis etwa zum Oktober 2023 anders, als die russische Luftwaffe ihre Flieger nur vorsichtig einsetzte, um Verluste zu vermeiden. Beflügelt durch den Erfolg in Awdijiwka scheint man nun das Risiko anders zu bewerten.

Doch selbst wenn die Abschussraten stimmen sollten, die die Ukraine angibt, so ist zu vergegenwärtigen, dass Russland die zweitgrößten Luftstreitkräfte der Welt zur Verfügung hat. Eine gewisse Verlustrate kann also theoretisch hingenommen werden, ohne die Kampfkraft entscheidend zu schwächen.

Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die hohen Verluste der US-Airforce im Vietnamkrieg, die 3.744 Flugzeuge verlor. Von ähnlichen Verlustraten ist die russische Armee weit entfernt.