Ukraine-Krieg: Singapurs etwas andere Sicht

Zeitungsverkäufer in Singapur. Bild: Jason Goh/Pixabay

Positionen außerhalb Europas: Auch bei den USA deutlich wohlgesinnten Regierungen gibt es deutliche Kritik an der Rolle des Westens im Ukraine-Krieg.

Singapurs Justiz- und Innenminister Shanmugam Kasiviswanathan – meist K. Shanmugam genannt – hat laut South China Morning Post dem Westen eine Mitschuld am Ukraine-Krieg gegeben. Nach Angaben der in Hongkong erscheinenden Zeitung fielen die Äußerungen auf einer Konferenz eines örtlichen Think-Tanks.

Der Sender Channel News Asia hat Shanmugams lesenswerte Rede veröffentlicht. Der Minister lässt in ihr keinen Zweifel daran, dass er im russischen Angriff eine schwere Verletzung des Völkerrechts sieht, und verweist darauf, dass seine Regierung verschiedentlich in der UN-Vollversammlung Resolutionen unterstützt hat, die die russische Aggression verurteilten. Außerdem sei Singapur das einzige Land in der Region, dass sich an den Sanktionen gegen Russland beteiligt.

Zugleich ist seine Rede aber eine sehr nüchterne und ausgewogene Bestandsaufnahme der Entwicklung seit Anfang der 1990er-Jahre von den verschiedenen mündlichen Versprechen, die Nato würde nicht nach Osten erweitert werden, über den Maidan 2014 bis zum russischen Angriff.

Auch weist Shanmugam auf verschiedene historische Zeitpunkte hin, an denen die russische Führung sehr eindeutig warnte, dass ihre Sicherheitsinteressen verletzt würden.

Um diese einzuordnen, verweist er auf die Kuba-Krise 1962, als die USA mit einer maritimen Blockade Kubas drohte, um die Stationierung sowjetischer Raketen zu verhindern, und auf die Aufregung, die 2022 ein chinesisches Sicherheitsabkommen mit den Salomonen in Australien verursachte, das immerhin 2.000 Kilometern von besagter Inselgruppe entfernt ist. Kiew sei hingegen nicht vielmehr als 500 Kilometer von Moskau entfernt.

Die Rede Shanmugams, der Singapurs Regierung seit 2008 angehört, zeitweise war er auch Außenminister, ist insofern bemerkenswert, als der diktatorisch regierte südostasiatische Stadtstaat seit seiner Unabhängigkeit 1965, die mit der Zerschlagung der Gewerkschaften und der einst starken örtlichen Kommunistischen Partei einherging, eng mit den USA verbunden ist.

Unter anderem ist Singapur der wichtigste Handelspartner der USA in der Region. Auch ist das singapurische Militär bestens mit US-Waffen ausgestattet.

Bei seinem letzten Staatsbesuch in Washington machte Premierminister Lee Hsien Loong im April 2022 allerdings klar, dass man nicht verbündet sei, auch wenn er die USA als "Hauptsicherheitspartner" bezeichnete. Lee auf Nachfragen von Journalisten in Washington an die US-Amerikaner:

"Wir finden es gut, dass Sie sich in der Region engagieren, aber das bedeutet nicht, dass wir uns in Ihre Kriege einmischen oder Sie bitten, uns zu helfen, wenn uns etwas zustößt. Das ist ein gewisser Spielraum, und ich denke, es ist am besten, den Status quo beizubehalten."

Nicht alle Länder in Südostasien seien an Konfrontation mit allen interessiert. Singapur wolle Strukturen für die Region schaffen, die die Länder zusammenbringen und "jedem erlauben, zweimal nachzudenken, bevor er sich für extreme Lösungen entscheidet".

Letzteres war offensichtlich sowohl auf die Spannungen zwischen den USA und China als auch auf die erheblichen multilateralen Streitigkeiten über den Verlauf der Seegrenzen im Südchinesischen Meer gemünzt.