Ukraine-Krieg: US-Waffen scheitern zuhauf – und alle Welt schaut zu

Lockheed Martin M142 Himars

Lockheed Martin M142 Himars. Bild: Karolis Kavolelis, Shutterstock.com

Von der Front werden viele Fehlschläge gemeldet. Grund dafür ist ein im Westen gängiges Navigationssystem. Und die Selbstüberschätzung. Ein Gastbeitrag.

Mit dem stetigen Vorrücken der russischen Streitkräfte in die Region Charkiw wird immer deutlicher, dass sich der Krieg in der Ukraine zu einem Desaster für den US-Verteidigungsapparat entwickelt hat. Nicht nur, weil die US-Hilfe die Ukraine nicht vor dem Rückzug und einer möglichen Niederlage bewahrt hat. Viel wichtiger ist, dass der Krieg die grundlegenden Mängel des US-Verteidigungssystems schonungslos aufgedeckt hat.

Kritiker weisen seit Langem darauf hin, dass die US-amerikanische Fixierung auf technologisch komplexe Waffen unweigerlich zu unzuverlässigen Systemen führt, die wegen ihrer absehbar hohen Kosten nur in begrenzten Stückzahlen produziert werden.

Andrew Cockburn ist Washington-Redakteur des Harper’s Magazine und Autor mehrerer Sachbücher.

Zudem ist es wahrscheinlich, dass sie im Kampfeinsatz versagen, weil das Militär kein Interesse an angemessenen Tests hat – weil realistische Tests schwerwiegende Mängel aufdecken und damit das Budget belasten könnten.

Ein Stresstest für West-Waffen

Der gnadenlose Stresstest im Ukraine-Krieg hat gezeigt, dass die Kritiker recht hatten. Mehrere aufeinanderfolgende Game-Changer-Systeme wie die Switchblade-Drohne, der M1-Abrams-Panzer, die Patriot-Flugabwehrraketen, die M777-Haubitze, die gelenkte 155-mm-Artilleriegranate Excalibur, die Himars-Präzisionsrakete, GPS-gesteuerte Bomben und die mit künstlicher Intelligenz ausgestatteten Skydio-Drohnen wurden mit großem Tamtam und hohen Erwartungen "in den Kampf" geschickt, wie es die Militärs gerne nennen.

Sie alle waren zum Scheitern verurteilt, und zwar aus Gründen, die mit den oben genannten grundlegenden Problemen zusammenhängen. Die 60.000 US-Dollar teure Switchblade-Drohne, die aus Kostengründen nur in begrenzter Stückzahl produziert worden ist, erwies sich als unbrauchbar gegen gepanzerte Ziele und wurde von den ukrainischen Truppen schnell zugunsten von 700 US-Dollar teuren, online bestellten chinesischen Handelsmodellen ausrangiert.

Der millionenschwere Abrams-Panzer erwies sich nicht nur als beunruhigend anfällig für russische Drohnen, sondern ging auch wiederholt kaputt und wurde bald aus dem Kampfeinsatz genommen. Zuvor aber haben die Russen mehrere Panzer außer Gefecht gesetzt und mindestens einen erbeutet, den sie nach Moskau brachten.

Dort wurde er in einem Park im Rahmen einer Ausstellung von Nato-Waffen hinzugefügt – neben einer M777-Haubitze und anderen Nato-Systemen.

M777: Wartung in Polen

Das M777-Geschütz wurde zwar wegen seiner Präzision gepriesen, erwies sich aber als zu anfällig für die rauen Bedingungen eines längeren Gefechts, da die Rohre regelmäßig verschlissen und in Polen, weit weg von der Front, ausgetauscht werden mussten.

Die 155-mm-Munition ist notorisch knapp. Aufgrund der Konzentration der US-Rüstungsindustrie auf einige wenige Monopole – eine unvernünftige Politik, die seit der Clinton-Regierung eifrig befördert wird –, hängt die US-Produktion von 155-mm-Granaten von einer einzigen veralteten Fabrik von General Dynamics in Scranton, Pennsylvania, ab. Und die hat Schwierigkeiten, ihre Produktionsziele zu erreichen.

Präsident Wolodymyr Selenskyj hat nachdrücklich mehr Patriot-Raketenwerfer und -Raketen zur Verteidigung von Charkiw gefordert. Angesichts der offensichtlichen Leichtigkeit, mit der die Russen die Patriots zur Verteidigung von Kiew ins Visier genommen haben, und der nachlassenden Wirksamkeit des Systems gegen russische ballistische Raketen mutet das seltsam an.

Die Himars-Langstreckenraketen hatten in der Tat eine gute Wirkung im Einsatz gegen russische Ziele wie Munitionsdepots. Aber die Russen haben sich darauf eingestellt, indem sie solche Depots und andere wahrscheinliche Ziele dezentralisiert und getarnt haben.

In den Worten einer Ukrainerin: Westliche Systeme "wertlos"

Es ist auffällig, dass viele der Fehlschläge US-amerikanischer Waffen, einschließlich Himars, in der Ukraine darauf zurückzuführen sind, dass sie sich auf ein anfälliges Leitsystem verlassen: GPS.

Die Russen, die sich seit Langem intensiv mit elektronischer Kriegsführung beschäftigen, sind immer geschickter darin geworden, GPS zu stören.

Maria Berlinska, eine Pionierin des ukrainischen Drohneneinsatzes und Leiterin des ukrainischen Zentrums zur Unterstützung der Luftaufklärung, hat es kürzlich sehr deutlich ausgedrückt: "Die meisten westlichen Systeme haben sich aufgrund der russischen Störungen als (wertlos) erwiesen". Ihr Wortlaut:

Nichts gegen unsere Partner, aber die meisten ihrer Systeme haben sich als schlecht erwiesen. Warum? Weil nur der echte Krieg die Wirksamkeit zeigt. Man kann auf einem Übungsplatz in Texas so viel fliegen und schießen, wie man will. Und dann, als bestimmte Systeme ankamen, ich werde sie nicht nennen, aber bestimmte Systeme kamen hier an, und sie wurden von der russischen elektronischen Kriegsführung einfach neutralisiert. Bestimmte Raketen versagen, bestimmte Raketen mit bestimmter Navigation werden von russischen Systemen beeinflusst. Warum? Weil, nun ja, die Russen objektiv eines der besten elektronischen Kriegsführungssysteme der Welt haben.

US-Funktionär bestätigt Scheitern

Diese düstere Einschätzung wurde im April von keinem Geringeren als William LaPlante, dem Unterstaatssekretär für Beschaffung und Wartung im US-Verteidigungsministerium, bestätigt. Auf einer CSIS-Konferenz berichtete er, wie eine Firma (Boeing, ohne jedoch ihren Namen zu nennen) vorgeschlagen hatte, ihre GPS-gesteuerte Bombe mit kleinem Durchmesser als Gefechtskopf für Himars zu verwenden. Die Bombe wurde daraufhin in aller Eile entwickelt und produziert, kaum oder gar nicht getestet und in die Ukraine geliefert.

"Sie hat einfach nicht funktioniert", räumt LaPlante ein, aufgrund russischer GPS-Störsender, die sie vom Kurs abgebracht haben.

Das gleiche traurige Schicksal scheint die Skydio-Drohne ereilt zu haben, ein Produkt des gleichnamigen Silicon-Valley-Start-ups, dessen vom Unternehmen angepriesene KI-Fähigkeiten – "Skydio-Drohnen haben die Rechenkapazität, um in Echtzeit zu sehen, zu verstehen und zu reagieren" – nicht verhindern konnten, dass sie von Putins Störsendern vom Kurs abgebracht wurden.

US-Militärführung hatte Entwicklung nicht vorhergesehen

Unnötig zu erwähnen, dass das Oberkommando des US-Militärs keinen dieser Fehlschläge vorausgesehen hat und nur wenige von ihnen darauf erpicht sind, die Produkte von Unternehmen zu verunglimpfen, von denen ihnen für die Zeit nach ihrer Pensionierung lukrative Aufsichtsratsposten angeboten werden.

Man kann nur hoffen, dass unsere hochrangigen zivilen Führungskräfte sich solcher Vorgänge bewusst sind und ihre Erwartungen entsprechend dämpfen. Doch danach sieht es nicht aus, wie ihre hohen Erwartungen an die ukrainische Gegenoffensive 2023 gezeigt haben.

Trotz großer Hoffnungen und üppiger Waffenlieferungen, darunter Panzer, Munition und Drohnen, intensiver Ausbildung auf dem Territorium der Nato-Verbündeten und einer gründlichen Einweisung in die US-amerikanische Kommando- und Kontrolldoktrin war die Gegenoffensive ein umgehender und totaler Misserfolg.

Offenbar waren die Planer von der Tiefe der (gut sichtbaren) russischen Verteidigungsanlagen, insbesondere der Minenfelder, und der Wirksamkeit der elektronischen Störsender überrascht worden. Seitdem befindet sich die Ukraine auf dem Rückzug und hat ihre militärischen Reserven verloren.

Und dann ist da noch die Korruption.

Nicht nur die militärischen Unzulänglichkeiten der Nato-Verbündeten sind für die desolate Lage der Ukraine verantwortlich. Die berüchtigte Korruption des Landes, die den westlichen Regierungen wohlbekannt ist, von der westlichen Presse aber meist ignoriert wird, zeigt sich derzeit an den bröckelnden Verteidigungsanlagen um Charkiw.

Laut einem bezeichnenden Bericht der ukrainischen Korruptionsforscherin Martyna Boguslavets, der in der Kiewer Zeitung Ukrainska Pravda veröffentlicht wurde, wurden die riesigen Summen, die für den Bau von Befestigungsanlagen rund um die Stadt vorgesehen waren, schlichtweg gestohlen.

Bemerkenswert ist, dass Boguslavets’ Bericht auf öffentlichen Dokumenten beruht, die jedem zugänglich sind, der sich dafür interessiert, und zu denen die zahlreichen US-Korrespondenten, die über den Krieg berichten, offenbar nicht gehören.


Redaktionelle Anmerkung: Die Ukrainerin Maria Berlinska wurde in einer früheren Version als Maria Berlinskaja vorgestellt. Da dies die russische Version des Namens ist, haben wir ihn geändert. Mit Bezug auf sie war zudem von einem "Ukrainer" die Rede, an dieser Stelle haben wir das Genus korrigiert.

Andrew Cockburn ist Washington-Redakteur des Harper’s Magazine und Autor mehrerer Sachbücher, darunter sein jüngstes, The Spoils of War: Power, Profit and the American War Machine (2021). Außerdem veröffentlichte er Kill Chain: The Rise of the High-Tech Assassins (2016). Er hat unter anderem für die New York Times, The New Yorker, Playboy, Vanity Fair und National Geographic geschrieben.

Telepolis hat den Artikel von der Seite Responsible Statecraft übernommen