Ukraine-Krieg: Was viele Länder der Welt jetzt fordern

Die Ansichten zum Ukraine-Krieg vieler Länder der Welt weichen von denen der Nato-Staaten ab. Bild: Flaggen der UN-Staaten / CC BY 2.0

Viele Staaten aus dem Globalen Süden drängen in UN-Generalversammlung auf einen Verhandlungsfrieden. Auch Nato-Länder müssten aufhören, den Krieg anzuheizen, und ihre Sanktionspolitik einstellen. Eine Dokumentation der Reden.

Im Folgenden dokumentiert Telepolis Auszüge aus einigen der Reden, die auf der UN-Generalversammlung, die vom 20. bis 26. September 2022 in New York stattfand, gehalten wurden und in denen zu Verhandlungen zur Beendigung des Krieges in der Ukraine aufgerufen wurde.

Die meisten dieser Länder gehören zum Globalen Süden und repräsentieren eine Mehrheit der Weltbevölkerung, darunter viele derjenigen, die aufgrund des eskalierenden Krieges in der Ukraine und der westlichen Sanktionen am stärksten von Armut, Hunger und Hungersnot bedroht sind.

In den Statements drängen die Staatschefs und -vertreter, dass alle Konfliktparteien inklusive der Nato den Weg freimachen für Verhandlung. Es wird gefordert, den Krieg nicht weiter militärisch anzuheizen und die unilateralen Sanktionen aufzuheben, die vor allem die Nahrungsmittel- und Energieversorgung der Entwicklungsländer stark eingeschränkt haben.

Hier die Rede-Auszüge:

Gaston Alphonso Browne, Premierminister von Antigua und Barbuda:

Wir haben ein legitimes Interesse an einer Beilegung des Konflikts und das Recht, alle Parteien – Russland auf der einen Seite und die Länder der Nato und der Europäischen Union auf der anderen – aufzufordern, ihre diplomatischen Mittel und Fähigkeiten einzusetzen, um diesen die Welt entkräftenden Krieg zu beenden.

Alberto Fernancez, Präsident von Argentinien

Um die anhaltenden Herausforderungen wie Krieg, Hunger und Inflation zu bewältigen, müssen alle Feindseligkeiten eingestellt, der Dialog fortgesetzt und der Frieden nach dem militärischen Vorstoß der Russischen Föderation auf das Gebiet der Ukraine wiederhergestellt werden. Darüber hinaus muss die internationale Gemeinschaft die wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionspraktiken aufgeben, die die Industrieländer den Entwicklungsländern aufgezwungen haben und die nur zu mehr Armut und wirtschaftlicher Schwächung führen.

Luis Alberto Arce Catacora, verfassungsmäßiger Präsident von Bolivien:

Die Vereinten Nationen sollten unermüdlich daran arbeiten, einen Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine zu erreichen und die Expansionspläne der Nato zu stoppen. Der Mangel an Dialog und präventiver Diplomatie hat uns in eine Ära großer Spannungen und globaler Instabilität geführt. Wir leben in Zeiten, in denen eine kleine Gruppe von Ländern eine große Anzahl von Massenvernichtungswaffen kontrolliert und sich aufgrund ihrer geopolitischen Interessen weigert, diese zu beseitigen, wodurch der Frieden und die Sicherheit auf unserem Planeten gefährdet werden.

Wang Yi, Minister für auswärtige Angelegenheiten von China:

China unterstützt alle Bemühungen, die zu einer friedlichen Lösung der Ukraine-Krise beitragen. Die dringende Priorität besteht darin, die legitimen Sicherheitsanliegen aller Parteien zu berücksichtigen und eine ausgewogene, effektive und nachhaltige Sicherheitsarchitektur aufzubauen. Wir rufen alle Parteien auf, eine Ausweitung der Krise zu verhindern und die legitimen Rechte und Interessen der Entwicklungsländer zu schützen.

Unterstützung für Ukrainer:innen nicht auf Kosten der notleidenden Menschen anderswo

Gustavo Petro Urrego, Präsident Kolumbiens:

Was nützt ein Krieg, wenn es darum geht, die menschliche Spezies zu retten? Was nützen Nato und Imperien, wenn das, was droht, das Ende der menschlichen Intelligenz ist? Aus einem Land des Dschungels und der Naturschönheit kommend, möchte ich Ihnen nahe legen, Kriege zu beenden und die Klimakatastrophe zu stoppen. Setzen Sie uns nicht unter Druck, auf dem Schlachtfeld Partei zu ergreifen. Es ist Zeit für FRIEDEN. Die slawischen Völker müssen miteinander reden, die Völker der Welt sollen in Dialog treten. Krieg ist eine Falle, die in einer großen Orgie der Irrationalität das Ende der Zeit herbeiführt.

Jean-Claude Gakosso, Minister für auswärtige Angelegenheiten des Kongo:

Angesichts des erheblichen Risikos einer nuklearen Katastrophe für den gesamten Planeten sollten nicht nur die an diesem Konflikt Beteiligten, sondern auch die ausländischen Mächte, die die Ereignisse durch eine Beruhigung der Lage beeinflussen könnten, ihren Eifer zügeln. Sie müssen aufhören, die Flammen zu schüren, und sie müssen sich von der Eitelkeit der Stärke abwenden, die bisher die Tür zum Dialog verschlossen hat. Unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen müssen wir uns alle unverzüglich zu Friedensverhandlungen verpflichten – zu gerechten, ehrlichen und fairen Verhandlungen. Seit der Schlacht Napoleons in Waterloo 1815 und dem Wiener Kongress wissen wir, dass alle Kriege am Verhandlungstisch enden.

Bruno Eduardo Rodriguez Parrilla, Minister für auswärtige Angelegenheiten Kubas:

Die internationalen Beziehungen befinden sich auf einem sehr gefährlichen Weg. Die amerikanische Offensive, die darauf abzielt, Staaten durch wirtschaftliche, militärische und politisch-diplomatische Drohungen und Zwang zu unterwerfen, um sie einer Ordnung zu unterwerfen, die auf ihren willkürlichen Regeln beruht, führt zusammen mit der Erweiterung der Nato und der Entwicklung einer aggressiven Doktrin wie des unkonventionellen Kriegs unweigerlich zu einem Klima der Spannung und des Konflikts, dessen Folgen unvorhersehbar sind. Wir bekräftigen unsere Ablehnung der Verhängung einseitiger Sanktionen gegen die Russische Föderation. Wir treten für eine ernsthafte, konstruktive und realistische diplomatische Lösung des derzeitigen Krieges in der Ukraine mit friedlichen Mitteln und im Einklang mit den Regeln des Völkerrechts ein, die die Sicherheit und Souveränität aller gewährleisten.

Simeon Oyono Esono Angue, Minister für auswärtige Angelegenheiten und internationale Zusammenarbeit Äquatorialguineas

Die letzten Jahre waren für die Menschheit sehr schwierig, von der COVID-Pandemie über die Energiekrise bis hin zum Wiederaufflammen der Ernährungsunsicherheit, die durch die angespannte internationale Lage, die wir derzeit mit dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine erleben, noch verschlimmert wird. Die globale Situation fordert uns auf, innovativ und multinational zu kooperieren, ausgerichtet auf Solidarität. Die Probleme, die wir in der heutigen Welt sehen, können nur gelöst werden, wenn wir den Frieden durch umfassende Verhandlungen und Dialog suchen. Wir rufen die Länder, die in die aktuellen Konflikte verwickelt sind, und die Regierungen, die aufgrund geostrategischer, wirtschaftlicher oder anderer Interessen direkt oder indirekt in diese Konflikte verwickelt sind, dazu auf, dem Dialog und umfassenden Verhandlungen auf realistische und pragmatische Weise Vorrang einzuräumen, um die Probleme zu lösen.

Subrahmanyam Jaishankar, Minister für auswärtige Angelegenheiten Indiens:

Während der Ukraine-Konflikt weiter wütet, werden wir oft gefragt, auf welcher Seite wir stehen. Unsere Antwort ist offen und klar. Indien steht auf der Seite des Friedens und wird dort auch bleiben. Wir sind auf der Seite, die die UN-Charta und ihre Gründungsprinzipien respektiert. Wir sind auf der Seite, die zu Dialog und Diplomatie als einzigem Ausweg aufruft. … Es liegt daher in unserem gemeinsamen Interesse, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Vereinten Nationen konstruktiv an einer baldigen Lösung dieses Konflikts zu arbeiten.

Mustafa Al-Kadhimi, Ministerpräsident des Irak:

Wie andere Länder der Welt ist auch der Irak der Ansicht, dass Krisen und regionale Kriege Folgen für alle Länder der Welt haben und dass es immer die einfachen Menschen sind, die den Preis für diese Kriege zahlen. Kriege wirken sich auf alle Aspekte des Lebens aus, insbesondere auf die Energieversorgung, die Nahrungsmittel und die Sicherheit. Daher betonen wir die Notwendigkeit, friedliche und dauerhafte Lösungen für regionale und internationale Krisen durch Dialog zu finden und den Einsatz von Gewalt zu vermeiden, um den Frieden und die internationale Sicherheit zu erhalten und die Weltwirtschaft und die Menschheit vor den Auswirkungen dieser Kriege zu bewahren.

Robert Abela, Premierminister Maltas:

Lösungen werden im 21. Jahrhundert nicht durch den Einsatz von Gewalt und Waffen gefunden. Wir können eine weitere Verschlechterung der Lage nur verhindern, wenn es uns gelingt, den Krieg durch Dialog und sinnvolle Verhandlungsbemühungen zu beenden. Das 21. Jahrhundert sollte kein Zeitalter des Krieges sein. Die Suche nach Frieden erfordert, dass alle Akteure in diesem Krieg die besten Interessen und Prioritäten aller Völker an die erste Stelle setzen.

Macky Sall, Präsident von Senegal und Vorsitzender der Afrikanischen Union:

Wir fordern eine Deeskalation und eine Einstellung der Feindseligkeiten in der Ukraine sowie eine Verhandlungslösung, um das katastrophale Risiko eines potenziell globalen Konflikts zu vermeiden. ... Ich bin gekommen, um zu sagen, dass Afrika genug unter der Last der Geschichte gelitten hat; wir wollen nicht der Nährboden eines neuen Kalten Krieges sein, sondern vielmehr ein Pol der Stabilität und der Möglichkeiten, der allen Partnern offen gegenübertritt und auf beiderseitigen Nutzen ausgerichtet ist.

Don Pramudwinai, stellvertretender Premierminister Thailands:

Vor einigen Tagen äußerte sich der Leiter der Außenpolitik der Europäischen Union wie folgt: "Schließen Sie den Einsatz von Atomwaffen in der Ukraine-Krise nicht aus." Ein orientalisches Sprichwort, das in diesem Zusammenhang von Bedeutung sein könnte, spricht vom Vergnügen, auf einem Tiger zu reiten. Auf dem Rücken eines Tigers zu reiten kann Spaß machen und eine Herausforderung sein, aber niemand kann es genießen, auf seinem Rücken zu reiten, wenn kein Ende in Sicht ist. Die Frage ist, wie man absteigt, ohne den Tiger zu töten. Sicherlich kann die Frage nach dem "Wie" in Bezug auf den Ukraine-Krieg entmutigend sein. Doch wir haben einen Vorschlag, bei dem alle Elemente berücksichtigt wurden. Ein möglicher Durchbruch könnte sich im November abzeichnen, denn in der dritten Woche dieses Monats bietet sich eine einmalige Gelegenheit für alle Hauptakteure der Ukraine-Krise, sich in Südasien als legitime Teilnehmer zu versammeln. Die drei Veranstaltungsorte sind: der ASEAN-Gipfel in Phnom Penh, der G20-Gipfel auf Bali und das APEC-Treffen in Bangkok, Thailand. Sie könnten, einzeln oder zusammenhängend, als äußerst geeignete Plattform für Gespräche dienen, um einen möglichen Ausweg aus dieser extrem angespannten globalen Krise in der Ukraine zu finden.

Jose Ramos-Horta, Präsident von Timor-Leste:

Die Hilfe für die ärmeren Länder des Südens sollte nicht gestrichen werden, um sie für die Bewältigung der durch den Krieg in der Ukraine verursachten Flüchtlingskrise umzuverteilen. Im Jahr 2015 haben die Geberländer ihre Entwicklungshilfe-Zusagen (ODA) für die inländische Versorgung von Flüchtlingen, die aus Nordafrika, Syrien, Afghanistan und Irak nach Europa kamen, abgezweigt, was zu einem geschätzten Rückgang der Gesamthilfe um 15 Prozent führte. Das Potenzial für eine Umleitung der Hilfe ist jetzt noch größer, da der Bedarf für den Wiederaufbau der Ukraine auf 349 Milliarden Dollar geschätzt wird. Wir müssen sicherstellen, dass die Ukrainer unterstützt werden, aber nicht auf Kosten der Fürsorge für die vielen notleidenden Menschen in anderen Ländern. … Das Ziel muss ein umfassendes, dauerhaftes Friedensabkommen sein. Was jetzt angestrebt werden sollte, ist eine temporäre Einstellung der Truppenbewegungen und Militäraktionen, humanitäre Luft- und Landkorridore und Zonen für ungehinderte humanitäre Hilfe sowie die Wiederaufnahme der Export- und Importaktivitäten. Russland, die Ukraine und die Nato-Länder müssen ihren Stolz herunterschlucken, ihre bisherige Politik überdenken, die zu diesem wechselseitigen Selbstmord geführt hat, sich von den Grenzen der jeweils anderen Partei zurückziehen, die Ukrainer ihr Land und ihr Leben wieder aufbauen lassen, während sich die Russen in ihre Grenzen mit Sicherheitsgarantien zurückziehen können.


Redaktioneller Hinweis: In der Überschrift haben wir die Formulierung "die Länder" in "einige Länder" geändert, wie es auch in der Einleitung beschrieben wird