Ukraine: "Wir wollen Flugzeuge der vierten Generation"
Lieferungen von Kampfjets: Wie das Verteidigungsministerium in Kiew Hürden zum Fallen bringen will. USA und Frankreich halten "die Türen offen". Polen ist dafür, falls die "Nato als Ganzes" zustimmt.
Wie lange wird die Regierung in Kiew brauchen, bis sie die Nato-Staaten davon überzeugt hat, F-16-Kampfjets in die Ukraine zu liefern? Zur Koalition der Willigen, die eine Bereitschaft signalisieren, gehören Polen, die Niederlande und Frankreich, auch von den baltischen Staaten wird Unterstützung signalisiert.
Die USA, deren Entscheidung die deutsche Regierung nach bisherigen Erfahrungen maßgeblich beeinflusst, schließen die Lieferung von Kampfjets an die Ukraine nicht aus.
Die Formulierung ist diplomatische Rhetorik der Art "alle Optionen bleiben auf dem Tisch": Man schließe "kein bestimmtes System aus, auch nicht die F-16" übermittelt CNN den Wortlaut von Jon Finer, dem Stellvertretenden Berater für Nationale Sicherheit der USA.
Türen aufhalten
Es ist kein US-Top-Politiker der ersten Reihe, der hier die Türen für ein mögliches "Ja" offenhält. Der Resonanzraum ist noch in den Vorzimmern.
Für Frankreich übernimmt die Rolle des Türenaufhalters, Thomas Gassilloud, Präsident der Kommission für nationale Verteidigung und die Streitkräfte. Er war in London zu Besuch bei seinem britischen Pendant und kommunizierte Medienvertretern: "Wir müssen Anfragen von Fall zu Fall untersuchen und alle Türen offen lassen."
Polen und die Niederlande
Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki teilte dem französischen Sender LCI gestern dagegen eindeutig, mit, dass der Nachbarstaat der Ukraine für eine Lieferung von Kampfflugzeugen an die Ukraine stimmen würde, falls es sich um eine "Entscheidung der Nato als Ganzes" handele.
Für die Niederlande gebe es "keine Tabus" in der Frage, erklärte schon letzte Woche der niederländische Außenminister Wopke Hoekstra den Parlamentsabgeordneten. Falls Kiew F-16-Kampfjets anfordere, werde das Kabinett dies in Erwägung ziehen. Erwähnt wird in diesem Zusammenhang in Medienberichten, dass die Niederlande ihre F-16 mit neueren F-35 ersetzen will.
Baltische Staaten: "Schnappatmung auslösen"
Über die Haltung der baltischen Staaten heißt es, dass man in Talinn, Riga und Vilnius längst zu Schritten bereit sei, die "weiter westlich noch Schnappatmung auslösen". Es würden bereits Gespräche zwischen westlichen Militärs und Diplomaten stattfinden, bei denen "Estland, Lettland und Litauen eine zentrale bzw. treibende Rolle spielen sollen", heißt es in einem Bericht, in dem ein ungenannter baltischer Diplomat die Lieferung von Kampfflugzeugen als "nächsten logischen Schritt" bezeichnet.
Intensive Medienarbeit des Beraters des ukrainischen Verteidigungsministers
Jedenfalls standen F-16-Kampfflugzeuge schon auf der Nikolaus-Wunschliste der Ukraine, wie Jurij Sak, Berater des ukrainischen Verteidigungsministers Oleksij Reznikow CNN gegenüber sagte. Jurij Saks ("strategische Kommunikation großer Ideen") beheizt seit einigen Tagen die Telefone mehrerer Medien mit persuasiver Kommunikation.
Er sprach mit Reuters, die US-Publikationen Politico, The Hill und das Magazin Air& Space Forces Magazine ("Nach den Panzern reden wir jetzt über Jets") sowie mit Zeitungen der deutschen Funke-Gruppe. Am morgigen Samstag wird dort zu lesen sein:
Deutschland sollte die Koalition der Kampfjets anführen - oder sich ihr wenigstens anschließen.
Jurij Sak, Berater des ukrainischen Verteidigungsministers
Saks zentrale Botschaft für die reichweitenstarke Reuters-Meldung lautet:
Wenn wir sie (westliche Kampfflugzeuge) bekommen, werden die Vorteile auf dem Schlachtfeld einfach immens sein... Es geht nicht nur um F-16 (US-Mehrzweckkampfflugzeuge): Wir wollen Flugzeuge der vierten Generation.
Jurij Sak, Berater des ukrainischen Verteidigungsministers
Kampfjets seien die nächste große Hürde, so Sak gegenüber der Nachrichtenagentur. Als unüberwindbar stellen sich die Hürden nach den Erfahrungen mit der Diskussion über die Lieferung von Luftabwehrsystemen und Kampfpanzern nicht dar. Vom F-16-Hersteller Lockheed erfuhr die Financial Times, dass man erwägt, die Produktion hochzufahren.
Eskalation?
Und das Risiko einer Eskalation? Gerhard Mangott, von Medien viel gefragter Russland-Experte spricht dem Redaktionsnetzwerk Deutschland gegenüber von einer "radikale(n) Wende in diesem Krieg mit höchstem Eskalationsrisiko", falls die Ukraine wie jetzt gewünscht "Kampfflugzeuge etwa den F-16, den Tornado oder den Eurofighter und Kampfhubschrauber westlicher Staaten bekommen sollte".
Weswegen Mangott glaubt, dass Bundeskanzler Scholz der Forderung "nicht nähertreten" wird. Die Hürde, hier wieder nachzugeben und von der ursprünglichen Position abzuweichen, sei "sehr hoch", da sich der Kanzler doch im Bundestag mit dem Nein zur Lieferung von Kampfflugzeugen doch schon festgelegt habe.