"Und die E-Zigarette, Herr Lauterbach?"

Bild: Echo Grid/unsplash

Eine intelligente Gesundheitspolitik könnte vielleicht die Leiden von Millionen Langzeitrauchern mindern – Plädoyer eines Dampfers für wissenschaftliche Herangehensweisen

Die öffentliche Aufklärung über das "Dampfen" mit sogenannten E-Zigaretten ist weithin von Behauptungen, suggestiven Mutmaßungen und Halbwahrheiten durchzogen. Was aber soll gelten, wenn die Verdampfung von Liquids – als Alternative zur Verbrennung von Tabak zwecks Inhalation – nachweislich die Leiden von Millionen und Abermillionen Langzeitrauchern auf dem Globus mindern könnte ("harm reduction")?

Dann wäre die fahrlässige Artikelschreiberei selbsternannter Experten gegen das "Dampfen" schlicht unmoralisch. Ebenso müsste die 2022 in Kraft tretende astronomische "Tabakbesteuerung" von "E-Zigaretten-Produkten ohne Tabak" (und für zahllose Konsumenten: auch ohne jegliches Nikotin) – ersonnen ehedem im Finanzministerium von Olaf Scholz – als eine irrationale, kontraproduktive und unethische Maßnahme des deutschen Staates bewertet werden (hier eine Preisprognose).

Gesundheitsministerium und Krankenkassen hätten im Fall einer erwiesenen "harm reduction" (Schadens- und Leidensminderung) geradezu die Pflicht, Langzeit-Tabakraucher über eine womöglich lebensrettende Konsumalternative aufzuklären.

Die entsprechende wissenschaftliche Expertise – vornehmlich auf dem Feld von Pharmakologie und Lungenheilkunde – vermag der Autor trotz eines Krankenpflegeexamens hier natürlich nicht zu geben. Gleichwohl ist es ihm möglich, aufgrund der eigenen Geschichte sinnvolle Fragen und Forderungen im Zusammenhang mit dem Thema zu formulieren.

Erfahrungsbericht eines ehemaligen Langzeitrauchers

Das uraltbekannte Hauptübel des Zigarettenkonsums heißt nicht Nikotin, sondern "Teer". Nikotin ist der Suchtstoff, doch mit einem Totenkopf-Etikett versehen sollte man vernünftigerweise nur die beim Tabakkonsum – nolens volens – mit inhalierten Verbrennungsprodukte (ohne eigenes "Suchtpotential").

In den meisten meiner 60 Lebensjahre habe ich die Lunge ordentlich geteert, worauf ich nicht stolz bin. Im Alter von 14 befand sich das Tabak- und Rauchversteck noch in meinem Brieftaubenschlag. Später waren Studieren, Textproduktion am Schreibtisch, Feiern und ungezählte andere – schöne oder weniger schöne – Lebensvollzüge ohne das Rauchen nicht mehr denkbar. Die mit großem Pathos begonnenen Zeiten der Tabak-Abstinenz endeten stets nach mehreren Monaten mit einer Kapitulation. Der Geist ist willig usw.

Ich gehöre also zu jenen wirklich abhängigen Rauchern, die sich von unerfahrenen Medizinern und "Predigern" ohne entsprechende Kenntnisse nicht begleiten lassen sollten. Übrigens glaube ich nicht, dass es nur um Nikotin geht. Das Thema "orale Sucht" ist aber unangenehm, weil niemand sich selbst gerne als regressives "Nuckel-Kind" sehen möchte.

Schon vor über zehn Jahren war ich mit dem Rauchen auf ganzer Linie nicht mehr einverstanden, wusste mir aber auch in nachdenklichen Stunden keinen Rat. Die Leiden anderer schrecken selten ab, und die eigenen werden gerne ausgeblendet. Ganz oder gar nicht, aber gerade heute lässt sich die Sache noch nicht ändern. So kann man es über Jahre treiben!

Ab 2015 oder 2016 kreiste das Thema "E-Zigarette" – also ein Abschied von der Lungenteerung – in meinem Kopf. Ich habe auf Bahnsteigen, Straßenzügen und öffentlichen Plätzen unbefangen Dampfer:innen nach ihren Erfahrungen befragt. Überzeugender hätte kein Werbefilm jener Konzerne ausfallen können, die auch Dampfsortimente anbieten. Durchgehend wurde mir von gesundheitlichen und anderen Vorzügen berichtet.

Bis auf eine Ausnahme waren alle meine Gesprächspartner ehemalige Raucher. Zwei Ratschläge, die ich heute für sehr wichtig halte, kehrten immer wieder:

• "Fang keinen Mischkonsum mit Zigaretten an. Das Dampfen ist ein möglicher, wertvoller Schlüssel für die nachhaltige Befreiung vom Tabakverbrennen und deshalb viel zu schade für einen spielerischen Zusatzkonsum."

• "Fang mit dem Dampfen nicht an unter dem Vorsatz eines großen Opfers oder Verlustes. Das Dampfen ist, wenn du mit etwas Liebe deine Liquids (aromatischen Lösungen) aussuchst, kein Verzicht, sondern ein Gewinn von mehr Genuss und Lebensqualität."

2017 war mein Gesundheitszustand desolat. Zur Veränderung kam es im Herbst nicht durch Willensstärke, sondern aufgrund einer nächtlichen Traumbotschaft des Unbewussten: "Du musst das Rauchen aufhören, wenn du das Leben liebst!" Danach besorgte ich mir sofort meine erste "E-Zigarette". Gleichzeitig nahm ich Termine beim Hausarzt und in einer großen Gemeinschaftspraxis für Lungenheilkunde wahr.

Das CT-Bild zeigte leider schon eine nicht mehr rückgängig zu machende Veränderung des Lungengewebes (kein Krebs). Ich selbst war als Individuum also keineswegs schlauer als die gesamte Gattung homo sapiens: Kursänderungen kommen – im günstigen Fall – erst, wenn es brenzlig wird. Hausarzt und Lungenpraxis befanden übrigens gleichermaßen, meine Entscheidung für die E-Zigarette sei eine gute Sache.

Die eigenen Erträge – auch in pazifistischer Hinsicht

Nur etwa zwei Wochen nach dem Umstieg aufs Dampfen bekam ich 2017 Anfragen von besorgten Hausgenossen, ob ich denn noch leben würde. Mein pausenloses Husten sei gar nicht mehr zu hören. Das karge Monatsbudget des Freiberuflers, der keine kommerziell interessanten Themen bearbeitet, wurde von Anfang an deutlich entlastet. Das Aufwachen ohne den Geschmack eines oralen "Aschenbechers" bereitete mehr Freude.

Meine sonst immer verqualmte Wohnung war für mich und alle Gäste mit einer menschenfreundlichen Luft gefüllt. Das Singen am Samstagabend im Kirchenraum wollte mir schöner gelingen. Bei Mahlzeiten konnte ich endlich wieder mit vollem Geschmackssinn würdigen, welche Köstlichkeiten auf den Tisch kamen. Lange Bahnfahrten waren keine Folter mehr.

Bislang habe ich in mehr als vier Dampferjahren keinen einzigen "antibiotikapflichtigen" Atemwegsinfekt mehr gehabt (das gehörte vorher leider zu jedem Winter). Die vom Hausarzt vorhergesagte deutliche Steigerung des Wohlbefindens nach etwa zwei Jahren Abstinenz vom Tabak-Verbrennen ist längst eingetreten.

Als pazifistischer Dampfer bin ich bis zum Ende dieses Jahres auch noch davon befreit, durch erhöhte Tabaksteuerabgaben an den Staat die Menschentotmach-Apparate der militarisierten Politik in Deutschland zwangsweise mitzufinanzieren.

"Weizenkeimöl" in die Dampf-Pfeife?

Mit einem Strohhalm kann man unschädliche oder gar gesundheitsfördernde Flüssigkeiten zu sich nehmen, aber auch Gift trinken. Das Letztgenannte ist weniger gut, was aber mit dem Strohhalm nichts zu tun hat. Mit einer E-Zigarette kann man zugelassene, erprobte Liquids dampfen, aber auch zum Beispiel Vitamin E-Acetat aus illegal gepanschten THC-Liquids inhalieren. Das Letztgenannte ist toxisch für die Lunge und hat 2019 in den USA zu vielen Todesfällen geführt, was aber rein garnichts mit einer sachgerechten Nutzung von E-Zigaretten zu tun hat.

Seitdem geisterte überall – sogar in aufwändigen Filmdokumentationen – die Kunde umher, das Dampfen sei hochgefährlich, viel schädlicher noch als Tabak. Süchtige Raucher, die sich nicht gerne mit einer Konsumalternative befassen wollten, klärten mich mit erhobenem Zeigefinger auf. Meine dampfende E-Zigarette sei ein lebensgefährliches Instrument. Sie blieben dann doch lieber beim althergebrachten Tabakverbrennen. Solcher Unfug war das Ergebnis einer Flut von Medienberichten, deren Autoren offenkundig rein gar nichts von dem verstanden, worüber sie schrieben.

Ein Argument der meisten Kritiker ist allerdings stichhaltig. Konzerne, die Suchtstoffe und viele andere Dinge verkaufen, um ihren einzigen Daseinszweck Profitmaximierung zu erfüllen, gehen im Zweifel immer über Leichen. In ihre Hände gehört die wissenschaftliche Forschung zu Inhalationsmethoden, E-Zigarettentechnik und Liquids ganz sicher nicht.

Außerdem: "harm reduction" ist wirklich etwas ganz anderes als die kommerziell motivierte Produktion von neuen Konsumwünschen.

Was von einer rationalen Gesundheitspolitik erwartet werden kann

Lieber Gesundheitsminister Karl Lauterbach! Wegen Ihrer – nunmehr wohl ad acta gelegten – Visionen eines Abschieds von der Zweiklassenmedizin, wegen Ihres Engagements gegen die tödlichen Feinstaubschädigungen von Menschen im Zuge der allmächtigen Auto-Religion, die unsere Städte Tag für Tag verpestet, und wegen ihrer Voten für eine Pandemie-Abwehr nach rationalen, wissenschaftlich kontrollierten Maßgaben werden Sie von vielen geschätzt.

Ich selbst bin sehr damit einverstanden, dass esoterische Paradigmen sogenannter "Querdenker" nicht die Grundlage zur Bewertung öffentlicher Aktivitäten bzw. Instrumente zur Abwehr von Gesundheitsgefahren werden. Dann dürfen allerdings auch bei der E-Zigarette nicht weiterhin Esoteriker und Moralprediger die Marschroute vorgeben, sondern nur noch medizinische Praktiker und – von Konzernen unabhängige – empirische Forschungsprojekte.

Angesichts neuer Forschungstrends ist das von Ihnen geleitete Gesundheitsministerium verpflichtet, das Thema "E-Zigarette" nur nach streng wissenschaftlicher Methodik anzugehen – selbstredend unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Applikationsformen und Inhalationssubstanzen. Kein Dampfer hat z.B. etwas dagegen, vor fragwürdigen Liquid-Mischungen gewarnt zu werden.

Argumentationen zum Thema dürfen aber nicht weiterhin jenem Niveau entsprechen, auf dem etwa negative Langzeitfolgen von milliardenfach erprobten mRNA-basierten Impfstoffen ohne weiteres als etwas Gegebenes postuliert werden. Bei der Devise "Fakten statt Mythen" darf nicht mit zweierlei Maß gemessen werden, je nachdem, welches Thema gerade verhandelt wird.

Eine Finanzpolitik, die das Dampfen so teuer macht, dass Menschen mit einem Haushalt auf "Sozialhilfeniveau" es sich nicht mehr leisten können, sollte sich ohnehin schämen. Doch falls das Dampfen nachweislich zur Gesundheitsförderung im Sinne von "harm reduction" taugt, müsste man die neue Steuer als zynisch und menschenfeindlich attackieren.

Kurzum: Abhängig vom Verlauf der Forschungsdiskussion kann es sein, dass verantwortungsbewusste Akteure schon in dieser Legislaturperiode nicht umhinkommen, die "E-Zigarette" für große Teile der inhalationsfreudigen Bevölkerung aktiv zu empfehlen und Anreize für einen Konsum-Umstieg – weg von der Tabakverbrennung – zu schaffen.

Der Verfasser ist Theologe, examinierter Krankenpfleger mit langjähriger Berufserfahrung im Gesundheitswesen und freier Publizist.