Und noch ein "Gegenmanifest" zum "Manifest für Frieden"

Befürchten die Initiatoren tatsächlich einen Stopp der Waffenlieferungen, oder wollen sie nur zeigen, dass die Regierung noch Rückhalt in der Gesellschaft hat? Symbolbild: synaxonag / CC BY 2.0

Auch Junge Liberale und Junge Union sammeln Unterschriften. Forderung: Der aktuelle Regierungskurs soll fortgesetzt werden. Eine ähnliche Initiative hat bisher wenig Resonanz.

Laut einer Insa-Umfrage könnte das Potenzial an Unterschriften für "Gegenmanifeste" zum "Manifest für Frieden" von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer fast gleichauf liegen. 39 Prozent der Befragten äußerten sich klar oder "eher" zustimmend, 38 Prozent klar oder "eher" ablehnend. Die übrigen Befragten waren unentschlossen oder desinteressiert.

Allerdings ging die erste "Gegenrede" mit einigermaßen bekannten Erstunterzeichnern auf der Kampagnenplattform Change.org bisher bei weitem nicht die "durch die Decke" wie das "Manifest für Frieden" selbst. Letzteres wurde am 10. Februar veröffentlicht und erzielte anfangs mehr als 100.000 Unterschriften pro Tag – mittlerweile hat sich die Frequenz aber verlangsamt, sodass es bis zum heutigen Freitagmorgen "nur" 619.300 mal unterzeichnet wurde.

Die teils heftige Skandalisierung hatte sicher geholfen, das Manifest innerhalb kürzester Zeit bekannt zu machen – allerdings dürften sich viele deshalb auch dreimal überlegt haben, ob sie es tatsächlich unterschreiben wollen. Teils wurden ihnen unterstellt, die Ukraine dem russischen Präsidenten zum Fraß vorwerfen zu wollen.

Auch über die elf Tage später veröffentlichte "Gegenrede" des Politologen Alexander Stephans mit der Überschrift "Die Ukraine jetzt aufgeben? Nicht in unserem Namen!", die unter anderem der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter unterschrieben hatte, berichteten umgehend Massenmedien wie Spiegel Online – die Zahl der Unterschriften lag aber nach drei Tagen an diesem Freitagmorgen erst bei 16.250.

Am heutigen ersten Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine haben die Nachwuchsorganisationen von FDP und CDU noch eine weitere Gegenpetition gestartet, die im Grunde nur zur Fortsetzung der bisherigen Regierungspolitik auffordert und als "Manifest für die Freiheit in Europa" bezeichnet wird. Initiatoren sind die Vorsitzenden der Jungen Liberalen und der Jungen Union, Franziska Brandmann und Johannes Winkel.

In ihrem Text unterstellen sie Wagenknecht, Schwarzer und allen Unterzeichnern ihres Aufrufs "aus dem Kreml stammende Lügenmärchen", bezeichnen sie als "vermeintliche Friedensaktivisten" und fordern die Bundesregierung auf, die Ukraine weiter mit Waffenlieferungen zu unterstützen.

Auch hier gehört Roderich Kiesewetter zu den Erstunterzeichnern – neben der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die der Ampel-Regierungspartei FDP angehört. Auch der Grünen-Politiker Anton Hofreiter hat sich dazu gesellt.

Warum die Resonanz schwer vergleichbar ist

Gewissermaßen fordern hier Teile von Regierungsparteien die Regierung zum "Weiter so" auf – insofern wird die Resonanz schwer mit der auf das "Manifest für Frieden" vergleichbar sein. Dass die erste "Gegenrede" bisher nicht "durch die Decke" ging, kann einerseits daran liegen, dass Menschen, die den Regierungskurs klar oder "eher" befürworten, hier keine Dringlichkeit sehen, weil sowieso schon passiert, was sie für richtig halten.

Die Initiatoren sehen aber offenbar die dringende Notwendigkeit, zu zeigen, dass noch relevante Bevölkerungsteile hinter der Regierungspolitik stehen – und es sollen alle wissen, dass sie "die Guten" sind.

Der aggressive Ton gegenüber Andersdenkenden könnte dann aber ein zentraler Fehler sein, da viele Menschen eher "schweren Herzens" für Waffenlieferungen sind und das moralische Dilemma in der eigenen Familie und im Freundeskreis diskutieren.

Davon abgesehen werden selbst im "Manifest für Frieden" Waffenlieferungen an die Ukraine nicht pauschal abgelehnt, sondern "die Eskalation der Waffenlieferungen". Manche Erstunterzeichner haben bereits darauf hingewiesen, dass ihnen diese Unterscheidung wichtig war, da sie die Lieferung von Defensivwaffen befürworten.