Ursache für tote Fische in der Oder weiter unklar
Inzwischen sucht man in verschiedenen Richtungen nach Ursachen. Welche Hypothesen diskutiert werden und warum Quecksilber die Fische womöglich nicht vergiftete.
Das massenhafte Sterben von Fischen in der Oder stellt Forscher, Anwohner und Politiker in Deutschland und Polen immer noch vor große Rätsel. Die Ursache konnte bislang nicht eindeutig geklärt werden – und so herrscht weiterhin Verunsicherung.
An dieser Stelle hatte Gaby Weber gestern in ihrem Artikel eine mögliche Vergiftung der Fische durch Quecksilber angesprochen, siehe: Tote Fische und geballte grüne Inkompetenz. Sie verwies darauf, dass am Anfang der Katastrophe tatsächlich erhöhte Quecksilber-Werte im Wasser gemessen wurden.
Die untersuchten Fischproben kamen jedoch zu einem eindeutigen Ergebnis: Quecksilber scheidet nach offiziellen Angaben als Ursache aus. Das wird auch von Axel Vogel (Grüne), dem Umweltminister von Brandenburg, bestätigt:
"Von polnischer Seite wurde uns gestern mitgeteilt, dass alle Fischproben, die bisher durchgeführt wurden, keine Schwermetallbelastung und keine Quecksilberbelastung ergeben haben."
Vogel hatte noch hinzugefügt, dass die hohen Quecksilber-Werte in der ersten Probe gefunden wurden, die das Landeslabor ausgewertet habe. "Es kann sein, dass es sich um eine Anomalie handelt, dass es ein lokales Ereignis ist", so Vogel. Er betonte, dass das Schwermetall nicht in solchen Mengen in die Oder gelangt sei, um "schockartig" ein Fischsterben auszulösen.
Weber verweist auf Goldschürfer, die im brasilianischen Regenwald ganze Fisch-Populationen mit Quecksilber ausrotten würden.
Kraftwerk Opole als Quelle erhöhter Quecksilber-Werte?
Als mögliche Quelle des Quecksilbers bietet Gaby Weber den Lesern das Steinkohlekraftwerk Opole an. Es liegt einige Kilometer flussaufwärts von dem Ort, an dem Ende Juli Angler von den ersten toten Fischen berichteten.
Die Anlage sei eine wahre Dreckschleuder, schreibt Weber. "Wie bei allen Kohlekraftwerken fallen bei seinem Betrieb große Mengen Quecksilber an." Beim Verbrennen von Kohle in den Kraftwerken fällt auch tatsächlich Quecksilber an – es wird aber vor allem über die Abgase in die Umwelt eingetragen, kontinuierlich und nicht schlagartig.
Quecksilber reichert sich damit kontinuierlich in der Natur an, was unter anderem an den Sedimenten in der Oder nachweisbar ist. Die polnische Tageszeitung Wyborcza ließ am Montag die promovierte Biologin Marta Jermaczek-Sitak zu Wort kommen.
Sie schrieb, man habe Bodensedimente mit der gesamten Geschichte der Verschmutzung der Oder. Schwermetalle seien in riesigen Mengen vorhanden, einschließlich Quecksilber. Doch normalerweise seien sie gebunden und nicht frei und wenn sie unberührt blieben, dann passiere auch nichts.
Das könnte sich aber ändern, wenn Arbeiten in oder an der Oder durchgeführt werden – und das geschieht im großen Maßstab, wie Jermaczek-Sitak schreibt. An vielen Stellen, von Oberschlesien bis zur Warthemündung, würden Regulierungsarbeiten durchgeführt, Bagger würden damit die Sedimente stören.
Bestätigt wird dies von deutschen Umweltschützern. Sascha Maier ist einer von ihnen, er ist Experte für Gewässerpolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und Vertreter des internationalen Aktionsbündnisses "Lebendige Oder". Er erklärte am Mittwoch, bei seiner Kajak-Tour auf der Oder gesehen zu haben, wie mit schwerem Gerät an der Oder gearbeitet wurde.
Hohe Salzfrachten und Algenblüte
Die Arbeiten an der Oder können eine Erklärung dafür sein, weshalb die gemessenen Quecksilber-Werte angestiegen sind. Damit ist allerdings noch nicht unbedingt die Ursache für das massive Fischsterben gefunden.
Axel Vogel hatte am Montag erklärt, seit rund einer Woche gebe es in der Oder eine hohe Salzfracht und einen hohen pH-Wert. Das sei beides toxisch für Fische und könne die unmittelbare Todesursache sein. Man wisse aber nicht, wie die hohen Salzfrachten ins Wasser gelangt seien.
Hohe Salzfrachten in Gewässern gehen oftmals einher mit dem Steinkohlebergbau und der Verstromung von Steinkohle; sie werden unter anderem mit dem Grubenwasser in die Flüsse geleitet. Sie entstehen aber auch in der Rauchgasentschwefelung von Kraftwerken. In Deutschland gibt es seit Jahrzehnten Erfahrungen mit diesem Thema.
Betrachtet man die Rauchgasentschwefelung, dann könnte das Steinkohlekraftwerk Opole wieder als mögliche Quelle in Betracht kommen. Aber Jermaczek-Sitak schreibt, Polen habe "Industrieanlagen in Schlesien, darunter Bergwerke, die regelmäßig Salzwasser ablassen, Papierfabriken und Chemiefabriken, die regelmäßig und illegal etwas in die Oder abgeben".
Die B.Z. teilte am Mittwoch mit, Experten in Polen würden ebenfalls vermuteten, dass Grubenwasser in die Oder geflossen sein könnten.
Salz im Wasser schuf gute Bedingungen für Algenwachstum
Forscher gehen nun auch davon aus, dass Algen zum massenhaften Fischsterben beigetragen haben könnten. Im Mittelpunkt der Untersuchungen steht dabei die Mikroalge mit dem Namen Prymnesium paryum.
"Die Art ist bekannt dafür, dass es gelegentlich zum Fischsterben kommt", hatte der Gewässerökologe Christian Wolter der Deutschen Presse-Agentur (dpa) gesagt.
Noch sei aber unklar, ob das Gift der Alge tatsächlich der Grund für das Fischsterben ist. Ob sie in diesem Fall Giftstoffe produziert habe, müsse noch nachgewiesen werden, betonte der Forscher des Berliner Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei. Wolter sprach von einer massiven Algenblüte mit 200 Mikrogramm pro Liter und mehr als 100.000 Zellen pro Milliliter Wasser.
Diese Algenart lebe eigentlich im Brackwasser, so Wolter, also dort, wo sich Süß- und Salzwasser vermischen. Doch in einem salzhaltigen Milieu könne sie gut wachsen. Zudem benötige die Alge hohe pH-Werte. Diese Bedingungen findet sich momentan in der Oder vor. "Als Brackwasserart würde sie ansonsten in der Oder keine Massenentwicklung bilden", erklärte Wolter.
Von dieser Theorie ist der Geschäftsführer des Landesfischereiverbandes Brandenburg/Berlin, Lars Dettmann, nicht überzeugt. Wenn man sich die Auswirkungen anschaue, falle es schwer, das zu glauben.
"Da hat irgendwer irgendwo entweder mit Vorsatz oder durch einen Unglücksfall Sachen eingeleitet in das Flusssystem, die sich ganz massiv auswirken", sagte er laut rbb. Das Algenwachstum sei seiner Meinung nach höchstens eine weitere Folge davon.
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