Verhandlungen zum Ukraine-Krieg: Europas ungelöste Bewährungsprobe

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Es geht um die europäische Sicherheit in nächster Zukunft. Wie könnte eine glaubwürdige Abschreckung aussehen? Gespräch mit Brigadegeneral a.D. Reiner Schwalb. (Teil1).
Wie ist die Lage im Ukraine-Krieg? Was ist politisch an Vereinbarungen möglich, um den Ukraine-Krieg zu beenden?
Der Faktor Trump hat für einen Wendepunkt im Ukraine-Krieg gesorgt. Seit er im Amt ist, wird neu über die Möglichkeit einer Beendigung des Ukraine-Kriegs gesprochen. Die USA und Russland stehen in Verhandlungen.
Welche Sicherheitsgarantien sind möglich?
Welche Friedensordnung kann für Stabilität in Europa sorgen? Was ist realistisch?
Diese Fragen stehen derzeit im Zentrum der Sicherheitspolitik. Wie groß die politischen Dimensionen sind, lässt sich nicht zuletzt auch am Sondervermögen ablesen, dem nun der Bundestag den Weg freigemacht hat.
"Raus aus der Eskalationsspirale"
Telepolis-Autor Andreas von Westphalen hat über diese Fragen zum Ukraine-Krieg mit hochkarätigen Sicherheitsexperten gesprochen.
Im folgenden Beitrag ist Reiner Schwalb sein Gesprächspartner. Er verfügt als Brigadegeneral a.D. über hochrangige militärische Expertise mit Erfahrungen in Nato-Stäben, wo er sechs Jahre lang tätig war. Schwalb hat auch diplomatische Erfahrungen mit Russland aus nächster Nähe: Von Dezember 2011 bis August 2018 war er Militärattaché an der Deutschen Botschaft in Moskau.
Schwalb ist auch Unterzeichner eines Papiers von Dezember 2021, das für ein Ende der Eskalationspirale eintrat.
Das folgende Interview fand am 14. März 2025 statt. Zwischenzeitliche Entwicklungen der Verhandlungen zwischen den USA und Russland sowie insbesondere das aktuelle Telefonat zwischen Trump und Putin sind daher nicht berücksichtigt. Zentral sind grundsätzliche Einschätzungen.
"Es geht bestenfalls um die Verhinderung der Verschlechterung von Verhandlungspositionen"
▶ Herr Schwalb, wir führen unser Interview am 14. März. Wie ist Ihre Einschätzung der militärischen Situation des Ukraine-Krieges heute?
Reiner Schwalb: Russland hat aus meiner Sicht in den vergangenen Monaten, man könnte fast sagen, seit zwei Jahren, langsam, aber stetig seine Position in der Ukraine verbessert. Das wird im Oblast Donezk und hier besonders in der Region um Pokrowsk deutlich, aber auch in der Region Kursk auf russischem Territorium, wo nach den Meldungen, die wir bekommen, Russland ja diesen Brückenkopf der Ukrainer fast eingedrückt haben soll.
Diese Verbesserung der russischen Position geschah trotz der westlichen Hilfe gegenüber der Ukraine. Nach diesen militärischen Erfolgen Russlands ist aus meiner Sicht an eine Rückeroberung der von Russland besetzten Gebiete nicht zu denken. Das scheint vollkommen unrealistisch.
Auch eine immer wieder von westlicher Seite propagierte Verbesserung der Verhandlungsposition der Ukraine ist nicht zu sehen. Es geht bestenfalls um die Verhinderung der Verschlechterung von Verhandlungspositionen. Dies wiederum versetzt Putin in eine relativ gute Ausgangslage bei Verhandlungen.
▶ Die Entwicklung ist rasant. Russland hat am 6. März eine einmonatige Waffenruhe abgelehnt, ebenso mögliche EU-Friedenstruppen. Jetzt liegt der US-Vorschlag einer Waffenruhe vor und wir warten auf die Antwort aus Russland.
Wie schätzen Sie derzeit (das Gespräch fand am 14. März statt, die Red.) die diplomatischen Bemühungen ein?
Reiner Schwalb: Zunächst mal sehe ich es positiv, dass seit den Verhandlungen zwischen Ukraine und Russland im März, April 2022 erstmals wieder ernsthaft über Verhandlungen gesprochen wird. Ich sehe auch positiv, obwohl der Eindruck anders zu sein scheint, dass nicht nur über die Ukraine, sondern zunächst einmal mit der Ukraine gesprochen wurde und dies durch die amerikanische Administration.
Dass mit den Gesprächen in Dschidda offensichtlich eine Art Pendel-Diplomatie begonnen hat, ist ebenso ein positives Signal. Weiterhin scheint es aus meiner Sicht erfolgversprechend, dass bei diesen Gesprächen von Steven Witkoff in Moskau Stillschweigen bewahrt wurde. Es gab keinen Abbruch und auch keine öffentlich präsentierten Positionen, die jetzt schon alle Hoffnungen auf eine ernsthafte Fortsetzung der Verhandlungen begraben hätte.
Der Verhandlungsspielraum
Die verhaltene Äußerung von Putin, die er beim Treffen mit Lukaschenko gemacht hat, sagt, dass zwar einerseits in bestimmten Bereichen aus russischer Sicht wohl kaum Verhandlungsspielraum besteht (das sind sicherlich die territorialen Fragen und das sind die Fragen Nato-Mitgliedschaft und Nato-Truppen Stationierung in der Ukraine), dass aber andererseits es mit Sicherheit andere Punkte gibt, bei welchen sich Putin gezwungen sehen wird, Zugeständnisse zu machen.
Deutlicher wird dies vermutlich nach einem Gespräch der Präsidenten Trump und Putin werden.
Sicherheitsgarantien: "Damit bleiben ja nur wir Europäer"
Weiterhin scheint mir wichtig, dass die ukrainische Delegation betont, die europäischen Partner würden in den Friedensprozess einbezogen werden.
Dies wurde auch von den europäischen Partnern so wahrgenommen. In Europa hat eine fast hektisch anmutende Diplomatie, auch mit Spitzentreffen, begonnen. Ich brauche nur an das Treffen Anfang März in London zu erinnern.
Wir Europäer sollten vollkommen unabhängig davon, wie wir Präsident Trump und wie wir Präsident Putin einschätzen, die jetzige Lage als Chance begreifen, die europäische Sicherheitsarchitektur der Zukunft mitzugestalten.
Es geht um unsere eigene Sicherheit, es geht um uns in Europa. Diese Frage der Zukunftsgestaltung betrifft auch die Sicherheitsgarantien für die Ukraine, die von Europa offensichtlich erwartet werden. Die US-Administration will sich – zumindest gegenwärtig – hierbei nicht militärisch engagieren.
Präsident Selenskyj legt Wert darauf, dass auf jeden Fall Sicherheitsgarantien gegeben werden. Damit bleiben ja nur wir Europäer.
Wenn aber gleichzeitig Putin sagt, es darf auf keinen Fall Nato-Truppen oder auch europäische Truppen in der Ukraine geben, haben wir zunächst mal ein Problem.
Wie Abschreckung realisiert werden kann
Dennoch, darüber kann man verhandeln. Und vielleicht darf ich das noch ein bisschen ausführen, weil das ja damit zu tun hat, wozu solche Truppen eigentlich dienen und wie Abschreckung realisiert werden kann?
▶ Natürlich.
Reiner Schwalb: Aus meiner Sicht ist Abschreckung wichtig, um sicherzustellen, dass Russland, selbst wenn vertragliche Vereinbarungen getroffen werden, diese Verträge nicht bricht.
Dazu scheint es allerdings nicht zwingend erforderlich, starke europäische Truppenkontingente in der Ukraine zu stationieren. Militärische Abschreckung wirkt entweder durch Verhinderung, Englisch "deterrence by denial", also Abschreckung dadurch, dass man durch Verteidigung verhindert, dass ein anderer überhaupt erfolgreich einmarschieren kann oder durch Androhung von Bestrafung, "deterrence by punishment", also einer militärischen Reaktion, die für den potenziellen Angreifer teurer werden würde , als die zu erwartenden Gewinne.
Ersteres erfordert sehr viele Truppen und dies grenznah. Letzteres erfordert neben militärischen Fähigkeiten eine klare Kommunikation, um glaubwürdig zu sein. Deterrence by denial führt zwangsläufig zu einem Sicherheitsdilemma, weil es bedrohlich auf Russland wirken muss.
Diplomatische Kontakte sind erforderlich
Egal, welchen Weg wir Europäer gehen wollen, erfordert dieser natürlich diplomatische Kontakte zwischen den beiden sich gegenüberstehenden Parteien und auch militärische Kontakte um in Zeiten kaum noch vorhandener vertrauensbildender Maßnahmen und Rüstungskontrollregimen die Wahrscheinlichkeit einer Eskalation und damit eines bewaffneten Konfliktes zu minimieren.
Also, obwohl die eine Seite (Russland) klar ablehnt, dass westliche Truppen in der Ukraine stationiert werden und die andere Seite (Ukraine) dies auf jeden Fall möchte, denke ich, kann auch dort ein Kompromiss gefunden werden, der der Ukraine ausreichende Sicherheitsgarantien gibt.
Sicherheitsgarantien durch den EU-Vertrag
▶ Welche Rolle kann der Art. 42 Absatz 7 des Vertrags von Lissabon spielen, der für Mitglieder der EU eine Art militärischer Sicherheitsgarantie für den Bündnisfall festschreibt? Russland hat explizit erklärt, nicht gegen einen Beitritt der Ukraine zur EU zu sein.
Reiner Schwalb: Langfristig, falls Ukraine EU-Mitglied werden sollte, würde der Artikel 42 Absatz 7 natürlich auf jeden Fall greifen. Damit gäbe es auch harte militärische Sicherheitsgarantien, ist der EU-Vertrag ja sogar schärfer formuliert als Artikel 5 des Nato-Vertrags.
Der Weg dorthin ist das Problem. Auf dem Weg zu einer solchen EU-Mitgliedschaft muss natürlich auch der Frieden gesichert werden. Das scheint gegenwärtig das Kerninteresse der Ukraine zu sein.
Also das, was bei einer EU-Mitgliedschaft zwingend erforderlich wäre, könnte jetzt durch eine Koalition der Willigen schon freiwillig geleistet werden. Unter diesen Rahmenbedingungen, denke ich mal, erübrigt sich die Frage, ob wir denn eine solche Sicherheitsgarantie überhaupt geben können oder geben sollten.
Wenn also angestrebt wird, dass die Ukraine auf jeden Fall EU-Mitglied werden soll, dann können und sollten wir diese Sicherheitsgarantien auch jetzt schon geben, wenn sie denn gegenwärtig Voraussetzung für einen stabilen Frieden sind.
Der Umgang mit den von Russland besetzten Territorien
▶ Ein weiteres zentrales Problem möglicher Verhandlungen über einen Waffenstillstand bildet der Umgang mit den besetzten Gebieten und der Krim. Welche Möglichkeiten sehen Sie hier?
Reiner Schwalb: Gegenwärtig scheint für mich ausgeschlossen, dass Russland bei Verhandlungen die Rückgabe der eroberten Territorien zustimmen wird. Das ist weder für Ukrainer noch für uns befriedigend.
Aber man muss nun mal bei Verhandlungen Kompromisse suchen, auch wenn diese unbefriedigend scheinen. Um aber eine vielleicht zufriedenstellende Lösung zu finden, könnte man einen Weg gehen, dass man, nehmen wir an, es käme zu einem Friedensvertrag, dass man in einem Friedensvertrag festlegt, so ähnlich wie es angedacht war bei den Verhandlungen im März, April 2022, dass nach einer gewissen Zeit, zehn, 15, 20 Jahren, noch einmal über die Zugehörigkeit dieser Regionen, eine international beobachtete Volksabstimmung stattfindet.
Hierzu könnte auch Russland die Zustimmung abgerungen werden. Schließlich geht man im Kreml ja davon aus, dass diese Oblaste und die Krim zu Russland gehören wollen.
Die Ukraine könnte dem auch zustimmen, weil damit eine territoriale Regelung zunächst nicht endgültig wäre. Auch für uns würde dies die Möglichkeit eröffnen, die völkerrechtswidrige Verschiebung der Grenzen nicht festzuschreiben und damit die bestehende Sicherheitsordnung in Europa nicht vollständig über Bord werfen zu müssen.
Ich sehe dies als eine Möglichkeit des Handelns, über die man zumindest diskutieren sollte.
Russland und die Vertragstreue
▶ Es ist wiederholt zu hören, dass man aufgrund des Bruches des Budapester Memorandums durch Russland dem Land nicht mehr trauen dürfe und jede Verhandlung schon deshalb zum Scheitern verurteilt sei, weil sich Russland anschließend an die Abmachungen nicht halten wird.
Herr Schwalb, von 2011 bis 2018 waren Sie deutscher Verteidigungsattaché in Moskau. Welche Erfahrungen haben Sie in Verhandlungen mit Russland gemacht?
Reiner Schwalb: Fangen wir mal mit den Erfahrungen an. Ich habe natürlich keine Verhandlungen geführt. Verhandlungen werden durch Diplomaten vorbereitet und durch die Bundesregierung geführt.
Aber vollkommen unabhängig davon habe ich viele Gespräche im russischen Verteidigungsministerium geführt, bei welchen festzustellen war, wenn es um strittige Punkte ging, dass von der russischen Seite auf dieser untersten Ebene akzeptiert wurde, wenn man klare Forderungen gestellt hat auch mögliche Reaktionen bei Nichtakzeptanz der Forderungen aufgezeigt hat.
Dies allerdings nur dann, wenn es nicht öffentlich gemacht wurde. Deutlich wurde aber, dass Russland diese aufgezeigten Grenzen oder roten Linien, wie sie manchmal bezeichnet werden, ausgetestet hat.
Meine Lehre daraus auf der eigenen Ebene war, man kann mit russischen Vertretern über alles sprechen, auch sehr konfrontativ, wenn man es nicht öffentlich macht. Und man kann auch klare Positionen vertreten, muss aber davon ausgehen, dass deren Ernsthaftigkeit getestet wird.
Das wiederum erfordert Gesprächskanäle, die verhindern, dass ein Austesten nicht in eine Eskalationsspirale mündet.
Verträge und Verhandlungen: Vertrauen ist essentiell
Jetzt zur Frage: Wie ist das Konzept mit Verhandlungen? Werden Verträge eingehalten oder nicht? Nun bin ich kein Jurist, aber das Budapester Memorandum war nach Meinung vieler ein Memorandum und kein Vertrag. Also gibt es zunächst einmal keinen Vertragsbruch. Vertragsbrüchig wurde Russland, indem es mit dem Angriff die Charta von Paris verletzt hat.
Heißt das, wenn ein Vertrag gebrochen wird, dass alle Verträge grundsätzlich gebrochen werden und dass man deswegen nicht mehr mit anderen sprechen darf, die Völkerrecht gebrochen haben?
Nein, denke ich nicht, aber internationale Verträge leben, weil es keine höhere Instanz gibt, von dem Vertrauen, welches man dem anderen entgegenbringt. Ist dieses Vertrauen zerbrochen, bedarf es, bis Vertrauen wieder aufgebaut wird, der militärischen Abschreckung. Das ist die Logik, die hinter der Notwendigkeit von Abschreckung steht.
Militärische Abschreckung alleine ist für eine Stabilitätsentwicklung aber nicht ausreichend. Es ist ebenso zwingend erforderlich, miteinander zu reden und Rüstungskontrolle und Vertrauensbildung wiederzubeleben.
Angst und Aufrüstung: Russland und das Jahr 2029
▶ In den letzten Tagen wird wiederholt die Angst ausgedrückt, dass Russland die Nato angreifen möchte und im Jahr 2029 dazu auch die militärischen Möglichkeiten habe.
Friedrich Merz mahnt: "Angesichts der Bedrohungen unserer Freiheit und des Friedens auf unserem Kontinent muss jetzt für unsere Verteidigung gelten: whatever it takes." Unionsfraktionsvize Jens Spahn wurde noch deutlicher:
"Was nützt die schönste Schuldenbremse, wenn der Russe vor der Tür steht? Wir Europäer haben doch zugespitzt gesagt, nur zwei Möglichkeiten: Wir können uns verteidigen lernen oder alle Russisch lernen."
Worauf basiert diese Sorge und teilen Sie sie?
Reiner Schwalb: Ich teile die Sorge nicht, dass Russland die Nato angreifen würde. Einfach weil Russland eine paranoide Angst davor hatte, dass Nato immer näher an sie heranrückt und weil Russland Nato für weit überlegen hält. Die einzige wirkliche Schwäche, die Russland bei Nato sieht, ist die scheinbar nicht immer gegebene Nato-Geschlossenheit.
Gilt das auch, wenn Trump sich aus der Nato zurückziehen würde, was ich, trotz aller Rhetorik, für unwahrscheinlich halte? Ich denke schon. Präsident Trump sagte erst am 13. März wieder, dass er selbstverständlich zu jedem Partner stehe, auch militärisch.
Warum 2029?
Allerdings sage ich auch als früherer militärischer Planer, Militär muss sich für auch auf die negativsten Fälle einstellen. Dennoch bleibt die Frage, was könnte Russland überhaupt mit einem Angriff auf Nato gewinnen? Warum 2029?
Dem liegt ja scheinbar eine Beurteilung zugrunde, dass die russische Rüstungsindustrie weiter so produzieren würde wie gegenwärtig und der russische Personalersatz weiter so funktionieren würde wie jetzt.
Das alleine halte ich schon mal für sehr unwahrscheinlich, dies auch, weil Russland selbst wieder Konversion der Rüstungsindustrie betreiben muss. Auch Personal wird nicht ausreichend zur Verfügung stehen.
Also zu sagen, Russland wird 2029 Nato angreifen können, halte ich für problematisch. Dass die Bundeswehr abschreckungsfähig sein muss im Verbund mit den Partnern, das gilt ohne Frage. Ich komme noch mal zurück auf das, was ich vorher sagte.
Wenn es darum geht, Sicherheitsgarantien zu geben, dann müssen wir diese auch militärisch sicherstellen können. Dafür brauchen wir also eine funktionierende Abschreckungsfähigkeit und dies bedingt eine starke, von der Bevölkerung getragene, Bundeswehr.
Dass Estland, Lettland, Litauen oder Polen die Frage unmittelbarer russischer Bedrohung anders sehen, kann ich nachvollziehen. Es wird auch häufig über das sogenannte Suwalki-Gap geschrieben, jene ca. 70 km breite Landgrenze zwischen Litauen und Polen, die letztlich den russischen Kaliningrad Oblast von Belarus und damit auch von Russland trennt.
Planungen: Wovon die Gegenseiten ausgehen
Es wird gesagt, dass Russland diese Lücke sofort erobern wolle, um das Baltikum einzuschließen und eine Verstärkung durch Nato-Truppen auf dem Landweg verhindern zu können. Ja, ich gehe davon aus, dass Russland auch solche militärische Planungen gemacht hat.
Allerdings geht Russland genauso davon aus, dass wir Planungen dafür haben, Kaliningrad, welches durch Nato-Nationen eingeschlossen ist, zu bedrohen. Dieses Sicherheitsdilemma lösen wir nicht grundsätzlich dadurch, dass wir die baltischen Staaten stärker militärisch unterstützen, sondern über die Prinzipien der Abschreckung, die ich vorher nannte.
Um es nochmal zusammenfassend zu sagen, ich teile die Meinung nicht, dass Russland 2029 in der Lage sei, die Nato anzugreifen.
Angreifen können sie auch jetzt, sie könnten einigen Nationen Schaden zufügen, blieben aber erfolglos. Und 2029 würden sie gleichermaßen erfolglos sein. Das muss man immer wieder auch gegenüber Russland deutlich machen.
Das heißt aber nicht, dass wir nicht die europäische Verteidigungsfähigkeit stärken müssen. Die müssen wir stärken, weil Russland ein besonderes russisches Interesse an der Ukraine, sicherlich auch an Moldau hat, welches, wie der Angriff auf die Ukraine gezeigt hat, nicht nur vertraglich eingehegt werden kann.
In Teil 2 wird es um die deutsche Ukraine-Politik gehen.