Verlieren wir unsere Wälder?
Energie und Klima – kompakt: Europas Wälder sind von Abholzung und Waldbränden bedroht. Dabei will die EU sie eigentlich schützen. Warum dem Mittelmeerraum schon bald die Versteppung drohen könnte.
In Russland und in Kanada wüten derzeit wieder größere Waldbrände. So seien in der sibirischen Region Kurgan mindestens sechs Menschen gestorben, berichtet die Tagesschau. Auch im Gebiet Swerdlowsk am Ural weiteten sich die Brände aus.
In der kanadischen Provinz Alberta sind fast 390.000 Hektar Wald abgebrannt, 29.000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Wie CNN am Montag berichtete, waren zu dem Zeitpunkt noch 27 Feuer außer Kontrolle. Trockenheit und Temperaturen, die zehn Grad über dem jahreszeitlichen Durchschnitt lagen, kombiniert mit starken Winden schufen günstige Bedingungen für die Brände.
Auch in Teilen Europas wird wohl bald wieder mit größeren Waldbränden zu rechnen sein, zumal in Südwesteuropa aufgrund der im Winter und Frühjahr ausgebliebenen Niederschläge schon jetzt große Dürre herrscht. In Frankreich und Spanien zerstörten Feuer bereits im April einige hundert Hektar Wald.
Doch europäische Wälder sind nicht nur von Bränden in Folge zunehmender Trockenheit und Hitze bedroht. In einem im Fachjournal Science veröffentlichten Kommentar warnt ein Team von europäischen Wissenschaftler:innen, dass gerade der Verlust der letzten Urwälder und naturnahen Wälder Europas ungebremst voranschreitet.
In Schweden beispielsweise würden Urwälder mit einem Tempo abgeholzt, das sie innerhalb der nächsten 50 Jahre komplett vernichten könnte. In Rumänien existierten Urwälder mit einer Fläche von circa 738.000 Hektar, doch 90 Prozent davon stünden nicht ausreichend unter Schutz.
Die europäischen Urwälder und naturnahen Wälder "speichern große Mengen an Kohlenstoff und tragen daher zum Kampf gegen den Klimawandel bei. Trotz ihrer Bedeutung gelingt es uns derzeit nicht, dieses einzigartige Naturerbe adäquat zu schützen", sagt Dr. Mikoláš, Hauptautor der Studie von der Czech University of Life Sciences in Prag.
Und das, obwohl die EU bereits vor drei Jahren ihre Biodiversitätsstrategie 2030 beschlossen hat, der zufolge die Wälder bis 2029 kartiert und unter Schutz gestellt werden müssten. Doch noch immer mangele es an verbindlichen Regeln in den Ländern, um die Richtlinien der EU auch umzusetzen.
"Die letzten verbliebenen Urwälder verschwinden vor unseren Augen, und das steht in starkem Widerspruch zu den gerade verabschiedeten Biodiversitätszielen der EU", erklärt Co-Autor Tobias Kuemmerle von der Humboldt-Universität zu Berlin. Die Wissenschaftler:innen fordern daher ein Abholzungsmoratorium für die Regionen, in denen sich noch alte und naturnahe Wälder befinden könnten. Außerdem müsse es eine verbindliche Verpflichtung geben, dass die Mitgliedstaaten den Schutz von Urwäldern in ihre nationale Gesetzgebung aufnehmen.
Paradoxerweise könnten die Biodiversitätsziele der EU den Druck auf die letzten Urwälder noch verstärkt haben. Hohe Holzpreise stünden geringen Entschädigungen für den Erhalt von Wäldern gegenüber. Gerade die Erwartung eines Einschlagverbots könnte dazu führen, dass die Bäume vorher noch schnell abgeholzt würden.
Den Waldgebieten des Mittelmeerraums droht einer anderen wissenschaftlichen Studie zufolge die Versteppung. Um die zukünftige Entwicklung der dortigen Vegetation vorhersehen zu können, schauten Geowissenschaftler der Universität Heidelberg 500.000 Jahre in die Vergangenheit.
Anhand von fossilen Pollen aus Sedimentkernen, entnommen in Griechenland, konnten die Wissenschaftler:innen Klima- und Vegetationsschwankungen über Hunderttausende von Jahren rekonstruieren. Die Ergebnisse deuten darauf hin, "dass bei anhaltender Trockenheit – wie sie aktuelle Klimamodellierungen vorhersagen – in der nahen Zukunft mit einer Versteppung der Wälder im Mittelmeerraum zu rechnen ist", teilt die Universität Heidelberg mit.
Die Forschenden setzten die aus den Pollen gewonnenen Informationen zur Vegetationsentwicklung in Beziehung zu geochemischen Daten, die Auskunft über Niederschlagsschwankungen gaben. Dabei zeigte sich, dass sich Waldlandschaften innerhalb weniger Jahrzehnte in Steppen verwandelten, wenn eine bestimmte Niederschlagsschwelle unterschritten war.
"In der Vergangenheit hat unter natürlichen Bedingungen ein Rückgang der Regenmenge um 40 bis 45 Prozent ausgereicht, um den plötzlichen Übergang von einer Wald- in eine Steppenlandschaft einzuläuten", erklärt der Leitautor der Studie, Andreas Koutsodendris. Die mögliche Ursache jener Niederschlagsschwankungen war eine Veränderung im Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre. Auch das lässt wenig Hoffnung für die heutigen Wälder im Mittelmeerraum.
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