Viele könnten auf schlechte Ideen kommen …

Kurz vor den Kongresswahlen in den USA kommt der Film "Death of a President" in die Kinos, in dem George Bush bei einem Anschlag getötet wird

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George Bush hält im Jahre 2007 eine Rede in Chicago, zu der auch Anti-Kriegs-Demonstranten erscheinen und er wird inmitten einer ihn umjubelnden Menge erschossen, was durch unterschiedliche Kameras ausführlich dokumentiert wird. Verdächtigt wird zunächst ein Syrer. Dick Cheney wird Nachfolger von Bush und wendet sich unmittelbar nach seiner Ernennung mit militärischen Mitteln gegen Syrien, das in Verdacht gerät, in das Attentat verstrickt zu sein, was sich später als ein Irrtum herausstellen wird. Der Anschlag hatte auch keine politische Intention, sondern erfolgte aus persönlicher Rache.

So in etwa ist die Story in der Pseudo-Dokumentation des britischen Regisseurs Gabriel Range, die schon bei der Aufführung am 10. September in Toronto für einiges Aufsehen gesorgt hat und mit dem Kritikerpreis ausgezeichnet wurde (Trailer). Death of a President ist am 9. Oktober im britischen Fernsehen vom Sender More4 gezeigt. Die britische Gruppe MediaWatch sieht in der Ausstrahlung des Films Gefahren: „Es gibt viele, die gegen Präsident George W. Bush sind“, sagte John Beyer von MediaWatch. „Der Film könnte sie auf schlechte Ideen bringen.“ Peter Dale, der Chef des Senders, versteht den Film hingegen als eine „pointierte politische Untersuchung der Auswirkungen des Anti-Terror-Kriegs auf die Institutionen der USA“.

Szene aus Death of a President

Newmarket Films hat sich die Rechte für den Vertrieb des Films in den USA gesichert. Er soll ab dem 27. Oktober – wenige Tage vor der Kongresswahl – in die amerikanischen Kinos gebracht werden. Es haben sich zahlreiche US-Kinoketten, neben Cinemark auch Regal Entertainment, die größte Kette, dagegen ausgesprochen, den Film zu zeigen. Generaldirektor Mike Campbell betont, dass Regal Entertainment nicht dazu geneigt ist, den Film ins Programm zu nehmen, da es unangebracht sei, den Mord an einem amtierenden Präsidenten zu zeigen. Dennoch soll der Film, der trotz oder gerade wegen der Diskussion ein großer Erfolg werden kann, nach Aussagen von Newmarket Films schon von zahlreichen kleineren Kinos ins Programm genommen worden sein. Möglicherweise kann Newmarket, die schon in der Vermarktung der „Passion Christi“ Geschick bewiesen haben, gerade die Ablehnung der großen Ketten in eine positive Vermarktungsstrategie umwenden. Die hierfür nötige Medienaufmerksamkeit ist durch die laufende Diskussion bereits gegeben.

Szene aus Death of a President

In den Reihen der Politiker sprechen sich – wahrscheinlich mit Blick auf die Wahlen – sowohl Republikaner als auch Demokraten gegen den Film aus. Es ist durchaus möglich, dass der Wähler Analogien von Film und Wirklichkeit sieht und sich gegen die Republikaner entscheidet, es kann aber auch geschehen, dass der Film zu Sympathiebekundungen gegenüber Bush führt, was den augenblicklichen Vorsprung der Demokraten verringern könnte. Das Weiße Haus nimmt zum Film keine Stellung.

In der Pseudodokumentation, die sich Archivmaterials und Computermanipulationen bedient, finden sich viele Versatzstücke aus der Realität. Die Charaktere sind aus dem politischen Geschehen bekannt, aber auch der Plot selbst ist, wie man mit einem Blick in die Tagespresse der letzten Jahre sehen kann, so abwegig nicht. Dass Begründungsstrategien für Kriege auf Verdächtigungen aufgebaut werden, ist keine Erfindung des Filmes. Dieser will in der Fiktion die Realität widerspiegeln und fokussieren, und dadurch ein Verstehen in Gang setzen. Was irritiert, ist die zeitliche Nähe, in der der Film spielt - und dass es eben nicht ein fiktiver Präsident ist, der dort getötet wird.

Dass ein Film allein Grund sein könnte, den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika zu erschießen, ist eine Befürchtung, die man nicht teilen muss. Regisseur Range sieht in dem Film auch keine persönliche Attacke gegen Bush, sondern eine Weise zu erforschen, wohin dessen Außenpolitik geführt hat. Deshalb behandelt der Film nicht nur das unmittelbare Umfeld des Mordes, sondern wendet sich unter anderem auch der Antikriegsbewegung und der Arbeit des Geheimdienstes zu. Es ist somit nicht nur eine verkürzende Darstellung, ihn als einen Aufruf zur Gewalt gegen Bush aufzufassen und in der Diskussion nur auf diesen Punkt zu pochen, sondern diese Reduktion stellt zugleich eine Möglichkeit dar, den eigentlichen Problemen, die der Film zur Diskussion stellt, zu entgehen. Solange nur Stellung dazu genommen wird, ob der Mord an einem noch lebenden Präsidenten dargestellt werden darf, hat eine Diskussion um den Film noch nicht begonnen.

Szene aus Death of a President

Hinter den Parallelen zur sogenannten Wirklichkeit, die aufgezeigt werden, scheint sich auch die Frage nach dem Zusammenhang von Realität und Fiktion anzudeuten. Die Untersuchung des nicht aufgeklärten Mordes, die im Film nach dem Attentat wieder aufgenommen wird, stellt diese Frage. Der Attentäter, so stellt sich heraus, ist nicht der Syrer, der verdächtigt wird, sondern ein Amerikaner, der den Tod seines Sohnes im Irakkrieg gerächt hat. Durch die Verwendung von Archivmaterial und insbesondere von Versatzstücken aus den Nachrichten im Film werden auch diese in ein anderes Licht gerückt, der Film, so kann man folgern, stellt auch die Frage nach Realität und Fiktion in der medialen Darstellung.

Das Verwirrende daran ist, dass die Fiktion der Pseudo-Dokumentation der Realität, die mit ihr aufgearbeitet werden soll, sehr nahe ist. Dieser Fall ist aber dem Gegenfall vorzuziehen, in dem die Realität der Fiktion angepasst wird.