Von der Siesta zur Mall: Wie extreme Hitze unseren Alltag verändert
Extreme Hitze verändert unser Leben. In Spanien kehrt die Siesta zurück, in Kuwait flüchten Menschen in Malls. Wie lange können wir der Sonne noch trotzen?
Die hierzulande bislang üblichen Arbeitswelten von morgens bis abends mit dem darauf dann folgenden Feierabend, werden immer stärker durch den Klimawandel bedroht, weil man sich tagsüber oft nicht mehr im Freien aufhalten kann.
Das betrifft dann auch die Landwirtschaft, die in vielen Ländern dann unter freiem Himmel nicht mehr möglich ist. Vertical Farming hatte in Deutschland mit den hierzulande vergleichsweise niedrigen Lebensmittelpreisen bislang so gut wie keine Chance. Mehrere Anläufe in Deutschland, aber auch in Österreich, gelten inzwischen als gescheitert, obwohl das Konzept vielversprechend war.
Man hatte vor, Alpensaiblinge in Aquaponik-Farmen zu züchten und mit dem dabei entstehend Abwasser bis zu 120 Gemüsearten zu düngen, die indoor angebaut werden sollten. Ungewohnte Technik in der Landwirtschaft mögen die Kunden in Mitteleuropa offensichtlich nicht. Vor Pestiziden und Herbiziden fürchten sie sich offensichtlich deutlich weniger.
Zudem darf Bio-Gemüse aus Vertical Farming in Deutschland aufgrund einschlägiger EU-Verordnungen bislang nicht als "Bio" gekennzeichnet werden. Denn beim Bio-Anbau müssen die Pflanzen ihre Nahrung in erster Linie über das Ökosystem Boden beziehen. Das beim Vertical Farming eingesetzte Substrat gilt jedoch bislang nicht als Boden. Damit entfallen Kunden, die bereit sind, für Lebensmittel mehr Geld auszugeben.
In Ländern mit steigender Hitze ist Vertical Farming marktfähig
Dass "Controlled Environment Agriculture" in Deutschland zumindest in der Anlagenkonzeption eine Zukunft zu haben scheint, zeigt sich am Engagement des international aufgestellten Elektromultis Siemens in diesem Bereich. Deutschland scheint für die digitale Agrartechnologie bislang noch ungeeignet zu sein. Für Länder wie Dubai, die ihr frisches Gemüse bislang per Luftfracht importieren müssen, bringt das Indoor Farming jedoch auch hinsichtlich des Energiebedarfs deutliche Vorteile.
In Thailand, wo der Temperaturanstieg das Leben inzwischen immer beschwerlicher macht und der Zustrom der Landbevölkerung in die Hauptstadt kaum mehr zu bewältigen ist, beginnt das Indoor Farming jetzt auch Fahrt aufzunehmen, konzentriert sich jedoch bislang auf den Binnenmarkt. Mit der Auslandsexpansion der Central Group, die in Thailand zu den größten Lebensmittelhändlern zählt, könnte sich dies jedoch schon bald ändern, was den deutschen Bauern nicht gefallen dürfte.
Die Hitze wird auch in Thailand zum Problem
In der Hauptstadt Bangkok werden die zahlreichen Einkaufszentren und so manches Hotel inzwischen mit den unterschiedlichsten klimatisierten Metrosystemen miteinander verbunden. Anfangs kamen die Züge von Siemens, inzwischen haben chinesische Hersteller den Markt besetzt und liefern von der Hochbahn über die U-Bahn und die Monorail inzwischen ein umfangreiches Verkehrssystem, welches die alten Tuk-Tuks oder die Taxis, deren Fahrer sich in Bangkok kaum auskennen, inzwischen entbehrlich macht.
Auch auf den Fernstrecken, wie der Verbindung von Bangkok in Richtung Kunming in China, wo über Jahrzehnte Dieselbusse den Markt beherrschten, kommen inzwischen modernste chinesische Hochgeschwindigkeitszüge zum Einsatz, bei welchen sich die Klimatisierung nicht mehr auf das Öffnen von Fenstern und Türen während der Fahrt beschränkt.
Touristen bekommen die Hitze nur für wenige Minuten mit
Lediglich beim Aussteigen aus dem Flieger werden die Touristen, die sich ins Land des Lächelns aufmachen, kurz von der ungewohnten Hitze getroffen. In einem Land, in dem eine Lufttemperatur von 29 °C schon als frisch gilt, darf man sich über diese Temperaturen jedoch nicht beschweren.
Das Problem besteht eher darin, dass man schwitzen muss, um den Körper unter 42 °C zu halten, dabei aber kein Schweißgeruch ausdünsten darf, weil der als unfreundlich gilt. Nicht umsonst werden die Europäer anhand ihres Körpergeruchs gerne mit Buttersäure in Verbindung gebracht und werden als unsauber disqualifiziert, wenn sie sich nur sparsam duschen.
Für europäische Touristen, welche sich schon lange tagsüber kaum im Freien aufhalten, weil sie in erster Linie das Nachtleben genießen wollen oder sich hauptsächlich im Süden der 2.000 Kilometer langen thailändischen Halbinsel aufhalten, dürfte der Klimawandel, der mit hohen Temperaturen bei hoher Luftfeuchtigkeit einhergeht, eher kein Problem darstellen.
Viele Südeuropäer galten wegen der Siesta als faul
In europäischen Regionen, wo es traditionell schon etwas wärmer zugeht, hatte sich die Siesta als Schutz vor zu viel Sonne etabliert, war dann aber durch die europäische Integration und der Verlagerung der Arbeit in klimatisierte Büros in Verruf geraten. Die Temperaturentwicklung der vergangenen Sommer hat die spanische Regierung dann im vergangenen Jahr dazu bewogen, ein Siesta-Gesetz zu verabschieden, welches Arbeitnehmer vor Überhitzung schützen soll.
Im ebenfalls zunehmend überhitzten Kuwait verlassen viele der wohlhabenden Einwohner ihre klimatisierten Wohnungen und Büros im Sommer nur noch, um in klimatisierten Autos zu klimatisierten Einkaufszentren oder Geschäften und Restaurants zu fahren, als gäbe es kein Draußen mehr.
Auch Tiere überleben inzwischen nur noch in den klimatisierten Malls, falls sie dort Zugang erhalten haben. Auf dem Bau arbeiten grundsätzlich nur ausländische Gastarbeiter, die etwa zwei Drittel von Kuwaits Bevölkerung ausmachen und in der Hitze gesundheitlich aktuell besonders gefährdet sind.
Letztlich trifft die Überhitzung im Freien jedoch auch die Einheimischen, die sich praktisch den ganzen Tag in klimatisierten Räumen aufhalten. Ein kurzfristiger Temperatursprung von klimatisierten 18 auf 40 °C kann gerne zum Kreislaufkollaps führen. Und das wird auch in Mitteleuropa schon bald der Normalzustand sein. Wenn die Stromversorgung zusammenbricht, kann dies auch ungeplant häufiger vorkommen.