Warum Prominente einen Aktivisten beim "Klima-Hungerstreik" in Berlin unterstützen

Seite 2: Prominente Unterstützer

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz stellten sich gestern prominente Vertreter aus Politik, Wissenschaft und der Finanzwelt hinter den Hungerstreik ("Hungern, bis ihr ehrlich seid") und seine Forderungen.

Zu den Unterstützern zählen Hans-Josef Fell, ehemaliges Mitglied des Bundestages, einer der Urheber des weltweit hundertfach kopierten Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und Präsident der Energy Watch Group (EWG), der einflussreiche Finanzinvestor Jochen Wermuth, Climate Impact Investor und Mitbegründer von Divest-Invest, einer Finanzinitiative, die inzwischen Vermögenswerte in Höhe von 40.000 Milliarden US-Dollar umfasst sowie der mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnete Forscher im Bereich der Solarenergie, Eicke Weber, 25 Jahre Dozent an der University of California in Berkeley, zehn Jahre Direktor des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg und Landtagskandidat für die FDP 2016.

Auf Knien danken

Sie bedankten sich für den enormen Einsatz der Hungernden auf Kosten ihrer Gesundheit und Unversehrtheit. Den Vorwurf der Erpressung, wie er von manchen in der Öffentlichkeit erhoben wird, halten sie für unberechtigt. Die Hungernden griffen für die richtige Sache in einer extremen Krisensituation zum letzten, stärksten Mittel, das ein Einzelner habe, um eine Änderung zu erwirken, und gefährdeten nur sich. So betonte Eike Weber:

Wir sollten alle Wolfgang und den Mitstreitern im Klimacamp, die sich entschlossen haben, in den Hungerstreik zu gehen, auf Knien danken dafür, dass sie es sind, die dieses Thema wirklich in die Hand nehmen. Ich glaube eigentlich sollte die ganze Menschheit alles stehen und liegen lassen und dieses Thema endlich beherzt in die Hand nehmen, denn wir kennen das Problem, wir haben die technischen Mittel, die technischen Mittel sind ja sogar wirtschaftlich lohnend und preiswert.

Hans-Josef Fell, Jochen Wermuth und Prof. Dr. Eicke Weber betonten zugleich, dass die Forderungen richtig seien. Die Treibhausgase müssten rasant auf null sinken, während hunderte Gigatonnen aus der Atmosphäre wieder gebunden werden müssten, um die Welt langfristig klimatisch stabil zu halten.

Wir befinden uns im Notstand

Wir befinden uns, so die Experten, in einem historischen Notstand, auf den die deutsche Regierung nicht oder nicht angemessen reagiere. Fell verwies dabei auf die Folgen, sollte der politische Kurs nicht schnell geändert werden:

Die Kohlendioxid-Konzentration von 420 ppm, die derzeit in der Luft herrscht, kann die menschliche Zivilisation nicht auf Dauer ertragen. Wir sehen das gerade im Saarland. Dort ereignet sich gerade schon wieder ein schlimmes Hochwasser, in einer Region, in der in 70 Jahren bereits drei Jahrhunderthochwasser waren. Eine auffällige Häufung und ein klarer Hinweis auf die katastrophale Entwicklung der Klimakrise und trotzdem kein Wort vom Kanzler zum Klimaschutz.

Viele Millionen Menschen würden sterben, wenn die Realität, wie sie die Hungerstreikenden zutreffend auf den Punkt bringen, nicht anerkannt und entsprechend gehandelt werde, ergänzte Eike Weber. Grundvoraussetzung dafür sei Ehrlichkeit von Regierung und Politik.

Segen für deutschen Wirtschaftsstandort

Der Finanzinvestor und Mitbegründer der globalen fossilen Divestment-Initiative Wermuth verwies darauf, dass es auch ökonomisch unsinnig sei, an Kohle, Gas und Öl festzuhalten, da die Erneuerbaren billiger Energie bereitstellen können. Für den Wechsel, der sozial und global gerecht ablaufen müsse, brauche es klare politische Vorgaben.

Viele wollen in Deutschland investieren, aber damit Gelder fließen, brauchen Investoren verlässliche Rahmenbedingungen. In einem Land, in dem wissenschaftlich nachgewiesene Realitäten ignoriert werden, kann man nicht investieren. Darum wäre es ein Segen für unseren Wirtschaftsstandort, wenn die Regierung endlich ehrlich über die Klimakrise spräche.

Schon früher hatten die Organisation Scientists for Future und der renommierte deutsche Klimawissenschaftler Hans-Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, langjähriger Berater von Ex-Kanzlerin Merkel und dem ehemaligen EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso sowie "Vater" der Zwei-Grad-Leitplanke, erklärt, dass man die Forderungen des Hungerstreiks unterstütze.

"Wissenschaftlich solide und vernünftig"

Die Forderungen seien "wissenschaftlich solide und vernünftig", hieß es von der Wissenschaftler-Organisation in einer Stellungnahme. Auch eine Reihe von Bundestagsabgeordneten haben das Camp bereits besucht und mit den Streikenden gesprochen.

Die Klimaschutz-Experten Fell, Weber und Wermuth fordern zusammen mit der Ärztin Susanne Koch nun alle Bundestagsabgeordneten zum Handeln auf. In einem von ihnen unterschriebenen Brief, der in den kommenden Tagen an die MdBs versendet wird, ermuntern sie die Parlamentarier, Olaf Scholz zu kontaktieren, damit er "das Notwendige tut, nämlich in einer Krise die Wahrheit zu kommunizieren".