Warum Solar boomt und Kohlekraftwerke unterbeschäftigt sind

So viele Solaranlagen wie nie gingen im ersten Halbjahr ans Netz. Derweil könnten Gas- und Kohlekraftwerke die Lücken in der Inlandsversorgung leicht abdecken. Doch Importe scheinen billiger.

Der Ausbau der Solarenergie in Deutschland boomt, wie unter anderem aus den Daten der Bundesnetzagentur hervorgeht. Auch der Ausbau der Windenergie kommt langsam wieder in Fahrt.

Übersichtlicher ist das beim Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme zu sehen. Nach dessen Darstellung wurden im ersten Halbjahr 2023 neue Solaranlagen mit einer Leistung von rund fünf Gigawatt ans Netz angeschlossen. Nach Informationen des Fachinformationsdienstes IWR waren es sogar 6,5 Gigawatt.

Damit ist das lange Tal des Solarausbaus, das die seinerzeitige Kahlschlag-Politik der zweiten Regierung Merkel zu verantworten hatte, endlich überwunden, und der Aufbau von Kapazitäten kommt im nie zuvor gesehenem Tempo voran. Mit 6,5 Gigawatt Solarleistung lässt sich bei den üblichen knapp 1.000 Volllaststunden der Anlagen unter hiesigen Bedingungen in etwa so viel Strom erzeugen, wie in einem großen Braunkohlekraftwerk, wenn dieses mehr oder weniger rund um die Uhr liefe.

Letzteres ist allerdings nur noch selten der Fall, wie andere Daten des Fraunhofer-Instituts zeigen. Sowohl die Erzeugung der Braun- als auch der Steinkohlekraftwerke ist seit Anfang Mai parallel zum Abschalten der letzten AKW zurückgegangen. Im Mai wurden von ihnen rund 4.500 Gigawattstunden weniger erzeugt als noch im Mai 2022 und im Juni lag ihre Produktion knapp 5.200 Gigawattstunden unter dem Vorjahreswert.

Das ist umso bemerkenswerter, als dass Union und AfD derzeit eine Kampagne fahren, wonach Deutschland auf den Import französischen Atomstroms angewiesen sei. Dem ist aber offensichtlich nicht so. Zum einen, weil die erneuerbaren Energieträger inzwischen etwas über die Hälfte des Inlandsbedarfs abdecken.

Und zum anderen, weil die Nettostromimporte, die es in der Tat im Mai und Juni gegeben hat, ohne Weiteres – wenn gewollt – aufzufangen gewesen wären, indem man die Kohlekraftwerke hätte mehr arbeiten lassen. Das ist leicht am Umfang des Stromimportsaldos abzulesen. Im Mai flossen netto gut 3.000 und im Juni 3.700 Gigawattstunden über die Grenzen ins Land. (Zur Einordnung: Das waren in etwa acht bzw. zehn Prozent des monatlichen Inlandsbedarfs.)

Wie der Vergleich mit obigen Produktionswerten der Kohlekraftwerke zeigt, hätte dieser Nettoimport ohne Weiteres auch mit den Kohlekraftwerken abgedeckt werden können. Oder mit den Gaskraftwerken, die noch weniger genutzt werden.

Deutschland braucht also nicht unbedingt französischen Atomstrom, auf den es sich ohnehin nicht verlassen kann. Sobald die nächste Hitzewelle über Frankreich hinweg rollt, werden die französischen Meiler wieder Probleme bekommen, weil es kein ausreichend kaltes Kühlwasser mehr gibt, so wie in einigen der letzten Sommer. Oder eine Kältewelle bringt die AKW-Flotte an ihre Leistungsgrenzen, weil halb Frankreich die Wohnungen mit elektrischen Heizungen wärmt.

Nun könnte man einwenden, dass der Stromimport in den letzten Wochen vor allem nachts regelmäßig hochging, wenn keine Sonne schien und kein Solarstrom eingespeist wurde. Allerdings ist auffällig, dass die Pumpspeicher, die hier aushelfen könnten, meist nicht einmal mit halber Kapazität arbeiteten. Scheinbar lohnt es sich für den Betreiber nicht, tagsüber mit Sonnenstrom so viel Wasser wie möglich hoch zu pumpen, um damit des Nachts Turbinen anzutreiben.

Unterm Strich bleibt, dass das Land eine sachliche Debatte über den offensichtlich nicht im Sinne der Energiewende arbeitenden Strommarkt und über den vermehrten Ausbau von Speicherkapazitäten aller Art bräuchte. Stimmungsmache ist da wenig hilfreich.