Warum die AfD nicht das Copyright auf rassistische Inhalte hat
Das Institut für Menschenrechte verneint in einer Studie die Verfassungstreue der AfD. Unerwähnt bleibt, dass es nicht nur historisch große Schnittmengen mit Teilen der Unionsparteien gibt
Um zu belegen, dass die Alternative für Deutschland (AfD) eine rassistische und rechtsextreme Partei ist, die nicht auf dem Boden des Grundgesetzes steht, hat das Deutsche Institut für Menschenrechte kürzlich eine Analyse veröffentlicht, die es politischen und gesellschaftlichen Akteuren ermöglichen soll, "rassistische und rechtsextreme Positionen zu erkennen".
Studienautor Hendrik Cremer warnt: "Werden rassistische und rechtsextreme Positionen sogar von Parteien vertreten, die in die Parlamente eingezogen sind, wächst die Gefahr der Normalisierung solcher Positionen". Es gehe darum, rassistischen Grundhaltungen rechtzeitig mit energischem Widerstand zu begegnen - und dafür müssten Erscheinungsformen von Rassismus und Rechtsextremismus für Betroffene und Gesellschaft aufgezeigt werden.
Die Normalisierung war schon vor der AfD da
Allerdings - und das ist das Manko an der Analyse: Sie ist geschichtsvergessen und legt den Fokus lediglich auf die AfD. Ein Vergleich mit früheren und relativ aktuellen Positionen aus den Reihen der Unionsparteien würde große inhaltliche Schnittmengen zeigen. Steht die AfD nicht auf dem Boden des Grundgesetzes, so sollte auch die Kritik an CDU/CSU lauter werden.
Der Rassismus vorangegangener Jahrhunderte basierte auf körperlichen Merkmalen. Afrikaner, Asiaten, Native Americans - kurz: Menschen, deren Hautfarbe nicht weiß war, galten als minderwertig. Selbst manche Europäer - auch die Deutschen - galten in den USA lange Zeit nicht als "richtig weiß" oder sie hatten nicht das "richtige Blut", um Bürgerrechte zu erhalten. Heute wird seltener offen biologischer Rassismus propagiert, allerdings werden Menschen aus einer bestimmten Herkunftsregion trotzdem noch häufig pauschal bestimmte Eigenschaften und Weltbilder zugeschrieben. In der Analyse heißt es: "Im Fall des antimuslimischen Rassismus wird oft neben der Religionszugehörigkeit auch auf die 'Kultur' von Menschen Bezug genommen, um sie auf dieser Grundlage mit pauschalen Zuschreibungen zu kategorisieren und abzuwerten."
Aber auch, wer Verbrechen des Naziregimes und einzelne Elemente seiner Politik verharmlose oder verherrliche, relativiere "damit die mit dem Nationalsozialismus untrennbar verbundenen rassistischen Menschheitsverbrechen und bringt damit seine eigene rassistische Positionierung zum Ausdruck."
In der Studie wird das am Beispiel von Alexander Gauland erläutert, der mit Alice Weidel die Bundestagsfraktion der AfD anführt. Gauland hatte 2017 in einer Rede gesagt, so wie etwa die Briten auf Churchill stolz seien, hätten die Deutschen das Recht, stolz zu sein auf die Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen. "Dabei bezieht sich seine positive Würdigung auf den Einsatz deutscher Soldaten für eine politische Führung von Kriegstreibern und Massenmördern einschließlich der von der deutschen Wehrmacht begangenen Kriegsverbrechen", heißt es in der Studie. Auch mit seiner Aussage, die Nazizeit sei "nur ein Vogelschiss" in 1.000 Jahren deutscher Geschichte gewesen, habe er den von Deutschen begangenen Genozid verharmlost.
Ein anderes Merkmal für rechtsextremes Gedankengut seien national-völkische Positionen. Sie widersprächen der Grundidee der freiheitlich demokratischen Grundordnung, dass alle zum Staatsvolk zählenden Menschen gleichberechtigt seien. National-völkische Positionen zielten dagegen darauf ab, dass "bestimmte Menschen auf Grundlage rassistischer und damit willkürlicher Kriterien ausgeschlossen werden".
Als Beispiel wird das Grundsatzprogramm der AfD von 2016 angeführt. Darin heißt es:
Die Ideologie des Multikulturalismus, die importierte kulturelle Strömungen auf geschichtsblinde Weise der einheimischen Kultur gleichstellt und deren Werte damit zutiefst relativiert, betrachtet die AfD als ernste Bedrohung für den sozialen Frieden und für den Fortbestand der Nation als kulturelle Einheit. Ihr gegenüber müssen der Staat und die Zivilgesellschaft die deutsche Identität als Leitkultur selbstbewusst verteidigen.
Die AfD beruft sich auf eine deutsche Leitkultur, sie sich aus der Überlieferung des Christentums speise, aus der wissenschaftlich-humanistischen Tradition und aus dem römischen Recht. Weil sie eine vermeintlich unangebrachte Gleichstellung der deutschen Leitkultur und von ihr verschiedenen Kulturen betone, heißt es in der Studie, spreche die AfD implizit von einer Abstufung der Menschen, die nicht der deutschen "einheimischen Kultur" entstammten. Damit argumentiere die Partei rassistisch.
Eine ähnliche Argumentation wie im Grundsatzprogramm von 2016 findet sich auch im aktuellen Wahlprogramm unter der Überschrift: "Deutsche Leitkultur statt 'Multikulturalismus'". Darin konstruiere die AfD "einen absoluten Anspruch auf Dominanz" der deutschen Leitkultur, was wiederum darauf hinauslaufe, andere Menschen auszugrenzen. Und mit den Schlagworten "Multikulturalismus" und "Parallelgesellschaften" rede die AfD eine gesellschaftliche Spaltung herbei.
Die Leitkultur des der jungen CDU-Generation
Die AfD steht damit allerdings nicht allein. So schrieb der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor in einem Beitrag für den Sammelband "Eine Politik für morgen. Die junge Generation fordert ihr politisches Recht", Integration heiße, sich in eine "von unserer Leitkultur geprägte Gesellschaft" einzugliedern. Es habe sich gezeigt, das jahrelang propagierte "Multikulti"-Konzept sei kein "buntes Straßenfest", sondern fördere "Parallelgesellschaften", kriminelle Familienclans und andere "dunkle Nebenstraßen".
Nicht vergessen werden sollte, dass der Gedanke einer deutschen Leitkultur schon viel früher bei den Christdemokraten aufkam: Im Jahr 2000, Angela Merkel war noch CDU-Vorsitzende in der Opposition, hatte der CDU-Bundesvorstand ein entsprechendes Eckpunktepapier verabschiedet. Damals sagte Merkel, "Multikulturalismus" und "Parallelgesellschaften" seien kein Zukunftsmodell. In der Frage der multikulturellen Gesellschaft hätten die Linken versagt. "Sie werden auch in Zukunft versagen, wenn sie die Lebenslüge von der multikulturellen Gesellschaft nicht überwinden", so Merkel.
Die CDU in Sachsen beschwor im Jahre 2005 die Nation als "Schicksalsgemeinschaft", im Jahre 2016 legte der Landesverband dann gemeinsam mit der CSU einen "Aufruf zu einer Leit- und Rahmenkultur" vor. Auch hier findet sich die Dominanz der deutschen Leitkultur. Darin heißt es: Man erwarte von Zuwanderern, dass sie sich den Vorgaben der Leitkultur anpassen: deutsche Sprache, jüdisch-christliche Werte in der Tradition der Aufklärung, Liebe zur Heimat und Patriotismus, Solidargemeinschaft der Nation.
Das Papier war seinerzeit kritisiert worden. Unter anderem warf damals der CDU-Politiker Heiner Geißler den beiden "Regionalparteien" vor, sie wollten, dass die CDU wieder weiter nach rechts rücke. "Dieser Aufruf schreibt den Leuten ja Gesinnungen vor, schreibt vor, wie sie denken sollen", sagte Geißler damals dem Deutschlandfunk Kultur. Wenn aber solch ein Gesinnungsappell ergehe, müsse man eher Angst haben. Der Aufruf schüre eher Ängste, statt auf die Sorgen der Menschen eingehen zu wollen.
Die AfD wolle ihre rassistischen und rechtsextremen Positionen durchsetzen, indem sie die Grenzen des Sagbaren verschiebe, heißt es in der Studie, und indem sie Bedrohungsszenarien kreiert und damit Ängste schürt. Verwiesen wird dabei auf Beatrix von Storch, "die einen Schusswaffeneinsatz gegen Flüchtlinge gefordert hat, womit sie Menschen, die ein Recht haben, Schutz zu suchen, zu Angreifern erklärt".
Erinnert sei an dieser Stelle nicht nur an das Vorgehen von Frontex der europäischen Grenzschutzagentur, mit Billigung der Bundesregierung. Seenotrotretter warfen Frontex im April vor, dabei zugesehen zu haben, wie 130 Menschen im Mittelmeer ertranken. Durch illegale Pushbacks liefert die Grenzschutzagentur Geflüchtete zumindest dem Tod aus.
Auch an die 1990er Jahre sei hier erinnert. Damals tat sich die CDU auch damit hervor, Bedrohungsszenarien zu erfinden. So dachte Wolfgang Schäuble laut darüber nach, die Bundeswehr an der Ostgrenze zum Einsatz zu bringen, sollte der Bundesgrenzschutz nicht des Zustroms von "illegalen" Einwanderern aus Osteuropa Herr werden.
"Scheinasylantenzustrom", "offenkundiger Asylmissbrauch", "massenhafter Missbrauch von Sozialleistungen in krimineller Weiser", "volles Verständnis für den Unmut der Menschen angesichts der Missbrauchsquote von über 90 Prozent", "entschlossene Maßnahmen gegen den Zustrom von Scheinasylanten und Wirtschaftsflüchtlingen sind nötig" - das sind Schlagworte und Forderungen von CDU-Politikern aus dem Herbst 1991, die in dem Buch "Deutsche Demokraten" dokumentiert sind.
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