Warum ein Arktis-Ort im Schlamm versinkt

Tuktoyaktuk. Archivbild (2013): Adam Jones / CC BY-SA 2.0

Klimawandel: Bundespräsident Steinmeier rückt geopolitisch wichtige Region in den Blickpunkt. Was dies mit Illusionen und liebgewonnenen Gewohnheiten in Deutschland zu tun hat.

Obwohl der Klimawandel wegen Dürre und Wassermangel auch hierzulande nicht mehr zu übersehen ist, äußern noch viele die träumerische Ansicht, dass es sich dabei nur um wissenschaftliche Modellrechnungen handele, die rein hypothetisch sein könnten.

Wenn man sich bei den Temperaturen immer nur auf Durchschnittswerte konzentriert, die nur marginal zu steigen scheinen, übersieht man dabei gerne die Ausschläge, die zu bestimmten Zeiten oder an ausgewählten Orten auftreten.

So ist es die arktische Region, die sich auf der Erde am schnellsten erwärmt.

Man spricht von einer viermal schnelleren Erwärmung, als diese sich in den vergangenen 40 Jahren im globalen Durchschnitt zeigte. Und das hat Konsequenzen, die in Deutschland, wo man gerne am überkommenen Lebensstil festhalten mag, noch immer nicht ausreichend berücksichtigt werden.

Bundespräsident Steinmeier in der Arktis

Die Folgen der schnellen Temperaturerhöhung in der Arktis sind ein eindrückliches Beispiel für den Klimawandel, das Steinmeier und seiner 40-köpfigen Delegation am Ende ihres Kanada-Besuchs präsentiert wurde.

Begleitet wurde die deutsche Reisegruppe von Antje Boetius, der Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven, das seit Jahrzehnten Polar- und Meeresforschung betreibt.

Für Boetius, die inzwischen an fast 50 Expeditionen auf internationalen Forschungsschiffen teilgenommen hat, ist die Reise mit der deutschen Delegation in die Arktis gewissermaßen ein Heimspiel. Es gibt in der deutschen Wissenschaft nur wenige, die die Entwicklung der Arktis in den letzten Jahren aus eigener Erfahrung wissenschaftlich fundiert beschreiben können.

Für den Permafrostboden bedeutet die Entwicklung der letzten Jahre, dass das, was über Generationen ein verlässlicher harter Baugrund war, auf dem man seine Häuser und Straßen errichten konnte, sich unvermittelt in Schlammmassen verwandelt.

Für die 150 Häuser und die 965 Einwohner von Tuktoyaktuk, die vom tauenden Permafrostboden und der abbrechenden Küstenlinie bedroht sind, sieht die Zukunft ziemlich traurig aus. Ihre geerbte Lebensweise und Kultur werden vom Klimawandel bedroht.

Geopolitik schaltet den Arktischen Rat aus

Der Arktische Rat, der 1996 mit der Ottawa Deklaration ins Leben gerufen wurde, diente zum Interessenausgleich zwischen den arktischen Anrainerstaaten und den in der Region lebenden indigenen Völkern. Neben den Anrainerstaaten beteiligten sich mit Beobachterstatus unter anderem auch Deutschland und die Volksrepublik China.

Was ursprünglich auf Konsens ausgelegt war, geriet jedoch mit der Rede des damaligen US-Außenministers Mike Pompeo bei der Ministertagung des Arktischen Rates am 7. Mai 2019 im finnischen Rovaniemi in stürmisches Fahrwasser. In der Folge gab es auch keine Abschluss-Deklaration, denn die damalige US-Regierung wollte mit ihrem Einfluss verhindern, dass das Thema "Klimawandel" in einem offiziellen Papier des Arktischen Rates auftauchte.

Pompeo wollte zudem für die Arktis Vorrechte für die USA und griff sowohl Russland als auch China massiv an. Kurz darauf verkündete Donald Trump, dass die USA mehr Anteile an der Arktis anstrebten und dass er Grönland den Dänen abkaufen wolle.

Inzwischen ist der Arktische Rat unbefristet stillgelegt. Nachdem China den Eisbrecher Xuelong 2 – entwickelt aus dem von der Ukraine erworbenen Eisbrecher Xuelong – in Dienst gestellt hatte und eine Forschungsstation auf Spitzbergen errichtet hat, kann man durchaus davon ausgehen, dass Russland und China auch im Polarkreis jetzt stärker zusammenrücken. Die wirtschaftlichen Potenziale Chinas und die geografischen Gegebenheiten sind klare Verbündete.

Wenn man Rasen nicht mehr sprengen darf und Gartenteiche gefährlich werden

Was der Arktis-Delegation des Bundespräsidenten fern der Heimat anschaulich erläutert wurde, wird sich unabhängig von allen Klimamodellen auch hierzulande schon in unmittelbarer Zukunft nicht mehr verdrängen lassen: Der Klimawandel ist da und bedroht in absehbarer Zeit auch liebgewonnene Gewohnheiten in Deutschland.

Als Erstes wird es mit dem grünen Rasen zu Ende gehen. Grüner Rasen muss im Sommer meist bewässert werden. Sowohl die Nutzung von Leitungswasser zur Bewässerung wird immer häufiger ebenso verboten wie die Wasserentnahme aus Fließgewässern. Öffentliche Brunnen fallen immer häufiger trocken, weil die Quellen versiegen, aus denen die Brunnen bisher gespeist wurden.

In Agglomerationen wie Frankfurt konkurriert die Trinkwassergewinnung mit der landwirtschaftlichen Nutzung weitab des Ballungsraums. Die Bankenmetropole kann ihre Trinkwasserversorgung nur noch sichern, indem man Wasser vom Vogelsberg bezieht.

Dort wird das Wasser aufgrund des Klimawandels inzwischen so knapp, dass zu wenig Gras wächst, um das Vieh zu füttern.

Die Zukunft idyllischer Gartenteiche erscheint ebenfalls fraglich, weil sie sich zu Brutstätten tropischer Mücken entwickeln und damit die Gefahr besteht, dass diese zu Überträgern tropischer Krankheiten werden. Das Risiko, dass deutsche Reiseweltmeister nicht nur multiresistente Keime als Souvenir mitbringen, sondern auch Dengue und Malaria, besteht. Gegen beide gibt es keine wirksamen Impfungen.