Warum können Autofahrer eigentlich nicht rechnen?
Wie geht's zum Lago Maggiore? Manchmal wäre ein wenig mehr Kostenehrlichkeit wirklich wünschenswert. Ein Kommentar.
Kürzlich wurde an dieser Stelle ein gewisses Verständnis für Gewalt deutscher Autofahrer gegen Schweizer Klimaschützer geäußert. Die Menschen würden doch durch die Schweiz mit ihren Familien im Auto zum Lago Maggiore fahren müssen, weil sie sich einen Flug nicht leisten könnten.
Nun weiß ich nicht, ob es tatsächlich Menschen gibt, die von Frankfurt oder auch Köln, Berlin oder Dortmund an den Lago Maggiore fliegen. Aber es gibt ja auch ehemalige Blackrock-Manager, die im Privatjet zu Hochzeitsfeiern nach Sylt fliegen. Also wird es sicherlich auch solche Menschen geben.
Für alle Familien, deren Haushaltskasse unter anderem aufgrund des Unterhalts und der Anschaffung eines Pkws leer ist, würde es sich hingegen empfehlen, die Bahn zu nehmen. Wenn man frühzeitig bucht, kommt man mit dieser nämlich in etwas weniger als sechs Stunden für knapp 40 Euro pro Person (Kinder bis 13 Jahren die Hälfte) von Frankfurt an den Lago Maggiore. (Auch aus Bremen oder Berlin wäre die Fahrt übrigens nicht teurer, nur etwas länger.)
Im Auto dauert die Fahrt – ohne den üblichen Stau – sieben Stunden und zehn Minuten. Bei einem Verbrauch von acht Litern auf 100 Kilometer muss man für die 637 Kilometer lange Strecke knapp 51 Liter Kraftstoff tanken.
Ist dieser Diesel, so kostet die Fahrt beim aktuellen Frankfurter Preis 85 Euro, und sollte E10 getankt werden, wären es 94 Euro, wobei die Frage ist, ob ein vollbeladenere PKW in den Bergen tatsächlich mit acht Litern pro 100 Kilometern auskommen kann. Die Rückfahrt wäre außerdem vermutlich noch etwas teurer, denn nicht überall ist es so unverschämt günstig wie in Deutschland, die Umwelt und die Zukunft künftiger Generationen zu ruinieren.
Eine dreiköpfige Familie würde also für die einfache Fahrt mit der Bahn von Frankfurt aus maximal 20 Euro mehr ausgeben, kommt sie weiter aus dem Norden, wäre die Bahn sogar eindeutig günstiger. Zugleich hätte sie nicht nur dem Klima einen Gefallen getan, sondern auch den Schweizer Anwohnern, durch deren Täler die Autobahn führt und die wie die Menschen an anderen Alpentransitrouten, vor allem auch in Österreich unter Lärm und Schadstoffemissionen des Straßenverkehrs erheblich leiden.
Die Schweiz versucht aus diesen Gründen schon seit vielen Jahrzehnten, den Transitverkehr auf die Schiene zu bekommen, findet dabei allerdings wenig Unterstützung bei der EU, in der ihre großen Nachbarn Mitglied sind. Eher werden ihr Steine in den Weg gelegt, wie etwa von den Deutschen, die es seit Jahrzehnten verschleppen, die Rheinschiene der Bahn auszubauen.
Auch diese ist übrigens aufgrund der Lärmemissionen für die Anwohner äußerst unangenehm, was allerdings auch damit zu tun hat, dass die Bahn es nicht für nötig hält, in den Lärmschutz zu investieren oder weniger lärmintensive Ausbauvarianten in Betracht zu ziehen.
Aber natürlich ist das alles keinesfalls Gewalt gegen die Anwohner, die womöglich gar aufgrund von Lärm und Feinstaubemissionen einen Herzinfarkt bekommen. Gewalt ist es hingegen, dagegen zu protestieren.
Im Text wurde eine Zahl korrigiert: Es muss 51 Liter heißen und nicht "knapp 80 Liter", wie es zuvor fälschlicherweise hieß. Die nachfolgenden Berechnungen wurden ebenfalls verbessert. Die Redaktion bedauert den Irrtum.