Warum manche Unternehmen eine DVH verdient hätten
Solange es um Beträge von wenigen Euro geht, bestehen kaum Wege für Konsumenten, sich effektiv zu wehren
Das Geschäftsmodell von Momox (der Firma hinter Medimops) ist schnell erklärt: Antiquarische Bücher werden en gros von Privatkunden angekauft (oft zum Preis von je 15 Cent), die sich damit den Einzelverkauf über z.B. Amazon oder booklooker ersparen. Der Privatkunde verzichtet dabei zwar auf einen Großteil der möglichen Einnahmen, hat aber sofort Platz im Regal, sofort Geld auf dem Konto und keinen weiteren Arbeitsaufwand.
Umgekehrt verkauft Momox die Bücher über die eigene Website (und natürlich auch über Amazon Marketplace) und ist dabei oft der billigste Anbieter für ein gegebenes Buch. Auch ökologisch ergibt das Ganze Sinn: Wer als Privatkunde bereit ist, Bücher für einen Bruchteil des antiquarischen Wertes abzugeben, hätte sie - ohne diese Möglichkeit - möglicherweise gleich im Altpapier entsorgt. Anders als viele Anbieter aus dem englischsprachigen Ausland verkauft Momox keine Bibliotheksbücher - es sind also weder Signaturetiketten auf- noch Leihscheintaschen eingeklebt.
Ein funktionierendes Geschäftsmodell, dazu ökologisch und für den Endkunden preisgünstig - das klingt alles nach einem Unternehmen, das sich jedenfalls in seiner Nische nachhaltig etablieren müsste. Gäbe es da nicht einen Haken.
Transportrisiko
Kurz vor Weihnachten bestellte ich drei Bücher, bald nach Weihnachten kam die scheinbar unbeschädigte Sendung an. Kaum war der Paketbote außer Haus, stellte ich fest, dass eine Seitenlasche aufgebrochen war und nur zwei der drei Bücher den ungesicherten Transport überstanden hatten; das dritte war irgendwo unterwegs verschwunden. Also mailte ich an Momox und forderte die Nachlieferung des fehlenden dritten Buchs (Kaufpreis: EUR 15,26).
Frau H. von Momox erklärte mir, ich müsse mich binnen 7 Tagen mit dem Transportunternehmen DHL direkt in Verbindung setzen, "um eine Schadensmeldung aufzugeben, da nur unser Versanddienstleister diese Reklamation prüfen kann. Bitte gehen Sie mit der defekten Verpackung und den Informationen welche Artikel fehlen oder beschädigt wurden direkt zu einer Postfiliale und reklamieren Sie dort die Zustellung."
In meiner Antwort wies ich darauf hin, dass mich dieser Ausflug mindestens eine Stunde kosten würde (die zusätzlichen Verzögerungen durch Retouren nach Weihnachten und das Abholen von Paketen, die aufgrund der Weihnachtsabwesenheit in der Filiale gelandet waren, gar nicht gerechnet) und dass die rechtliche Situation insoweit klar ist, da Momox ein Händler, ich ein Verbraucher sei, womit das Transportrisiko allein bei Momox liege (die rechtliche Situation ist sehr schön hier zusammengefasst). Ich bot Momox an, zwischen Erstattung der EUR 15,26, Nachlieferung des Buchs oder Widerruf zu wählen (ich hätte sogar die beschädigte Verpackung beigelegt, auf dass sich Momox selbst mit DHL herumstreiten kann).
Antwort Frau H.: "Leider kann ich keinen Ihrer Vorschläge aus folgendem Grund annehmen. Auf dem Weg zu Ihnen ist das Paket von DHL nicht beschädigt oder nach verpackt worden. Daher müssen Sie als Empfänger die Schadensmeldung aufgeben." Den Satz mit dem "von DHL nicht beschädigt" habe ich nicht verstanden. Wie auch immer: Ich verwies ein letztes Mal auf den geschlossenen Kaufvertrag, aus dem ich Ansprüche habe und aus dem sich gewiss nicht die Nebenpflicht ableiten lasse, unentgeltlich für Momox gegenüber DHL aufzutreten; hilfsweise widerrief ich den Vertrag.
Antwort Frau H.: "Das ist mir auf Grund des fehlenden Buches nicht möglich. Das Buch ist auf dem Weg zu Ihnen verloren gegangen und somit haftet DHL für den Schaden."
Einzelkämpferin oder systematische Verweigerung?
Handelt es sich bei Frau H. um eine uninformierte Service-Mitarbeiterin oder verweigert Momox als Firma systematisch vertragliche Ansprüche und gesetzliche Gestaltungsrechte? Auf eine erste Anfrage kam von der Pressestelle folgende Antwort:
Wenn auf dem Versandweg eine Sendung im Einzelfall beschädigt wurde und Artikel zu Schaden gekommen oder wie in Ihrem Fall fehlen, ist DHL als Versanddienstleister für die Abwicklung des Schadenersatzes zuständig. Daher muss zunächst DHL Kenntnis von Ihrem Fall erhalten. DHL gibt vor, dass die Schadensmeldung innerhalb von 7 Werktagen erfolgen muss. Erst wenn momox als Absender die Schadensbestätigung von der DHL erhält, kann eine Erstattung erfolgen.
Erst nach einer zweiten Mail an die Pressestelle, in der ich noch einmal ausdrücklich darauf hinwies, dass ich in keinerlei Verhältnis zu DHL stehe, hingegen aber vertragliche Ansprüche gegen Momox habe und zudem überhaupt nicht nachvollziehen kann, weswegen der Widerruf verweigert wird (nach § 355 Abs. 3 BGB sind die empfangenen [!] Leistungen unverzüglich zurückzugewähren; ich habe zwei Bücher, nicht drei, empfangen) wurde mir die Rückerstattung des Kaufpreises zugesagt.
Auf die naheliegende weitere Nachfrage, ob das jetzt sozusagen Presserabatt war oder ob sich Momox künftig generell an die Spielregeln halten wolle, kam folgende Antwort: "Außerdem wurde mir mitgeteilt, dass der Kundenservice das Prozedere bei Paketverlust bzw. -beschädigung noch einmal überprüfen wird". Bei so klarer Rechtslage ist es eine durchaus problematische Aussage, wenn ein Unternehmen wie Momox - das für 2018 einen Umsatz von 200 Millionen EUR erwartet - vertragliche Ansprüche nicht einfach erfüllt, sondern das eigene problematische Prozedere erst "noch einmal überprüfen" will.
"Deutsche Verbraucher-Hilfe (DVH)"
Man wünschte sich die Existenz einer DVH e.V., der man solchen Mailverkehr weiterleiten könnte, auf dass bestimmte Unternehmen nachhaltig an die Grundsätze des Privatrechts erinnert würden. Für 15 EUR wird niemand Klage führen, und ohne eine solche imaginierte "Deutsche Verbraucherhilfe" bleibt nur, für entsprechende Publicity zu sorgen, die möglicherweise eine ähnliche Erinnerungsfunktion ausüben kann.
Payback Pay
Eine entsprechende Publicity verdient (und eine "Deutsche Verbraucherhilfe" hätte verdient) auch Payback Pay. Payback Pay ist die Bezahl-App des Bonuspunktsystems Payback: Man installiert eine App, tippt seine IBAN ein und kann dann bei bestimmten (wenigen) Payback-Partnern zahlen, indem an der Kasse ein QR-Code vom Handy gescannt wird, der nach Eingabe einer PIN angezeigt wird.
Klingt nach einem ziemlich sinnlosen Zahlungsmittel, und ist tatsächlich noch dazu ein ziemlich ärgerliches, wie bereits Hanno Bender, der Betreiber des stets hochinteressanten Bargeldlos-Blogs, erfahren musste. Im Vergleich mit jeder beliebigen Kreditkarte schneidet Payback Pay schon auf den ersten Blick miserabel ab (mit der Kreditkarte kann man überall zahlen, mit Payback Pay fast nirgendwo; bei Payback Pay ist immerzu die PIN notwenig, mit der Kreditkarte zahlt man niedrige Beträge versichert kontaktlos; langes Zahlungsziel der Kreditkarte); nach der neuesten Erfahrung weiß ich, dass Payback Pay noch viel problematischer ist: Payback Pay besteht darauf, jede Zahlung jederzeit verweigern zu können, sodass dieses Zahlungsmittel also nicht einmal bei den wenigen Teilnehmern, wo es überhaupt theoretisch funktionieren würde, die Kreditkarte ersetzen kann. Man fragt sich, warum überhaupt jemand Payback Pay einsetzen will. Die Antwort: Incentives.
Die Tücken von Payback Pay
Direkt nach Weihnachten warb man groß mit "10fach Punkte für die nächste Zahlung mit Payback Pay", zusätzlich zu den ohnehin noch geltenden "3fach Punkten" für jede Zahlung mit Payback Pay - und das ohne weitere Einschränkungen für weitere Coupons. Da sich Payback-Punkte eins-zu-eins als Eurocent auszahlen lassen, bedeutet das also rund 12% Rabatt zusätzlich zu weiteren Coupons bei dm: Einen günstigeren Deal wird man so bald nicht finden. Also kauften wir für mehr als 300 EUR bei dm ein. Zahlung mit Payback Pay - die aber nicht klappte.
Hätten wir die armen dm-Mitarbeiterinnen alles wieder einräumen lassen sollen? Natürlich nicht. Also anderweitig bezahlt und danach bei Payback Pay angerufen. Dort wurde uns recht barsch mitgeteilt, dass in den AGB von Payback Pay stehe, dass jede Zahlung mit Payback Pay jederzeit verweigert werden könne und 300 EUR zu hoch sei, "wir sollen doch die AGBs lesen".
Mein Hinweis, dass Zahlungen von 300 EUR im normalen Geschäftsverkehr durchaus vorkommen; dass es jedenfalls ein Verstoß gegen Treu und Glauben vorliege, solch eine Zahlung nicht durchzuführen, wenn zugleich mit dem Äquivalent von ca. 12% Rabatt geworben werbe (es sei doch klar, dass gerade umsatzabhängige Incentivierung zu hohen Umsätzen führe); dass es sich jedenfalls um irreführende Werbung handele, einen solchen Rabatt zu verheißen, diese aber letztlich nach nicht offengelegten, vom Konsumenten daher nicht nachvollziehbaren und nach AGB jederzeit modifizierbaren Kriterien zu gewähren oder auch nicht zu gewähren, wurde ungefähr wie folgt brüsk abgebügelt: "Die Punkte bekommen Sie, wenn Sie mit Payback Pay zahlen. Sie haben aber nicht mit Payback Pay bezahlt, weil die Zahlung verweigert wurde, was nach AGB jederzeit geschehen kann".
Zu hoher Betrag?
Das Argument, der Betrag sei zu hoch, ist überraschend: Letztlich erfolgte die Zahlung nämlich mit einem anderen Payback-Zahlungsmittel (nämlich der Payback-AMEX). Wird daher Payback (dessen Geschäftsmodell doch gerade in Big Data und Datenauswertung besteht) wirklich argumentieren wollen, dass die Payback-Pay-Zahlung wegen nicht nachprüfbarer Bonität verweigert wurde? Könnte ein unbedarfter Beobachter nicht eher annehmen, dass die 10fach-plus-3fach-Punkte bei einer Zahlung von 300 EUR mehr waren, als man für die Marketing-Aktion ausgeben wollte, und daher die Zahlung verweigert (und die Punkte eingespart) wurden?
Wo beginnt der unlautere Wettbewerb?
Man kann also mit einer Verheißung von 10fach plus 3fach Punkten die Konsumenten in Geschäfte locken, die Payback Pay unterstützen, jede Zahlung jederzeit ablehnen, ja, man muss nicht einmal ein Limit kommunizieren. Ohne die letztlich nicht erfüllte Verheißung der Payback-Pay-Punkte wäre dieser Umsatz nicht bei dm gelandet, sondern bei Rossmann (wo die App 10% als Sofortrabatt gibt und regelmäßig bei Drittanbietern Gutscheine mit rund 10% Rabatt erhältlich sind - beides lässt sich kombinieren).
Und Payback Pay erweist sich als noch sinnloser (und ärgerlicher) als gedacht: Nicht einmal bei den ohnehin wenigen Annahmestellen ist die Durchführung einer Zahlung gesichert, und der einzige Vorteil, den ich bei Payback Pay erkennen kann - nämlich die möglichen Sonderpunkte bei Aktionen - steht unter dem Vorbehalt, dass jede Zahlung jederzeit abgelehnt werden kann. Die Stellungnahme von Payback zu dieser Angelegenheit war, dass man auf "die Sicherheit der Kunden" großen Wert lege und dass das verfügbare Limit "sukzessive über die Zeit" ansteige. Doch dieses Limit bleibt geheim, und damit Payback Pay unberechenbar.
Dass man dank Payback Pay die Rabattkarte nicht mehr separat mitschleppen muss, ist übrigens nur Illusion: Da man sich in keiner Situation darauf verlassen kann, dass Payback Pay Zahlungen tatsächlich durchführt, braucht man ohnehin ein separates Zahlungsmittel: Warum nicht die kostenlose American Express von Payback, die (anders als Payback Pay) in sehr, sehr vielen Läden - offline wie online - funktioniert, bei der man online den Verfügungsrahmen prüfen kann und die zudem ohnehin die Payback-Karte integriert hat?
Mir bleibt völlig schleierhaft, weswegen die American-Express-Tochter Payback ihr eigenes hervorragendes Zahlungsmittel American Express kannibalisiert und Kunden durch Inaussichtstellung von Incentives zu Payback Pay verleitet, einem Zahlungsmittel ohne erkennbare Vorteile, das im Gegenteil nur zu Ärger und Frustration führt.
Bedenklich scheint mir, dass weiterhin groß mit Payback-Pay-Coupons geworben wird, ohne in den Coupon-Bedingungen deutlich darauf hinzuweisen, dass Zahlungen jederzeit abgelehnt werden können, was sogar schon bei relativ niedrigen Beträgen passieren kann. Denn das Ergebnis ist nicht nur für den Konsumenten, der sich verschaukelt fühlt, frustrierend, sondern auch unfair gegenüber der Konkurrenz, die ansonsten die entsprechenden Umsätze gemacht hätte.
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