Was die Krise des deutschen Fußballs über den Zustand unserer Gesellschaft verrät

Seite 2: Europameister wird man nicht im Homeoffice

Auch diese ganze Frage der Nachwuchsförderung im Fußball hat eine weitere Dimension, die an Tiefenschichten der Mentalität der Deutschen rührt. Denn auch Europameister wird man nicht im Homeoffice und mit einer 4-Tage-Woche.

Es fehlt in der Bundesrepublik das Mindset, dass "wir", die Deutschen, "es besser können". Stattdessen wird in der Sport-Jungendausbildung eine neue Struktur eingeführt, in der Gewinnen und Verlieren abgeschafft werden, weil man den Kindern ersparen möchte, zu realisieren, dass sie vielleicht nicht die Ersten sind, sondern Letzte.

Aber es kann nicht darum gehen, Kinder vor einem Leistungsgedanken zu schützen, den man dann von ihnen als Erwachsene einfordert.

Insofern ist auch diese Diskussion um die Bundesjugendspiele ein Symbol für den Verzicht auf Leistung und Leistungsmessung.

Natürlich spiegelt dieser Verzicht nur den Stress und immer höheren Leistungsdruck auf der anderen Seite. Aber der Schritt zu einer Mentalität der Leistungsverweigerung und der Sicherheitsdominanz ist kein Ausweg.

Die Beharrungskräfte und der Strukturkonservatismus sind nicht nur im Sport sehr groß. Heute ist Deutschland ein Land voller einsturzgefährdeter Brücken und kaputter Bahnstrecken.

Ein Land, das unfähig ist, neue Flughäfen oder Bahnhöfe zu bauen, die auch funktionstüchtig sind. Ein Land, das keine S-Bahn-Stammstrecke in München in weniger als 20 Jahren fertig bekommt, während des Vorbild vor 50 Jahren in sechs Jahren fertiggestellt wurde.

Ein Land, in dem Brandschutz-, Umwelt- und Bauverordnungen lähmen, statt zu befördern, in dem übertriebene Sicherheitsvorstellungen aus dem unwahrscheinlichsten Fall noch den Elefanten eines Projektesverhinderers machen.

Der deutsche Fußball passt dazu perfekt.

Wer wird Bundestrainer?

Selbstverständlich geht es letztendlich bei allem um Optimierung. Um den Wettbewerb mit anderen Nationen. Darum, irgendwann Weltmeister zu werden.

Wenn Antonio Rüdiger nach der letzten WM sagt, uns Deutschen fehle die Gier, wir machten nicht mehr diese schmutzigen Dinge, die die anderen machen, dann spricht der gesellschaftliche Aufsteiger und Straßenfußballer. Der, der auf Risiko geht, nicht Sicherheit.

Und wer wird jetzt Bundestrainer? Nagelsmann wäre eine Katastrophe. Klopp will nicht, Rudi Völler auch nicht. Es bleiben also nur Matthias Sammer oder Louis van Gaal.