Was heißt sozial-ökologische Konversion?
- Was heißt sozial-ökologische Konversion?
- CO2-Emissionen: Nur ein Teilaspekt
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Wie sich Bewegungen für Umwelt- und Klimaschutz der Friedensfrage annähern können
Im Kontext des immer dringlicher werdenden Klimaschutzes wird zunehmend mit Schlüsselbegriffen hantiert, die durch einen inflationären Gebrauch zu unverbindlichen Floskeln verkommen. Beispiele dafür sind solche wie Nachhaltigkeit und Klimaneutralität. Gleichfalls gilt dieses für eine sozial-ökologische Wende oder Transformation.
Umso mehr gilt dieses für die Nummer zwei der sieben Oberthemen in den Sondierungen für eine Ampelkoalition: "Klimaschutz in einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft". Keine Rede ist mehr davon, dass dringende Veränderungen für den Klimaschutz notwendig sind.
Mit dem hier gewählten Begriff der sozial-ökologischen Konversion wird auch auf außenpolitische Konsequenzen verwiesen, also auf das, was bei den genannten Sondierungsüberschriften als "Deutschlands Verantwortung für Europa und die Welt" bezeichnet wird.
Die letzte Bundestagswahl hat gezeigt, dass selbst das Thema Klimaschutz nur einen begrenzten Stellenwert hat. Dabei war eigentlich vorhersehbar, dass die Grünen nur in der allgemeinen Wahrnehmung für Klimaschutz stehen. Spätestens mit dem Sondierungspapier für eine Ampelkoalition sind jedoch alle Illusionen verflogen, was klimapolitisch von deren Seite zu erwarten ist.
Noch erheblich schwieriger ist es, die Relevanz der Rüstungsausgaben sowie die Rolle der Nato und der Bundeswehr-Auslandseinsätze öffentlich sichtbar zu machen. Dieses war bereits in der Vergangenheit nicht einfach. So wurde zwar der Bundeswehreinsatz in Afghanistan über lange Jahre bei entsprechenden Umfragen von mehr als 70 Prozent der Befragten abgelehnt, jedoch eher mit Desinteresse begleitet.
Für die Friedensbewegung stellt sich deshalb die Frage nach der Anschlussfähigkeit zu anderen gesellschaftlichen Bewegungen sowie den aktuellen sozialen und ökologischen Fragen. Ein Hauptproblem ist dabei die Einengung auf die CO₂-Emissionen bei der Klimaschutzbewegung, was bei vielen Friedensbewegten zu dem Trugschluss führt, man müsse die CO₂-Emissionen des Militärs in den Vordergrund stellen.
Klimaschutz ist aber nur ein Teil der gesamthaften ökologischen Krise, die derzeit mit einem dramatischen Verlust von Biodiversität, langfristig wirkenden Schadstoffeinträgen in die Umwelt und der Vermüllung der Weltmeere immer dramatischer hervortritt. Es geht vor allem um den Zusammenhang von Globalisierung, Krieg und Kriegsdrohungen, der eine sozial-ökologische Konversion verhindert.
Konversionsebene 1: Wirtschaft mit regionalen Wertschöpfungsketten
Für die deutsche Wirtschaftspolitik gilt, dass gemäß entsprechenden Strategiepapieren nationale Schlüsseltechnologien und Schlüsselindustrien gefördert werden sollen. Bei diesen hat die Rüstungsindustrie einen wesentlichen Anteil, wenngleich diese volkswirtschaftlich eher nachrangige Bedeutung hat.
Das gilt zumindest im Vergleich zur Automobilindustrie, die derzeit einem dramatischen Strukturwandel unterliegt. Eine Sonderstellung nimmt dabei die Luft- und Raumfahrtindustrie ein, die zwar überwiegend zivile Produkte herstellt, wo aber militärisch nutzbare Technologien maßgebend sind. Dabei erfolgt meistens eine profitable Quersubventionierung von militärischen zu zivilen Anwendungen.
Technologien, die vor allem mittelständischen Firmen zugutekommen, stehen hingegen nicht im Fokus der deutschen Wirtschaftspolitik. Nur so ist zu verstehen, dass die vor zehn Jahren bereits sehr erfolgreiche deutsche Energiewende mit enormen Arbeitsplatzwirkungen in Handwerk und mittelständischer Industrie seit 2013 drastisch ausgebremst bzw. abgewürgt wurde, auch mit entsprechenden Rückwirkungen auf Arbeitsplätze.
Der regionale Ausbau von Wind- und Solarenergie hatte zwischenzeitlich weit mehr Arbeitsplätze geschaffen, als jetzt noch im Abbau von Braunkohle und deren Verstromung zur Disposition stehen. Globalisierung heißt auch: Abhängigkeiten von Rohstoffen und Lieferketten.
Die deutsche Exportfixierung betrifft vor allem die Automobilindustrie mit den noch vorhandenen hohen Beschäftigungszahlen. Der dort anstehende Strukturwandel führt nicht nur zum drastischen Verlust von Arbeitsplätzen, sondern mit der Umstellung auf Elektromobilität auch zu neuen globalen Ressourcenkonflikten.
Eine Konversion der Rüstungsindustrie sollte deshalb in diesem übergreifenden Kontext der globalisierten Ausrichtung gesehen werden. Auch der Widerstand gegen deutsche Rüstungsexporte kann letztlich nur erfolgreich sein, wenn der mit der Rüstungsproduktion verbundene Zwang zu großen Stückzahlen an der Wurzel gekappt wird.
Konversionsebene 2: Globale Kooperation für Klimagerechtigkeit
Eine deutsche Politik für Klimagerechtigkeit müsste z.B. bedeuten, den Etat für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (zulasten der Bundeswehr) deutlich aufzustocken. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass hierunter von der deutschen Politik vor allem eine Förderung der deutschen Industrie zur Öffnung von Absatzmärkten verstanden wird.
Tatsächliche Entwicklungshilfe würde den Aufbau von regionalen Wertschöpfungsketten auch in unterentwickelten Ländern bedeuten. Im Sinne der exportorientierten deutschen Wirtschaft geht es aber eher um die Fixierung neokolonialer Abhängigkeiten.
Klimagerechtigkeit ist nur zu erreichen, wenn diejenigen weltweiten Institutionen gestärkt werden, die alle Länder beinhalten, d.h. die Uno und ihre Unterorganisationen. Dem stehen die auf Konfrontation bzw. eigene Vorteile ausgelegten Institutionen wie die Nato und die EU gegenüber.
Bundeswehreinsätze wie in Mali sind gleich in mehrfacher Hinsicht kontraproduktiv. Diese werden nach außen kommuniziert als Kampf gegen terroristische Bedrohungen. Tatsächlich aber resultieren bewaffnete Konflikte in der Sahel-Zone aus sozial-ökologischen Verwerfungen, wozu immer mehr die globale Erwärmung beiträgt. Militärische Einsätze dienen faktisch nur der neokolonialen Sicherung von Rohstoffen und verhindern einen wirtschaftlichen Aufbau.
Eine in Deutschland als solche bezeichnete sozial-ökologische Wende, die nur alte Rohstoffabhängigkeiten durch neue ersetzt, ist praktisch ein "Weiter so".
Konversionsebene 3: Deutsche Politik für die öffentliche Daseinsvorsorge
Langjährige Slogans in der Friedensbewegung wie z.B. "Spart endlich an der Rüstung" beziehen sich auf eine notwendige Umverteilung von Rüstungsausgaben zugunsten von Bildung, Gesundheitswesen und andere Sozialausgaben. Allerdings bedarf dieses einer differenzierteren Betrachtung.
Sozialausgaben sind im Bundeshaushalt Transfergelder, während Militärausgaben in die Funktionsgruppe "Allgemeine Dienste" fallen, d.h. als Ausgaben für Institutionen des Bundes mit personellen und materiellen Ressourcen.
Bei einem Gesamtumfang dieser Funktionsgruppe von ca. 104 Milliarden Euro im Haushaltsjahr 2021 entfallen davon 47 Milliarden Euro für "Verteidigung" und damit an das mit Abstand größte Dienstleistungsunternehmen des Bundes, mit einer Gesamtpersonalstärke (militärisch und zivil) von ca. 200.000, bei insgesamt rund 500.000 Bundes-Bediensteten.
Die Frage ist deshalb, welche nützlichen "Dienstleistungen" von diesem Apparat in der Vergangenheit erbracht wurden. Genannt werden können hier aber nur wiederholte Großeinsätze bei Hochwasserkatastrophen und punktuelle Einsätze bei Waldbränden wie 2018 und 2019 in Brandenburg.
Wesentlich effizienter wäre dazu aber das strukturell ausbaufähige Technische Hilfswerk (THW), das sich derzeit nur auf etwa 1.200 hauptamtliche und 80.000 ehrenamtliche Mitarbeiter stützt. Auch werden statt irrwitziger neuer Kampfjets mit Drohnenschwärmen künftig Hubschrauber benötigt, die zur Bekämpfung von Waldbränden tatsächlich geeignet sind. Das THW wurde ja ursprünglich zu Zeiten des Kalten Krieges als Ergänzung der Bundeswehr konzipiert, bevor dessen Strukturen nach 1990 in einen eigenständigen Zivilschutz überführt wurde.
Natürlich gehören dazu auch regelmäßige Übungen für Katastrophenfälle, um etwa. funktionierende Sirenen zur Alarmierung sicherzustellen. Das heißt: Notwendig ist eine Infrastruktur für reale Folgen des Klimawandels statt irrsinniger Aufwendungen für fiktive militärische Bedrohungsszenarien.
Mit solchen "Allgemeinen Diensten" im Bundeshaushalt kann die öffentliche Daseinsvorsorge direkt und kosteneffizient verbessert werden. Als Nebenwirkung wären damit auch mehr Transfergelder für permanent notwendige Sozialleistungen verfügbar.
Natürlich gehört dazu auch, den Begriff der militärischen Landesverteidigung als historisch überholt darzustellen. Während in früheren Jahrhunderten sogar mit Stadtmauern eine öffentliche Daseinsvorsorge gegen reale militärische Bedrohungen möglich war, ist heute auch eine hoch technisierte Armee gegen die Bedrohung durch Wetterextreme wirkungslos.
Nationalstaatliche Konversion bedeutet deshalb: Überführung der Bundeswehr in Strukturen zur Bekämpfung von Folgen des Klimawandels, vorwiegend gegen Wetterextreme.
Exkurs: das Pentagon und der Klimaschutz
Im Unterschied zu Deutschland beschäftigt sich das Pentagon bereits seit Langem intensiv damit, wie sich der Klimawandel auf die Einsatzfähigkeit des US-Militärs und deren Kriegsführung auswirkt, wenngleich man dem Problem eher hilflos gegenüber steht.
Im Pentagon ist man sich bewusst, dass die meisten US-Militärbasen auf der ganzen Welt sensible Standorte haben, vor allem in der Karibik und im westlichen Teil des Pazifiks. Das US-Militär wäre nicht in der Lage, mehrere Einsätze gleichzeitig zu bewältigen, wenn durch die globale Erwärmung beschleunigte Wirbelstürme, Pandemien, Dürren und Nahrungsmittelknappheit in ethnisch gespaltenen Nationen zu Konflikten und Katastrophensituationen führen.
Ende 2019 analysierte der US-Autor Michael T. Klare bereits in seinem Buch All Hell Breaking Loose - The Pentagon’s Perspektive on Climate Change, wie man sich dort intensiv mit den Konsequenzen des Klimawandels für die Einsatzfähigkeit des US-Militärs befasst, aufgrund vorhandener Erfahrungen mit Wirbelstürmen.
Bemerkenswert ist, dass dieses auch in der Amtszeit des erklärten Klimawandelleugners Donald Trump erfolgte, wenngleich eher inoffiziell. Am 21.10.2021 wurde vom Pentagon ein Konzept vorgelegt, worin es heißt:
Verschärft durch den Klimawandel beschädigen extreme Wetterereignisse zunehmend die Infrastruktur, unterbrechen die Versorgungsketten, beeinträchtigen die Einsatzbereitschaft und die Operationen der Streitkräfte und tragen zu humanitären Krisen und Instabilität auf der ganzen Welt bei.