Was ist der Bitcoin wert? Die Wertschätzung einer Geldfiktion in der realen Finanzwelt
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- Krone der Schöpfung aus dem Netz: Die Wertschätzung der Geldfiktion in der realen Finanzwelt
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Der Bitcoin und seine Karriere (Teil 3 und Schluss)
Heiße Frage als Intermezzo: Was ist ein Bitcoin eigentlich wert – wenn überhaupt etwas – und wann und warum?
Die praktische Klarstellung, worum es sich bei den Bitcoins jedenfalls nicht handelt, liefern die Peers, die sie sich mit Satoshi Nakamotos Software geschöpft haben und nun als Eigentümer über ihr Werk verfügen: Sie selbst werfen ziemlich früh die Frage auf, wie aus ihrem Produkt, dem "freien Geld", das sie sich erzeugt haben, wirkliches Geld wird, und aus einem Vehikel zur "Übertragung von Eigentum", das in der Verfügung über Bitcoin als ebendieses Vehikel besteht, ein echtes Tauschmittel, das Zugriff auf wirklichen Reichtum erlaubt.1
Ein Peer, der ziemlich auf dem relativ neuesten Stand der Wissenschaft ist, zitiert aus selbiger das Paradox: "Wie kann Geld Wert als Tauschmittel haben, wenn es darüber Wert hat, dass es als Tauschmittel dient?" Der eingangs erläuterte, bei Nakamotos Kritik des staatlichen Kreditgeldes den Gedanken leitende Funktionalismus, das Geld mit seiner nützlichen Funktion fürs Tauschen zu identifizieren, ist hier Ausgangspunkt der spannenden Frage, ob Geld wegen seiner Funktion Wert hat oder selbigen erst bekommt, weil es funktioniert.
Teil 1: Eine falsche Kritik am Geld des Staates aus der Welt der Kryptographie
Teil 2: Eine selbstgemachte Fiktion von Geld als Geldersatz
Mit dieser Erweiterung des Denkfehlers, den Tauschwert des Geldes aus der Bewertung seiner Nützlichkeit beim Tauschen abzuleiten, bringt es die Wissenschaft immerhin zur Suche nach dem Anfang des blöden Zirkels, und auch bei dessen Auflösung steht der ordinäre Instrumentalismus des bürgerlichen Verstandes Pate:
So, wie den die Tauschmitteleigenschaften des Geldes nur unter dem Gesichtspunkt interessieren, was sie hergeben für den erfolgreichen Zugriff auf die Welt der Waren, so findet auch die Wissenschaft im praktischen Umgang mit Geld die Antwort auf ihre falschen Fragen - und der gebildete Peer von oben auch das passende Zitat zur Erledigung des Paradoxons: "Geld wird nachgefragt und für nützlich erachtet wegen der schon existierenden in Geld ausgedrückten Preise."2
Damit sind zwar alle einer sachlichen Aufklärung näher führenden Fragen erfolgreich umschifft - etwa die, warum Geld als Tauschmittel funktioniert und welche Funktionen es denn sind, die sich da der Nachfrage als Geld erfreuen, oder die, was die Preise überhaupt sind, die auf Gütern kleben und in Geld ausgedrückt werden.
Aber das finden diese Diskutanten, die sich bei der Wissenschaft in Sachen Geld und so nach Erklärungen umsehen, verschmerzbar angesichts des Nutzens, der sich nach einigem weiteren Hin und Her unter ihnen aus solchen Weisheiten für die Beantwortung der sie maßgeblich interessierenden Frage ziehen lässt: Wie aus dem Bitcoin ein Tauschmittel wird, das eines ist wie das Geld, das es gibt.
Die Antwort hat sich oben schon angedeutet mit der apostrophierten Nützlichkeit des Geldes für den Zugriff auf Waren, auf denen praktischerweise schon steht, wie viel Geld für ihren Erwerb hinzulegen ist, sodass die Lösung des Rätsels, wie aus dem Bitcoin ein solches Zugriffsmittel werden könnte, nicht so schwer ist:
"Damit Bitcoins als Tauschmittel funktionieren können ... muss es ein übersetztes Wissen über die in Geld ausgedrückten Preise geben... Der wesentliche Punkt ist, dass, wenn einmal ein Tausch zwischen Geld (US-Dollar) und Bitcoins stattfinden kann, Warenproduzenten ein Mittel haben, Bitcoin als ein mögliches Tauschmittel zu bewerten."
Das Ding Bitcoin ist also kein Wert und funktioniert nicht als Tauschmittel, ist also kein Geld, weil es in gar keinem Verhältnis steht zu den Waren und deren in Preisen bezifferten Werten - so weit das per Vermisstenanzeige zu Protokoll gegebene Eingeständnis der Gemeinde, das sich mit unseren Untersuchungsergebnissen bestens verträgt. Aber das macht für sie gar nichts.
Wenn nur einmal eine Relation zwischen dem Ding und echtem Geld hergestellt ist, dann hat es immerhin einen Preis, der in letzterem ausgedrückt ist - und der lässt sich interpretieren als die Wertschätzung der Eigenschaften des Dings, die es zwar nur in der Welt des Virtuellen zum perfekten Tauschmittel machen, aber ausweislich des echten Geldes, das einer für Bitcoin hinzulegen bereit ist, auch in der wirklichen Welt offenbar etwas wert sind - eben die US-Dollar, die einer für einen BTC zahlt.
Den Peers kommt der Umstand, dass man dann, wenn der BTC ein Verhältnis zum US-Dollar hat, alle in Dollar ausgedrückten Preise in solche umrechnen kann, die sich in BTC ausdrücken lassen, wie die Initialzündung einer "Bitcoin-Ökonomie" vor.
Sie gehen einfach davon aus, dass die phantastischen Möglichkeiten, die sie in Bitcoin sehen,3 in der Form von Dollar-Preisen nur die offizielle Wertschätzung des Dings als Tauschmittel erfahren und über kurz oder lang auch Warenproduzenten sich ihrer Überzeugung anschließen werden - ein Optimismus, der dem Urheber des Unterfangens dermaßen einleuchtet, dass er aus seiner Versenkung in der Anonymität des Netzes kurz auftaucht und ihre krummen Überlegungen mit folgendem "Gedankenexperiment" vorwärtsweisend auf den Punkt bringt4:
Als Gedankenexperiment stell dir ein unedles Metall vor, so selten wie Gold, aber mit den folgenden Eigenschaften: - langweilig grau, - kein guter elektrischer Leiter, - nicht besonders stark, aber auch nicht leicht dehnbar oder formbar, - nicht nützlich für irgendwas Praktisches oder zum Verzieren, und eine spezielle, magische Eigenschaft: - es kann über einen Datenkanal transportiert werden.
Wenn das irgendwie überhaupt einen Wert [value] bekommen würde, aus welchem Grund auch immer, dann würde jeder, der Reichtum [wealth] über große Distanzen übertragen will, welches kaufen können, es übertragen, und es dem Empfänger zum Wiederverkauf überlassen. Vielleicht könnte es zirkulär einen Ausgangswert kriegen, wie ihr es vorgeschlagen habt, durch Leute, die seinen potenziellen Nutzen für den Austausch erkennen. (Ich würde definitiv was davon wollen.) Vielleicht Sammler, irgendein zufälliger Grund könnte es initiieren.
Ich denke, die traditionellen Anforderungen an Geld wurden in der Annahme geschrieben, dass es so viele seltene Objekte auf der Welt gibt, dass ein Objekt mit schon vorhandenem innerem Wert sicher vor allen ohne diesen Vorsprung landen würde. Aber wenn es gar nichts auf der Welt gäbe, das inneren Wert hat und als Geld verwendet werden kann, nur selten, aber kein intrinsischer Wert, ich glaube die Leute würden immer noch irgendetwas [als Geld] nehmen.
Er bekennt sich zur total abstrakten Natur seiner Konstruktion und definiert Geld als Tauschmittel explizit in dem oben charakterisierten verrückten Sinn, dass es nicht den Austausch von Waren vermittelt, weil es deren verselbständigter Wertausdruck ist, sondern weil es als Vehikel der Übertragung von Wert funktioniert.
Der "Reichtum", den S. Nakamoto in seinem Gedankenexperiment "über große Distanzen" übertragen möchte, besteht seiner materiellen Grundlage nach erklärtermaßen in dem Ding ohne Wert und Gebrauchswert, das sich seinen Weg durch die Kanäle im Netz bahnt, und das "Eigentum", das da übertragen wird, entsprechend im Recht der ausschließenden Verfügung über dieses Etwas, das da auf die Reise geschickt wird.
Ins Verhältnis zur wirklichen Welt des Reichtums und Eigentums tritt dieses Etwas erst in Gestalt des Preises, den einer für sein exklusives Verfügungsrecht über es in echtem Geld zu zahlen bereit ist, um es an einen Empfänger zu schicken, der es seinerseits wieder verkauft und so in echtes Geld zurückverwandelt: Das fungiert in S. Nakamotos Gedankenexperiment also de facto als Tauschmittel und verschafft dem wertlosen Ding seinen Wert.
Es steht am Anfang beim Kauf eines exklusiven Verfügungsrechts über ein elektronisches Transportvehikel einer Datenkette und erscheint am Ende bei dessen Verkauf und Rückverwandlung in Geld wieder, und das ganze "Eigentum", das auf diesem Weg übertragen wird, besteht der Sache nach in der Geldsumme des Ein- bzw. Verkaufspreises resp. in der Verfügung über diese.
Mit der und damit mit dem "Wert" des Bitcoins hat es freilich, wie dem Zitat auch zu entnehmen ist, eine eigene Bewandtnis. Letzterer ist für den Erfinder des Ganzen ja ausdrücklich ein - durch welche Umstände auch immer zustande gekommener - Ausdruck der subjektiven Wertschätzung der Leistung, die mit Bitcoin versprochen wird, nämlich die Exklusivität des Übermittlungsverhältnisses seiner selbst zu garantieren und diese Garantie zu repräsentieren.
Darin und in nichts sonst besteht in seiner Definition des Geldes dessen "potenzieller Nutzen für den Austausch", den es für Tauschwillige zu entdecken gilt. Deren private Würdigung eines für sich wertlosen Transportvehikels zwischen Absender und Empfänger verschafft dem seinen "Wert" - der mithin in nichts anderem besteht als in dem Akt der Willkür, in dem ein Peer sich dazu entschließt, für seinen exklusiven Verkehr mit einem anderen auch einen Preis zu bezahlen, der ihm die Sache wert ist.
Von ihrem Vordenker wird die Gemeinde der User derart in allen ihren Reflexionen darüber, wie aus dem Bitcoin ein echtes Tauschmittel werden könnte, ins Recht gesetzt: Ganz richtig liegen sie, wenn sie den Wert des Geldes mit der Wertschätzung seiner Tauglichkeit als ein solches Mittel identifizieren, also auch überhaupt nicht verkehrt mit ihrer Vermutung, über die Verallgemeinerung ihrer Wertschätzung des Bitcoins würde dem Artefakt der Wert von selbst zuwachsen, den Geld nun einmal hat.
Und exakt so bescheuert, wie es die Quintessenz der Peer-Debatte im Netz gebietet - "der Wert einer Währung oder des Geldes wird vom Markt entdeckt, genau so, wie er für jedes andere Gut entdeckt wird. Das geschieht immer, wenn etwas Neues erfunden oder entdeckt wird"5 - handeln sie dann auch bei der Suche nach dem Wert ihres Tauschmittels und dessen praktischer Ermittlung.