Was machen Australiens Feuer?

Methanverteilung in der Atmosphäre 2011. Bild: Giorgiogp2/CC-BY-SA-3.0

Die Energie-und Klimawochenschau: Von ignoranten Liberalen, segensreichem Regen, gefährlichem Methan und einem Aufruf zum zivilen Ungehorsam

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Die Woche hat gut angefangen, oder, sagen wir, halbwegs gut. Zwar gelang der Gestern-Partei, der Partei der Kohlefans, Rassisten und Hetzer gegen Arbeitslose sowie engagierte Jugendliche, knapp der Wiedereinzug in die Hamburger Bürgerschaft. Doch eine andere Truppe wurde zumindest verdient abgestraft, fiel hinter die Fünf-Prozent-Hürde zurück und wird nun nur noch mit einem Direktmandat im "Feierabendparlament" vertreten sein.

Die Hamburger Liberalen hatten es kürzlich geschafft, ihre ganze klimapolitische Ahnungslosigkeit und Ignoranz in einem knappen Twitter-Zitat zusammenzufassen: "Wir haben ein global warming und kein German warming. Deswegen nützt es uns nichts, wenn wir nur Deutschland emissionsfrei machen", war am 29. Januar auf dem Twitter-Account des hanseatischen FDP-Landesverbandes zu lesen.

Dass die Hamburger Wählerinnen und Wähler ihn nun vor die Tür gesetzt haben, lässt hoffen. Man könnte allerdings auch fragen, weshalb immer noch so viele Mittelständler und Manager in diesen Arbeitsverweigerern ihre adäquate politische Vertretung sehen.

Überschwemmungen und Dürre

Wie dem auch sei, das extrem windige Wetter sorgt derweil nicht nur für neue Rekorde bei der Windenergie, sondern auch für hohe Pegelstände an der Nordsee. An Schleswig-Holsteins Westküste - nur am Festland, nicht auf den Inseln - gab es am Dienstag Wasserstände knapp unterhalb oder auch eben oberhalb der Sturmflutmarke.

Die Folgen: Da das nun schon eine ganze Zeit so geht, staut sich das Wasser der Bäche und Flüsse hinter den Deichen. Ist das Meer zu hoch, kann das Land nicht entwässern und die Flüsse treten noch weit im Binnenland über die Ufer, wie der NDR über die Treene berichtet.

Das Flüsschen, einst ein wichtiger Handelsweg der Wikinger, fließt aus dem Nordosten in der Nähe von Flensburg in erst südlicher, dann westlicher Richtung zur Eider, die es kurz vor der Nordsee bei Friedrichstadt erreicht. Diese fließt wiederum südlich der Halbinsel Eiderstedt in die Nordsee, sofern das dortige Sperrwerk offen steht.

Ein langer Damm schützt nämlich die dortige Bucht nach holländischem Vorbild vor Sturmfluten. Tore lassen für gewöhnlich Schiffe und den Gezeitenfluss passieren, doch wenn die Nordsee an die Küste drückt, werden sie geschlossen.

Natürlich tragen die teils ergiebigen Niederschläge der letzten Wochen ihren Teil zu den Überschwemmungen im Hinterland bei. Allerdings werden sie dort auch dringend benötigt. Die Karten des Dürremonitors des Helmholtz Zentrums für Umweltforschung zeigen, dass sich die Dürresituation langsam verbessert.

Für den Oberboden, die oberen 25 Zentimeter, gibt es nur noch im Südosten Brandenburgs und im Osten Sachsens eine Dürre-Diagnose. Der tiefe Boden bis 1,80 Meter ist hingegen noch in weiten Teilen des Landes erschreckend trocken - doch natürlich nicht ganz im Norden an der Treene. Aber auch hier zeigt die Animation weiter unten auf der verlinkten Seite, dass sich die Situation im Laufe der letzten Wochen deutlich verbessert hat.

Australiens Feuer unter Kontrolle

Ähnlich heilsam waren auch die schweren Regenfälle, die Teile Australiens in den letzten Wochen heimgesucht haben. Einerseits löschten sie Brände oder dämpften sie zumindest, so dass sie endlich unter Kontrolle zu bringen waren, andererseits richteten sie aber auch durch Überschwemmungen neue Schäden an.

The Daily Telegraph aus Australien schreibt, dass im Bundesstaat New South Wales eine sechsmonatige Feuersaison zu Ende gehe. Am Donnerstag letzter Woche gab es dort noch 24 Brandherde, die aber alle bereits unter Kontrolle waren. Ganz vorbei sei die Gefahr aber noch nicht. Heiße Winde könnten die Feuer jederzeit wieder anfachen.

Auch das Ost-Gipsland-Feuer, das seit drei Monaten sowohl in New South Wales als auch im benachbarten Victoria brannte und bisher 320.000 Hektar (3200 Quadratkilometer, nicht ganz das Vierfache Berlins) zerstört hat, ist inzwischen eingedämmt. Das berichtet der Nachrichtensender ABC.

Das Feuer sei im November vermutlich durch Blitzschlag entstanden. Ein Katastrophenschutz-Verantwortlicher wird mit den Worten zitiert, dass die Landschaft dort so trocken wie selten zuvor gewesen sei. Insofern habe der Regen der letzten Wochen sehr geholfen und werde sicherlich auch von den Bauern der Region willkommen geheißen.

Mit dem Schlimmsten rechnen

Die Feuer hätten im ganzen Land 33 Menschen getötet und eine Fläche von der Größe Südkoreas verwüstet, bilanziert der britische Sender BBC. Die Brände seien weit schlimmer gewesen, als von den Modellen prognostiziert, wird der für die französische Regierung arbeitende Klimawissenschaftler Benjamin Sanderson zitiert.

Nur wenige Modelle können Vorhersagen über Feuerrisiken treffen, so Sanderson. Das ist aus seiner Sicht durchaus bedenklich, denn "je schneller sich der Planet erwärmt, desto wahrscheinlicher werden wir (unangenehme) Überraschungen erleben". Sanderson hat an einer Studie mitgearbeitet, die eine erste Bilanz der australischen Wald- und Grasbrände zieht. Ein Ergebnis ist, dass die Feuer einmalig in der jüngeren Menschheitsgeschichte waren.

Sandersons an der Universität von Leeds in Großbritannien arbeitender Kollege John Marsham gibt ihm unterdessen Recht - zitiert vom BBC -, dass die Klimamodelle um den Aspekt Waldbrände ergänzt werden müssen. Er mahnt zugleich an, dass "das volle Spektrum zukünftiger Szenarien" betrachtet werden müsse, "statt sich nur auf die wahrscheinlichsten zu konzentrieren".

Das hört sich einerseits vernünftig an, denn die Höhe eines neuen Deichs kann man auch nicht daran ausrichten, wie hoch Sturmfluten künftig am wahrscheinlichsten auflaufen, sondern man muss sie für den schlimmsten Fall konzipieren, der vielleicht nur alle 200 Jahre zu erwarten ist, will man die hinter ihnen lebenden Menschen und ihr Gut wirklich beschützen.

Ähnlich sollte auch mit anderen Gefahren umgegangen werden, wenn etwa die Ernährung der Weltbevölkerung durch Dürren, versauerte Ozeane oder geballt auftretende extreme Niederschläge und Winde gefährdet wird. Andererseits wird das vermutlich in einer neoliberalen Welt, die dem Götzen des freien Marktes huldigt, ein harter politischer Kampf werden.

In diesem wird es sicher nicht an Vorwürfen des Alarmismus mangeln, wenn Wissenschaftler darauf hinweisen, dass zum Beispiel der Meeresspiegel zum Ende des Jahrhunderts schlimmsten Falls auch um zwei Meter ansteigen könnte, und man vielleicht rechtzeitig überlegen sollte, welche Landstriche und Städte an der Küste aufgegeben werden müssen und wo deren Bewohner gegebenenfalls angesiedelt werden könnten.

Schlimmer als gedacht

Eins ist jedenfalls klar: Die beste Vorbeugung ist immer noch, die Ursachen der weiteren globalen Erwärmung und der Zuspitzung der Klimakrise zu vermeiden. Dazu müsste ein größerer Teil der bereits erschlossenen fossilen Brennstoffe im Boden bleiben und gar nicht erst gefördert werden.

Das umso mehr, als die Methan-Emissionen aus der Erdgas- und -ölgewinnung erheblich größer sind, als bisher gedacht. Das hat eine jüngst im Fachblatt Nature veröffentlichte Studie ergeben, über die die New York Times berichtet. Demnach hätten die Wissenschaftler herausgefunden, dass natürliche Methanquellen bisher überschätzt worden seien. Außerdem hatten im letzten Jahr andere Wissenschaftler eine Reihe von Bohrlöchern untersucht und dabei festgestellt, dass erheblich mehr Methan entweicht, als den Betreibern bewusst war.

Methan ist ein erheblich wirksameres Klimagas als Kohlendioxid (CO2). Seine atmosphärische Konzentration hat sich seit Beginn der Industrialisierung in etwa verdoppelt, obwohl es in der Luft anders als CO2 in einigen Jahren durch chemische Prozesse zerlegt wird. Insofern verschwindet der von ihm zu verantwortende zusätzliche Treibhauseffekt schon innerhalb weniger Jahrzehnte, sobald seine Quellen versiegen.

Insofern ist es ganz erfreulich, dass die norwegische Firma Equinor ihre Pläne aufgegeben hat, vor Australiens Südküste nach Öl zu bohren. Indigene Bewohner der betroffenen Region und Umweltschützer sind hoch erfreut, wie die Plattform NITV schreibt.

Die Firma, die die umweltrechtliche Genehmigung erst im Dezember 2019 erhalten hatte, gibt wirtschaftliche Gründe für den Rückzug an. Zuvor hatten in den vergangenen Jahren bereits BP und Chevron einen Rückzieher gemacht. Ein Grund könnte der hohe Aufwand für das geplante Bohren in der Tiefsee sein, aber auch der Widerstand von Umweltschützern und der örtlichen Bevölkerung hat ihren Anteil gehabt, den der britische Guardian portraitiert.

Datteln 4 blockiert

Mit dem haben auch hiesige Energiekonzerne zunehmend zu rechnen. Am Dienstag wurde, wie berichtet, im Ruhrgebiet das Kohlekraftwerk Datteln 4 besetzt, das unter rechtlich recht zweifelhaften Umständen gebaut im Sommer in den Regelbetrieb gehen soll.

Den Strom will übrigens unter anderem die Deutsche Bahn abnehmen, die sich neuerdings so gerne ein grünes Image verschaffen möchte. Es geht immerhin, wie das Wochenmagazin Die Zeit erfahren hat, um ein rundes Viertel der von dem Unternehmen in ganz Deutschland benötigten elektrischen Energie.

In Zeiten von Kohleausstieg und Pariser Klimaübereinkunft erscheint das ein wenig aus der Zeit gefallen, und viele Menschen mögen sich damit nicht mehr so einfach abfinden. Die Handvoll Besetzer jedenfalls, die sich in der Nacht von Montag auf Dienstag in Datteln an Förderbänder und ähnliches gekettet hatten, sehen ihre Aktion als zivilen Ungehorsam, als gezielte friedliche Regelüberschreitung, die nicht nur protestieren will, sondern ein Zeichen größere Entschlossenheit setzt.

Ziviler Ungehorsam einst und heute

Vergleichbare Aktionen kennt die Weltöffentlichkeit schon seit Jahrzehnten von Greenpeace oder hierzulande auch von Robin Wood, die sich Anfang der 1980er Jahre von diesen abspalteten.

Im vergangenen Jahr hatten Greenpeace-Aktivistinnen und -Aktivisten zum Beispiel den schottischen Bohrplattform-Betreiber Transocean 12 Tage lang daran gehindert, für BP neue Bohrlöcher in der Nordsee zu erschließen. Nun müssen sich die Greenpeace-Leute vor Gericht in Edinburgh verantworten, wie The Press and Journal schreibt. Das Unternehmen versuche hohe Bußgelder und auch Gefängnisstrafen durchzusetzen.

Moralische Unterstützung von prominenter Seite dürfte ihnen sicher sein. Christiana Figueres, hochrangige costaricanische Diplomatin und noch bis vor kurzem Generalsekretärin der UN-Klimarahmenkonvention, hat sich kürzlich ausdrücklich für zivilen Ungehorsam ausgesprochen.

Die Schulstreiks und Xtinction Rebellion seien ein Weckruf, dass wir einen Klimanotstand haben. Es werde viel zu wenig getan, obwohl die notwendigen Mittel vorhanden sind. Sie verglich die Klimaschutzbewegungen und ihre Aktionen zivilen Ungehorsams mit der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, dem Kampf um die indische Unabhängigkeit oder den britischen Frauenrechtlerinnen.

Alles Bewegungen, die schließlich - trotz gewalttätiger Reaktionen des Staates und der Kolonialherren - erfolgreich waren. Bleibt zu hoffen, dass auch die Klimaschützer Erfolge erzielen können, und zwar rasche. Denn jedes Jahr, das untätig verstreicht, verschlimmert sich die Klimakrise und wird die Beschränkung der globalen Erwärmung auf "deutlich unter zwei Grad Celsius" unwahrscheinlicher.