Was steckt in einem Namen?
Eine Welle des Corporate rebranding geht um; Andersen Consulting wurde zu "Accenture" und sogar das Post Office legt sich einen neuen Namen zu
In London sehen sich neuerdings die Frau und der Mann auf der Straße mit einer eher unüblichen Botschaft konfrontiert, die von riesigen Plakatwänden herabstrahlt. Der Unternehmensberatungs-Multi Andersen Consulting wird sich fortan Accenture nennen. Die eigenwillige Namensneuschöpfung steht an der Spitze eines Trends zur Neubenennung alteingesessener Unternehmen, um sie fit für die Zukunft zu machen.
Doch was steht wirklich hinter diesem Namensschildertausch? Werden uns hier bloß des Kaisers neue Kleider verkauft oder verändert sich die sogenannte Kultur eines Unternehmens tatsächlich mit der Neubenennung? Für die Philosophen der Markennamensästhetik und Werberezeption, die Theoretiker der Aufmerksamkeitsforschung und die Ökonomen der Gewichtslosigkeit ist die Sache klar. Der Name eines Unternehmens und das an diesen geknüpfte Image sind der erste und wichtigste Faktor für den Erfolg. Gelungenes Branding sei wichtiger als die Anlagen, Güter und gar die Produkte des Unternehmens, glauben sie. Solche Ansichten und Denkweisen waren in den achtziger und neunziger Jahren noch umhaucht von esoterisch-avantgardistischer Managementweisheit, die selbst in der linken Rezeption von einer gewissen Ehrfurcht gegenüber den sich wandelnden Zeichen der Zeit begleitet wurde (Baudrillard, Auh Chic! Werbung als Kunst! etc.). Doch heute ist die Notwendigkeit zum permanenten Rebranding Normalität und hat damit die Faszinationskraft weitgehend eingebüßt, als Ausgangspunkt für Spekulationen über das Wesen des Kapitalismus herzuhalten. Die Nadelstreif-Brigade hat das Thema adoptiert und schreitet forsch zur Tat.
Andersen Consulting (AC) hatte zumindest einen handfesten Grund, sich einen neuen Namen zuzulegen. Dem ehemaligen Schwesterunternehmen Arthur Andersen gefiel die namentliche Nähe nicht mehr, da es eigene Ambitionen auf dem von AC beackerten Gebiet entwickelt hatte. Ein Schiedsgericht gab Arthur Andersen recht und setzte AC eine Frist zur Umbenennung. Diese wandten sich an Landor Associates, die als die weltgrößte Namensberatung gelten. Deren Job ist es, zuerst einen einprägsamen und vielversprechenden Namen zu erfinden. Die Betonung liegt auf "er"-finden, denn die meisten natürlichsprachlichen Worte sind bereits vergeben, vor allem da es heute auch wichtig ist, dass die entsprechende Dot-Com-Adresse noch nicht vergeben ist. Dann muss der neue Name getestet werden, das heißt es ist herauszufinden, ob die entsprechende Buchstabenkombination nicht möglicherweise in irgendeiner Sprache der Welt ungute Bedeutungsebenen in sich trägt. Hierzu gibt es immer wieder gerne erzählte Anekdoten über Missgriffe bei der Namenswahl. Die Automarke "Nova" zum Beispiel kann im Spanischen als "geht nicht" gelesen werden, "Pinto" ist angeblich ein brasilianischer Slangausdruck für kleine männliche Genitalien.
Deshalb wird es wohl in Zukunft immer mehr Firmennamen geben, die entweder gar nichts oder so gut wie alles bedeuten können. "Accenture" möchte sich als Kombination von "accent" und "future" verstanden wissen, doch hoffentlich wird aus dem "accent" kein "accident". "As Accenture, we are putting a greater accent on the future as we reposition our organization to become a market maker, builder and architect of the new economy", schreibt Joe.W. Forehand, Managing Partner und CEO des Unternehmens zur Namenswahl auf der Website. Zyniker meinen allerdings, Andersen Consulting hätte es dringend nötig gehabt, das Image aufzupolieren. Das Unternehmen war an einigen disaströsen Regierungs-IT-Projekten in UK beteiligt gewesen und im Branchen-Insiderjargon habe man bereits von den "Andersen Androids" gesprochen. Der Aufwand für das Rebranding ist jedenfalls gewaltig. 100 Millionen Dollar kostet die Umwandlung von Andersen Consulting zu Accenture, einschließlich Millionen neu gedruckter Visitenkarten, Geschäftspapiere, Firmenschilder und teurer Werbekampagne, die den neuen Namen im Bewusstsein des Publikums festklopfen soll.
Dass ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das bereits als "grauer Riese" wahrgenommen zu werden drohte, sich eine neue Identität zulegt, ist nur recht, wenn auch nicht billig. Anders liegt der Fall bei den Rebranding-Aktionen von ehemaligen Staatsunternehmen, die, in die privatwirtschaftliche Zukunft entlassen, sich nun ebenfalls ein luftig lockeres Image zulegen wollen. Der Stromversorger National Power ist als "Innogy" wiederauferstanden, British Gas möchte in Zukunft als "Lattice" angesprochen werden. Das Rebranding ist hierbei wohl eher ein Synonym für Privatisierung. Die Unternehmen möchten die Vergangenheit abschütteln, in der sie als allzu hierarchische und bürokratisch langsame Organisationen gesehen wurden. Der Kundschaft soll vergessen gemacht werden, dass Strom, Gas und Wasser früher verlässlich, billiger und ganz ohne Branding ins Haus geflossen kamen. Der finanzielle Mehraufwand für die Image-Politur schlägt sich ja schließlich in der Monatsabrechnung nieder.
Letztes Opfer der Rebranding-Welle wurde nun das altehrwürdige Post Office. Seit 300 Jahren hat die Royal Mail die Post zugestellt, in besseren Zeiten sogar zweimal am Tag, morgens und abends. Da konnte man, wenn man Glück hatte, morgens einen Brief aufgeben, der nachmittags dem Empfänger zugestellt wurde, und das ganz ohne Express-Kurierdienst. Die Marken "Royal Mail" und "Post Office" werden zwar nicht ganz aufgegeben, aber zusammen mit anderen internationalen Unternehmungen der britischen Post unter dem Dach "Consignia" zusammengefasst. "Consign" heißt "versenden, verschicken, adressieren", aber in der Wendung "to be consigned to" kann die Bedeutung auch eine abfällige Wertung erhalten ("consigned to the rubbish heap", z.B.).
Wie viele angelsächsische Mangamentweisheiten ist die Rebranding-Welle nun auch am Vormarsch auf dem Kontinent. Wenn Staatsbetriebe und öffentliche Dienstleistungen umbenannt werden, warum sollte man vor politischen Ämtern halt machen? Einige radikale Vereinfachungen wären denkbar. Den Bundespräsidenten könnte man in Anlehnung an eine erfolgreiche Fernsehserie einfach den "Alten" nennen. Der Kanzler hätte sicher nichts dagegen, wenn man ihn schlicht als "Chef" bezeichnen würde, da er Deutschland doch ohnehin wie ein Unternehmen führen möchte. Der Außenminister wäre folglich zuständig für internationale Public Relations und das Verteidigungsministerium könnte als Security Consultants einer dynamischen und geschäftlich erfolgreichen Zukunft entgegensehen.