Was uns die Braunkohle-Sicherheitsbereitschaft kostet
Schrittweise Stilllegung ausgedienter Braunkohle-Kraftwerksblöcke wird teurer als angekündigt. Doch für die meisten Kraftwerksblöcke sollen die konkreten Vergütungen nicht mehr veröffentlicht werden
In der Sicherheitsbereitschaft für ausgediente Braunkohle-Kraftwerke ist es vorerst bei einem Anstieg der Gesamtkosten um 40 Millionen Euro auf 1,65 Milliarden Euro geblieben. Dass es in den nächsten Jahren keinen weiteren Kostenanstieg gibt, ist allerdings noch nicht sicher. Das geht aus aktuellen Auskünften der Bundesnetzagentur (BNA) hervor.
Sie genehmigt die Vergütungen, die von den Betreibern der Strom-Übertragungsnetze an die Betreiber der sicherheitsbereiten Kraftwerke ausgezahlt werden. Diese Vergütungen werden wiederum auf die Strom-Netzentgelte umgelegt, die in den Strompreis eingehen. Auf diese Weise bezahlen die Stromkunden die Vergütungen der Sicherheitsbereitschaft.
Die Sicherheitsbereitschaft war von Bundesregierung und Bundestag im Jahr 2015 eingeführt und gesetzlich verankert worden, um den nationalen Kohlendioxid-Ausstoß zu senken und so noch das Klimaziel für das Jahr 2020 zu erreichen.
Dabei sollten die Kraftwerksbetreiber Vattenfall (später Leag), Mibrag und RWE Power in den Jahren 2016 bis 2023 schrittweise acht besonders alte Kraftwerksblöcke zunächst vorläufig aus dem Markt nehmen und für jeweils vier Jahre als letzte Absicherung der Stromversorgung bereithalten. Danach werden sie endgültig stillgelegt.
Als das damals SPD-geführte Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Jahr 2015 die Sicherheitsbereitschaft vorgestellt hatte, nannte es dafür Gesamtkosten von 1,61 Milliarden Euro. Dass diese Summe auch noch höher ausfallen könnte, erwähnte es noch nicht.
Doch inzwischen ist das absehbar: Im Juli 2021 teilte BNA auf Anfrage mit, dass die absehbaren Kosten auf 1,65 Mrd. Euro gestiegen waren – also 40 Mio. Euro mehr als ursprünglich angekündigt.
Auslagen und andere Mehrkosten
Diese Kostensteigerung war zu einem großen Teil darauf zurückzuführen, dass BNA eine zusätzliche Auslagenerstattung für das niedersächsische Kraftwerk Buschhaus genehmigt hatte. Damit konnte der Kraftwerksbetreiber Mibrag nicht nur die erwartbaren Vergütungen von 249 Mio. Euro für entgangene Stromverkäufe beanspruchen.
Zusätzlich machte er auch noch erfolgreich eine Auslagenerstattung von 25 Mio. Euro dafür geltend, dass er dieses Kraftwerk auf die Sicherheitsbereitschaft vorbereitet hatte.
Wie die übrigen 15 Mio. Euro Mehrkosten zustande kamen, ließ sich bisher nicht näher ermitteln. Wahrscheinlich ist, dass die Gesamtkosten vom BMWI eher optimistisch geschätzt wurden. BNA hat dann die Forderungen der Anlagenbetreiber anhand der gesetzlichen Vorgaben geprüft und kam zu einem etwas höheren Ergebnis.
Einige Monate später teilte die Behörde nun wiederum auf Anfrage mit, dass sie zum jetzigen Zeitpunkt keine Veränderung der Gesamtvergütung erwartet. Wichtige Informationen dazu sind allerdings nicht verfügbar: Zwar hat BNA inzwischen die Beschlüsse zu den genehmigten Vergütungen für die sicherheitsbereiten Kraftwerksblöcke der Betreiber Leag und RWE Power veröffentlicht. Darin sind allerdings alle konkreten Vergütungszahlen geschwärzt.
Die Vergütungszahlen zum Mibrag-Kraftwerk Buschhaus, das im Oktober 2016 zuerst in die Sicherheitsbereitschaft ging, waren noch ungeschwärzt veröffentlicht worden. Unabhängige Fachleute konnten damit selbst die genehmigten Vergütungen für dieses Kraftwerk zusammenrechnen und auf mögliche Kostensteigerungen überprüfen.
Solche unabhängigen Überprüfungen sind nun für die anderen Kraftwerke nicht mehr möglich, weil dafür die konkreten Zahlen fehlen.
Die nun praktizierten Schwärzungen begründete BNA damit, dass die Anlagenbetreiber ihre Vergütungen als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse betrachten. Dieser Standpunkt wird nach Ansicht der Behörde durch die geltende Rechtslage gestützt.
Zweifel am Klimaschutz-Zweck
Bei einer Gesamtbetrachtung der Sicherheitsbereitschaft bleibt nicht nur zu beobachten, um wie viel höher die ursprünglich genannten Kosten von 1,61 Mrd. Euro letztendlich ausfallen werden. Es ist auch immer noch grundsätzlich zweifelhaft, dass der eigentlich angestrebte Klimaschutz-Zweck mit der gewählten gesetzlichen Regelung überhaupt erreichbar war.
Das ursprüngliche politische Ziel der Sicherheitsbereitschaft war eigentlich, den nationalen Kohlendioxid-Ausstoß um 12,5 Millionen Tonnen im Jahr 2020 zu senken und so noch das Klimaziel der Bundesregierung für ebendieses Jahr zu erreichen.
Dabei haben die Politiker allerdings nicht beachtet, dass es im europäischen Emissionshandel einen sogenannten Wasserbett-Effekt gibt. Er kann dazu führen, dass der CO₂-Ausstoß von stillgelegten deutschen Braunkohle-Kraftwerken nicht vermieden wird, sondern sich nur in andere Branchen und europäische Länder verlagert.
In welchem Ausmaß es bei der Sicherheitsbereitschaft zu solchen Verlagerungen gekommen ist, wurde bisher noch nicht konsequent untersucht.
Ein weiterer Zweck der Sicherheitsbereitschaft sollte sein, dass die Kraftwerksblöcke für jeweils vier Jahre als letzte Absicherung der Stromversorgung dienen können. Das Zwischenergebnis nach fünf Jahren: Bisher ist es noch nicht dazu gekommen, dass einer der sicherheitsbereiten Kraftwerksblöcke wieder in Betrieb genommen werden musste.