Weißrussland - Opposition im Duett
Nur zwei Abgeordnete des weißrussischen Repräsentantenhauses werden nach der Wahl der Opposition angehören
Mehr als zwei Abgeordnete wird es im Parlament mit 110 Sitzen nicht geben. So das Ergebnis des Wahlkomitees zu den Parlamentswahlen, die in der vergangenen Woche mit einer offiziellen Wahlbeteiligung von 74 Prozent stattgefunden haben. "Ein im Rahmen des Rechts gewähltes Parlament existiert in Belarus nicht", erklärte der Oppositionelle Mikalaj Statkewitsch und rief zu einer Protestaktion in der Minsker Innenstadt auf.
Der ehemalige Präsidentschaftskandidat, der bis August 2015 inhaftiert war, ist gar nicht erst zu den Wahlen angetreten, wie viele andere Oppositionelle auch. Bei den Protestaktionen von rund hundert Demonstranten kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei.
Seit 1994 regiert der "letzte Diktator Europas", wie sich Aleksander Lukaschenko gern selbst nennt, das Land mit eiserner Hand. Dass es seit 2004 erstmals Oppositionelle in die zweite Kammer geschafft haben, gilt darum unter Optimisten im Land als kleiner Erfolg.
Mit Hannah Kanapackaja ist eine Kandidatin der konservativen "Vereinigten Bürgerpartei" in das Parlament gekommen, zudem Alena Anisim, eine Aktivistin für die weißrussische Sprache, die in der ehemaligen Sowjetrepublik gegenüber dem Russischen ein Schattendasein fristet. Allerdings öffnet sich die ehemalige Sowjetrepublik der weißrussischen Sprache zunehmend. Sie gilt heute nicht mehr so sehr als Zeichen des Widerstands wie vor einigen Jahren.
Der Chef der "Vereinigten Bürgerpartei", Anatol Ljabedzka, glaubt, dass nicht die wirklichen Stimmen entschieden haben, sondern dass Kanapackaja vom Regime ausgewählt wurde. Die frühere Präsidentschaftskandidatin und Sozialdemokratin Tatjana Korotkewitsch, der die größten Chancen auf ein Amt prognostiziert wurde, ging jedoch leer aus. Der Rest der künftigen Abgeordneten besteht vornehmlich aus sogenannten "unabhängigen", jedoch in Wirklichkeit Lukaschenko untergebenen Personen sowie einigen Politikern von Kleinparteien, die ebenfalls keine echte Opposition darstellen.
Bei den Wahlen gab es mehrere Hinweise auf Manipulation. Nach Angaben der Bürgerinitiative "Sag die Wahrheit" hätte man etwa in einem Wahlkreis nur 30 Menschen ins Wahllokal gehen sehen, offiziell sollen dort aber über 200 abgestimmt haben. Durch die Vorwahlen waren die Ergebnisse leicht veränderbar. Auf der anderen Seite lockerte das Regime die Bedingungen, es durften erstmals Oppositionelle im Fernsehen auftreten. Allgemein hat die Opposition in Belarus keinen so guten Ruf. Sie sei nicht konstruktiv und sei zerstritten, so die oft geäußerte Vorwürfe von Passanten.
Die wahre Herausforderung des Machtapparats Lukaschenko liegt somit nicht darin, nach dem Urnengang als Sieger dazustehen, sondern sich international nicht zu isolieren. Nicht von ungefähr richtete Lukaschenko, nachdem er am Sonntag mit der blonden wie bildhübschen Wahlleiterin telegen geschäkert und in der Wahlkabine mit golden schimmernden Vorhängen sein Kreuzchen gemacht hatte, seine Avancen an den Osten und den Westen. Dass wieder Oppositionelle ins Parlament dürfen, soll als Goodwill-Akt letzteren beeindrucken.
An die USA appellierte er, die diplomatischen Beziehungen wieder auf Botschafterebene aufzunehmen. Zudem ringt Lukaschenko, der durch die brutale Behandlung der Opposition 2010 mit Sanktionen belegt wurde, seit zwei Jahren mit dem IWF um einen weiteren Kredit. Der Wirtschaft geht es schlecht, die Gewinne der Unternehmen sind in der ersten Hälfte des Jahres um ein Fünftel zurückgegangen, so die staatliche Agentur Belstat.
Doch dürfe der "östliche Bruder" nicht denken, die Beziehungen zum Westen gingen auf dessen Kosten, erklärte Lukaschenko. Der 62-Jährige sagte auch, dass Russland bereit sei, in der Verhandlung um den Gaspreis nachzugeben. Minsk ist derzeit nicht in der Lage, die Preise des russischen Konzerns Gazprom zu bezahlen und hat nach dessen Angaben 270 Millionen Dollar Schulden. Sollte Russland Minsk den Gashahn abdrehen, hätte Lukaschenko im Winter eine ernsthafte Opposition im Lande. Ansonsten wird sein Regime die Kritik der beiden Parlamentarierinnen verschmerzen können.