Wenn die Kühlung ausfällt

Die Energie- und Klimawochenschau: Klimaverhandlungen stecken in der Sackgasse, der Klimawandel könnte noch schlimmer ausfallen und in den USA wachsen die Zweifel an der Sicherheit der Atomanlagen

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Wie weiter mit dem internationalen Klimaschutz? Diese Frage stellt sich immer drängender, nicht nur weil das Auslaufen des Kyoto-Protokolls immer näher rückt, des einzigen Vertrags der völkerrechtlich verbindliche Reduktionsziele für die Treibhausgasemissionen festschreibt, sondern auch, weil der Problemdruck wächst.

Allerdings hat es nicht den Anschein, als ob sich in den Verhandlungen viel bewegen würde. Am Wochenende hatte die Bundesregierung Vertreter aus 35 Staaten zu einem informellen "Petersberger Dialog" nach Berlin geladen, doch die Ergebnisse sind mehr als dürftig. Als wesentliches Ergebnis der Gespräche wurde im Anschluss verbreitet, dass man sich auf der nächsten UN-Klimakonferenz, die Anfang Dezember im südafrikanischen Durban stattfinden wird, hoffentlich auf einen Verhandlungsplan einigen werde. Ein solcher war allerdings schon vor fast vier Jahren auf Bali verabschiedet, doch später nicht zuletzt von den USA torpediert worden.

Wo es wenig Ergebnisse gab, gibt es auch wenig zu berichten und so verbreiteten Agenturen und Leitmedien mal wieder alte Märchen. "Die USA und China, die zusammen 44 Prozent der Treibhausgase verursachen, sind an das Kyoto-Protokoll nicht gebunden", war in einem Text von dapd zu lesen, der weite Verwendung fand.

Gutwillig ausgedrückt, ist diese Aussage immerhin zur Hälfte wahr. Die USA, bis vor kurzem noch weltgrößter Emittent und in Sachen historischer Emissionen unschlagbar, haben das Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert. Damit stehen sie allerdings weitgehend allein. China hingegen ist, wie man sich mit zwei Klicks auf der Seite des Bonner Sekretariats der UN-Klimaschutzrahmenkonvention sehr schnell überzeugen kann, sehr wohl Mitglied des Protokolls.

Allerdings sind die Verpflichtungen der Mitglieder mit Bedacht unterschiedlich. Alles, was sich bis etwa zu Beginn des neuen Jahrhunderts an Treibhausgasen in der Atmosphäre angesammelt hat, geht auf das Konto der Industriestaaten. Diese Gase haben allein schon zu einem Anstieg der globalen Temperatur von knapp 0,8 Grad Celsius gegenüber dem Niveau Ende des 19. Jahrhunderts geführt, obwohl wegen der Trägheit des Klimasystems der volle Effekt immer erst mit einigen Jahrzehnten Verzögerung zu spüren ist.

Wegen dieser historischen Verantwortung der Industriestaaten, weil sie, obwohl nur eine Minderheit der Weltbevölkerung repräsentierend, noch immer für die überwiegende Mehrheit der aktuellen Emissionen verantwortlich sind und weil den Entwicklungsländern Raum zum Aufbau ihrer Wirtschaft gegeben werden muss, gibt es in den bestehenden Verträgen, der Klimaschutzrahmenkonvention und dem Kyoto-Protokoll, eine klare Vereinbarung, nach der allein die Industriestaaten zur Reduktion ihrer Emissionen verpflichtet sind.

Die globale Fieberkurve. Dargestellt ist die Abweichung der über jeweils ein Jahr und den ganzen Planeten gemittelten Lufttemperatur (zwei Meter über dem Erdboden) vom Mittelwert der Jahre 1951 bis 1980. Die grünen Balken bezeichnen die Messgenauigkeit. Bild: GISS NASA

Das hält Länder wie China, Brasilien oder Thailand nicht davon ab, Selbstverpflichtungen einzugehen, die meist auf eine zum Teil drastische Steigerung der Energie- und CO2-Effizienz ihrer Volkswirtschaften hinausläuft. Aber die Entwicklungs- und Schwellenländer wehren sich vehement, diese oder andere Regelungen in die Verträge zu übernehmen, solange die reichen Länder nicht wirklich ihren Teil der "gemeinsamen aber unterschiedlichen" Verantwortung übernehmen. Dafür gab es jedoch auch in beim jüngsten "Petersberger Dialog" in Berlin keine Anzeichen.

Wachsender Problemdruck

Dabei nimmt der Problemdruck ständig zu. Wie Abbildung eins zu entnehmen ist, sind 2010 und 2005 die wärmsten bisher gemessenen Jahre gewesen. Dabei hätte die Erwärmung auch noch schlimmer ausfallen können, wenn nicht so viel Schwefel aus Kohlekraftwerken emittiert würde. Klimawissenschaftler wissen seit langem, dass die vom Schwefel in der Luft gebildeten Aerosole, das heißt, kleine feste Teilchen ähnlich dem Staub, das Sonnenlicht reflektieren und so das Klima etwas abkühlen. Außerdem fördern sie die Bildung niedriger Wolken und tragen damit ebenfalls zur Abkühlung bei.

Bereits Mitte der 1990er Jahren haben britische Wissenschaftler gezeigt, dass sich der Verlauf deEntwicklung des globalen Klimas nur dann angemessen mit den gängigen Computermodellen rekonstruieren lässt, wenn dieser Effekt berücksichtigt wird. Im letzten IPCC-Bericht wurde er auf etwa zwei Drittel des Effekts des Kohlendioxids abgeschätzt. Das heißt die Schwefelpartikel heben zwei Drittel der durch das CO2 verursachten Erwärmung wieder auf. Allerdings sind die Unsicherheiten über das Ausmaß des Effekts relativ groß. Er könnte die Wirkung des CO2 auch gänzlich oder nur zu etwa 20 Prozent überlagern.

Jedenfalls hat nun ein Gruppe von US-Wissenschaftlern um Michael Mann und Robert Kaufmann mit aktuellen Emissionsdaten nachgerechnet und kommen zu dem Ergebnis, dass sich der Temperaturverlauf des vergangenen Jahrzehnts sehr gut rekonstruieren lässt, wenn die enormen Schwefelemissionen der chinesischen und indischen Kohlekraftwerke in Betracht gezogen werden.

In den USA war die Tatsache, dass die Temperaturen für ein paar Jahre unter dem Rekordwert von 1998 verharrt hatten, als Beweis gehandelt worden, der Klimawandel würde nicht mehr weiter gehen. Die Wissenschaftler widersprechen dieser Sichtweise mit ihren Daten explizit und verweisen außerdem auf niedrige Sonnenaktivitäten, die ebenfalls einbezogen wurden.

Bei Licht betrachtet sind das sehr beunruhigende Nachrichten, die allerdings nicht überraschend kommen. Ohne Schwefelemissionen, so die Botschaft, erfolgt die globale Erwärmung schneller und drastischer. Die Schwefel-Aerosole verbleiben jedoch nur wenige Wochen in der Atomsphäre, bevor sie vom Regen ausgewaschen werden. Der kühlende Effekt wird also nur erhalten, wenn ein ständiger Nachschub erfolgt.

Der wird jedoch mit Sicherheit abgeschnitten werden müssen, und zwar je früher desto besser. Die giftigen Abgase der Kohlekraftwerke sind nämlich in China und Indien für einen besorgniserregenden Anstieg der Atemwegserkrankungen und der damit verbundenen Todesfälle verantwortlich. Außerdem schädigt der von ihnen verursachte saure Regen ganz wie einst in Westeuropa und Nordamerika Wälder und Ernten. Entsprechend ist China schon seit einigen Jahren dabei strengere Grenzwerte durchzusetzen.

Wenn aber der Schwefel erst einmal als Kühlmittel entfällt, dann kann sich der Effekt der Treibhausgase um so besser entfalten, und dafür haben sie viel Zeit. Die meisten von ihnen werden auch noch viele Jahrhunderte in der Atmosphäre verbleiben, ehe die Ozeane und die Biosphäre so viel von ihnen aufgenommen haben werden, das wieder das vorindustrielle Niveau erreicht wird.

Atomraketen gefährdet

In den letzten Wochen hat Telepolis wiederholt über zwei AKWs im US-Bundesstaat Nebraska berichtet, die von den Fluten des über die Ufer getretenen Missouri bedrängt werden. Am AKW Fort Calhoun ist die Lage weiter bedrohlich. Seit fast einem Monat schon ist es vom Hochwasser eingeschlossen, und offensichtlich ist Wasser inzwischen in einen Teil der Gebäude eingedrungen, wie die chinesisch Nachrichtenagentur Xinhua berichtet. Auch das ebenfalls in Nebraska stehende AKW Couper Nuclear Station wird weiter vom Hochwasser gefährdet.

Aus dem Xinhua-Bericht sowie aus zahlreichen Beiträgen auf unabhängigen Webseiten wie hier geht hervor, dass in den USA inzwischen eine wilde Gerüchteküche am Brodeln ist. Beigetragen hat dazu vermutlich, dass nachprüfbare Informationen nur schwer zu bekommen sind und die Behörden, vorsichtig ausgedrückt, mit ihrer Informationspolitik in den ersten Wochen sehr zurückhaltend waren. Russische Atomexperten behaupten, dass Informationen der IAEA zeigen, die Regierung Obama habe zunächst eine Nachrichtensperre erlassen.

Zur Beruhigung der Öffentlichkeit trägt auch nicht gerade bei, dass etwas weiter nördlich in North Dakota wegen der gleichen Überschwemmungen unterirdische Silos, in denen atomare Interkontinentalrakten untergebracht sind, mit Sandsackbarrieren und Wasserpumpen geschützt werden müssen. Und schließlich erhitzten auch die rekordverdächtigen Buschfeuer in New Mexico, die bis auf wenige Kilometer an ein Lager mit radioaktiven Müll heran kamen, noch immer die Gemüter. Dort, im legendären Los Alamos, wo die ersten Atombomben entwickelt wurden, stehen, so die International Business Times aus New York, 30.000 Fässer, die unter anderem das Ultragift Plutonium enthalten, in einer einfachen oberirdischen Lagerhalle.

Vor diesem Hintergrund fragt das Blatt, wie sicher die überalterte AKW-Flotte der USA tatsächlich ist, und ob wirklich auszuschließen sei, dass für die US-Atomindustrie gleiches gelte, wie für ihr japanisches Gegenstück, wo gefälschte Sicherheitsberichte seit Jahrzehnten üblich seien. Die Verquickung der Industrie mit der Aufsichtsbehörde und deren laxer Umgang mit den "tausenden" Problemen der mehr als 100 US-amerikanischen AKW spreche nicht unbedingt dafür. Wiederholt seien Sicherheitsnormen und Grenzwerte einfach runtergeschraubt worden, wenn Lecks und Risse in den Anlagen aufgetreten seien.