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Wer zahlt für die Energiewende?

Die Energie- und Klimawochenschau: Vom Strompreis und von Klimaverträgen, Hurrikanen und den Widersprüchen des Kohleweltmarkts

Die EEG-Umlage wird wieder einmal erhöht, wie unter anderem die Wirtschaftswoche [1] schreibt. Ab 1. Januar werden private Haushalte und kleine Gewerbe künftig einen runden halben Cent mehr pro Kilowattstunde Strom zahlen müssen. Die nach dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz benannte Umlage steigt von derzeit 6,35 auf 6,88 Cent pro Kilowattstunde. Auch der Finanzminister hält noch seine Hand auf, das heißt, auf die Umlage muss noch 19 Prozent Mehrwertsteuer gezahlt werden, und zwar statt bisher 1,21 Cent pro Kilowattstunde nun 1,30 Cent.

Für einen durchschnittlichen Zwei-Personenhaushalt mit 3.200 Kilowatt Jahresverbrauch würde das - inklusive Mehrwertsteueraufschlag - knapp 20 Euro im Jahr ausmachen. Für einen durchschnittlichen Vier-Personen-Haushalt mit 4200 Kilowattstunden Jahresverbrauch wären es 26 Euro. Wie viel von diesen Erhöhungen aber tatsächlich auf den Strompreis durchschlägt, ist noch offen. Zum einen kommt eventuell noch eine Erhöhung der Netzentgelte hinzu, zum anderen sind die Börsenstrompreise weiter gesunken, so dass die Versorgungsunternehmen, die sich an der Börse mit Strom eindecken, eigentlich diese Kostenminderung an die Verbraucher durchreichen sollten. Eigentlich.

Natürlich wird jetzt das Geschrei wieder losgehen, dass die Energiewende viel zu teuer sei. Die "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" [2] hat bereits im Vorfeld der Ankündigung der Umlagenerhöhung eine kleine entsprechende Kampagne losgetreten. Mehr dazu demnächst in einem gesonderten Beitrag. Die INSM, die zuletzt auch mit einer größeren Kampagne gegen höhere Rente aufgefallen ist, wird von Gesamtmetall [3] finanziert, der Interessenvertretung der Metall- und Elektroindustrie.

Auch der Bundesverband Erneuerbare Energie hatte sich im Vorfeld zu Wort gemeldet [4]. Er weist darauf hin, dass die Summe aus EEG-Umlage und Großhandelspreis seit 2014 rückläufig ist, wie auch aus den Daten [5] des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft hervorgeht. Auch für das kommende Jahr rechnet der BEE damit, dass diese Summe weiter sinken wird. Für die Strompreise würde das heißen, dass sie trotz steigender EEG-Umlage eigentlich sinken müssten, und zwar auch, wenn der steigende Mehrwertsteueranteil eingerechnet wird. Der BEE hat zudem zwei Vorschläge auf Lager, wie der Strompreis für die Verbraucher zusätzlich gesenkt werden könnte. Zum einen schlägt er vor, die Stromsteuer zu streichen, die für Privathaushalte und Kleingewerbe etwas mehr als zwei Cent pro Kilowattstunde ausmacht. Sie könnte durch eine direkte Bepreisung des CO2-Ausstoßes ersetzt werden. Damit würden alle Bezieher von Ökostrom belohnt und der Strom vor allem aus den besonders schädlichen Braunkohlekraftwerken verteuert werden.

Außerdem schlägt der BEE vor, die Industrieprivilegien aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren. Bisher bezahlen die Kleinverbraucher (Haushalte und kleines Gewerbe) nämlich die EEG-Umlage wie auch das Netzentgelt für die Industrie mit. Im Grunde handelt es sich um eine Subventionierung, die durch die Finanzierung aus Steuergeldern verdeutlicht würde. Außerdem würden damit die Lasten gerechter verteilt. Steuern werden - von der Strom- und Mehrwertsteuer abgesehen - nach Einkommenshöhe bezahlt. Bei der EEG-Umlage und beim Netzentgelt werden die Verbraucher hingegen unabhängig von ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit zu Kasse gebeten.

Klimaschutzabkommen tritt in Kraft

Das Pariser Klimaschutzabkommen [6] wird nun mehr am 4. November in Kraft treten, nach dem auch die EU und ihre Mitgliedsstaaten die Ratifizierungsurkunden bei den Vereinten Nationen in New York hinterlegt [7] haben. Wie berichtet (Pariser Klimaabkommen kann in Kraft treten [8], hatten zuvor die nationalen Volksvertretungen und das EU-Parlament der Ratifizierung zugestimmt.

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hatte dies am 6. Oktober bekannt gegeben [9] und gleichzeitig darauf hingewiesen, dass die Arbeit jetzt erst beginne. Nun müsse mit der Umsetzung des Vertrages begonnen werden. Ban forderte alle Sektoren der Gesellschaft auf, an der Reduzierung der Treibhausgase zu arbeiten.

Das ist natürlich eine ziemlich diplomatische Umschreibung, denn die Verantwortung ist weder global noch in den nationalen Gesellschaften gleichmäßig verteilt. Als Faustregel kann gelten, je weniger Einkommen eine Person hat, desto weniger Einfluss hat sie auch auf den Umfang der emittierten Treibhausgase. Das Gros der Emissionen wird durch strategische Entscheidungen großer Konzerne sowie der Regierungen und Parlamente der großen Volkswirtschaften über die künftige Energie- und Verkehrspolitik bestimmt. Und an dieser Stelle hapert es noch immer. Die bisher im Rahmen des Pariser Abkommens abgegebenen Selbstverpflichtungen werden in eine um rund drei Grad Celsius wärmere Welt führen. Immerhin bietet das Pariser Abkommen jedoch einen gewissen Rahmen für Nachverhandlungen, die nun zum Dauerthema künftiger UN-Klimakonferenzen werden dürften.

Hurrikan Matthew: Spur der Verwüstung

Hurrikan "Matthew" ("Matthew" ante portas) hat sich inzwischen aufgelöst und drehte nicht wieder nach Süden Richtung Karibik ab, wie die Meteorologen zeitweise erwartet hatten. Zuvor hatte er noch die US-Bundesstaaten Florida, Georgia und die beiden Carolinas durchgepustet.

In North Carolina kam es am Wochenende zu schweren Überschwemmungen. Hunderte hätten mit Booten und Hubschraubern aus den Fluten gerettet werden müssen, berichtet [10] der Sender CNBC. 39 Zentimeter Niederschlag seien dort an manchen Stellen niedergegangen. Das wäre das Vier- bis Sechsfache dessen, was normalerweise [11] während des ganzen Oktobers in der Küstenregion fällt. Elf Menschen sind in dem Bundesstaat bisher ums Leben gekommen. Für die zweite Wochenhälfte wird als Spätfolge des Hurrikans mit schweren Hochwassern an den Unterläufen einiger Flüsse gerechnet, wenn diese von den aus den Bergen im Hinterland abfließenden Niederschlägen erreicht werden.

Insgesamt gibt [12] CNN die Zahl der US-amerikanischen Todesopfer mit 21 an. Im wesentlich schwerer betroffenen Haiti wurde die Zahl der dort ums Leben gekommenen Menschen inzwischen deutlich nach oben korrigiert. Rund 1.000 Opfer werden dort beklagt. Außerdem befürchten Hilfsorganisationen [13] aufgrund der zusammengebrochenen Infrastruktur und der schwierigen Versorgungslage, dass es erneut zu einer Cholera-Epidemie [14] kommen könnte.

Klimaschutz kein Thema im US-Wahlkampf

Derweil hat sich Hurrikan "Nicole" [15], der östlich von "Matthew" über dem Atlantik seine Bahnen zog, inzwischen zu einem Tropensturm abgeschwächt und wird in den nächsten Tagen über die Bermudas und dann nach Nordosten auf den Nordatlantik hinaus ziehen. Über den dort kälteren Gewässern wird er schnell weiter an Kraft verlieren. Tropische Wirbelstürme beziehen ihre Energie aus den großen Mengen von Wasserdampf, der über dem warmen Meer aufsteigt. Wenn dieser kondensiert setzt er dabei Energie frei, die die umliegende Luft erwärmt und somit den Auftrieb im Wirbelsturm verstärkt.

Energiepolitik und Klimaschutz sind für die US-amerikanischen Präsidentschaftskandidaten der beiden großen Parteien offensichtlich kein wichtiges Thema. Am vergangenen Samstag, "Matthew" dehnte sein Zerstörungswerk gerade auf die USA aus, gab es die zweite TV-Runde Donald Trump versus Hillary Clinton. US-Journalisten haben dabei gestoppt [16], wie viel Zeit den einzelnen Themen gewidmet wurde. Gerade mal 243 Gesprächssekunden entfielen auf Klima und Energie.

Interessant war in diesem Zusammenhang höchstens, dass sich Hillary Clinton für Erdgas als Übergangstechnologie für "Alternative Treibstoffe" stark machte. Erdgas kommt in den USA hauptsächlich aus Schiefergasvorkommen, das heißt, um es zu gewinnen, wird die umstrittene, weil umweltschädliche Frackingtechnologie angewendet.

China: Widersprüche beim Kohleverbrauch und bei der Kohleproduktion

Die für das Klima sehr positive Entwicklung des Kohleverbrauchs und der Kohleproduktion in China hat unerwartete Auswirkungen auf den Weltmarktpreis für Kohle und die Aktienkurse australischer Bergbaukonzerne, wie Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet [17]. Während seit Februar der Kohlebedarf Monat für Monat um rund 60 Millionen unter dem gleitenden Mittelwert der letzten vier Jahre läge, würde zugleich der Import deutlich zunehmen. Das wiederum hat die Preise auf dem Weltmarkt nach oben getrieben und den Aktienkurs einiger australischer Produzenten einen Höhenflug beschert. Obwohl China ganz überwiegend heimische Kohle verbrennt, ist seine Importnachfrage auf dem Weltmarkt ein bestimmender Faktor.

Hintergrund der widersprüchlichen Entwicklung ist Chinas Plan, die Überkapazitäten in den Kohlebergwerken zu bekämpfen. Die in diesem Zusammenhang bereits erfolgten Grubenschließungen und Verminderung der Förderung waren offensichtlich so groß, dass nach einem Rückgang in den vergangenen beiden Jahren die Importe wieder wuchsen.

Die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission in Beijing, die für die makroökonomische Steuerung zuständig ist, habe daher kürzlich Kraftwerksbetreiber, Stahlkonzerne und Bergwerksgesellschaften an einen Tisch geholt, um über das Problem zu sprechen, so die Nachrichtenagentur. Heraus gekommen sei, dass künftig einige besonders produktive chinesische Gruben mit hochwertiger Kohle die Förderung wieder verstärken sollen, wenn der Preis für Importkohle längere Zeit über der Marke von 500 Yuan (67 Euro) pro Tonne verharrt.

Eine andere Möglichkeit wäre freilich, die Kohlenachfrage in den Kraft- und Stahlwerken weiter zu drosseln. Doch dagegen sprechen offensichtlich die Interessen der privaten oder kommunalen Kraftwerksbetreiber. Auch China steht in den nächsten Jahren eine harte Auseinandersetzung zwischen den Besitzern der zu vielen und schlecht ausgelasteten Kohlekraftwerke und der wachsenden Zahl der Betreiber von Wind- und Solarparks bevor.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-3361825

Links in diesem Artikel:
[1] http://www.wiwo.de/politik/deutschland/eeg-umlage-oekostromumlage-steigt-2017/14670262.html
[2] https://lobbypedia.de/wiki/Initiative_Neue_Soziale_Marktwirtschaft
[3] https://www.gesamtmetall.de
[4] http://www.bee-ev.de/home/presse/mitteilungen/detailansicht/bee-legt-vorschlaege-zur-senkung-der-eeg-umlage-vor/
[5] https://www.bdew.de/internet.nsf/id/DE_Energiedaten#cat/Daten%2FGrafiken%5CEnergie%20allgemein%5CEnergiedaten%5C3.%20Stromversorgung/3-15-strompreis-fuer-haushalte-de
[6] http://unfccc.int/paris_agreement/items/9485.php
[7] https://treaties.un.org/
[8] https://www.heise.de/tp/features/Pariser-Klimaabkommen-kann-in-Kraft-treten-3361821.html
[9] http://public.wmo.int/en/media/news/%E2%80%98unstoppable%E2%80%99-momentum-paris-climate-pact-set-early-november-entry-force-%E2%80%93-un-chief
[10] http://www.cnbc.com/2016/10/11/undreds-stranded-in-north-carolina-floods-after-hurricane-matthew.html
[11] http://climate.ncsu.edu/images/normals/precipitation/oct_precip_c.gif
[12] http://edition.cnn.com/2016/10/10/us/weather-matthew/
[13] http://www.deutschlandfunk.de/haiti-nach-matthew-droht-cholera-epidemie.447.de.html?drn:news_id=665259
[14] http://www.nbcnews.com/storyline/hurricane-matthew/haiti-needs-massive-response-halt-cholera-crisis-after-matthew-u-n664191
[15] http://www.nhc.noaa.gov/
[16] http://grist.org/briefly/clinton-and-trump-sparred-over-energy-and-climate-for-243-seconds-in-the-second-presidential-debate/
[17] https://www.bloomberg.com/gadfly/articles/2016-09-23/china-s-coal-cap-could-kill-the-boom