Pariser Klimaabkommen kann in Kraft treten

EU-Parlament gibt grünes Licht für die EU-Ratifizierung des Klimaabkommens. Bild: European Union 2016 - European Parliament

Die Energie- und Klimawochenschau: Von ehrgeizigen Klimazielen, exportiertem Braunkohlestrom und Windrädern von Siemens auf geraubtem Land

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Nun hat auch die EU den Weg für das Pariser Klimaschutzabkommen frei gegeben. Am Dienstag stimmte das EU-Parlament in Strasbourg mit großer Mehrheit für die Ratifizierung. 610 stimmten mit Ja, 38 Abgeordnete stimmten dagegen, 72 nahmen nicht an der Abstimmung teil, 31 enthielten sich, wie Votewatch.eu berichtet. Von den 96 deutschen Abgeordneten stimmten 90 dafür und drei dagegen, darunter die beiden AfD-Abgeordneten, deren Partei bekanntlich die Energiewende sofort stoppen und die Atom- und Kohlekraftwerke länger laufen lassen will (Die Partei der AKW-Fans).

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon spricht vor den EU-Abgeordneten. Bild: European Union 2016 - European Parliament

Zwei Tage zuvor hatte Indien wie erwartet die Ratifizierungsurkunden bei den Vereinten Nationen in New York hinterlegt. China, die USA, Brasilien und über 50 weitere Länder hatten diesen Schritt bereits im September oder in den Monaten davor vollzogen. Wenn jetzt auch noch die EU und Deutschland die entsprechenden Dokumente abgeben, kann es losgehen. In 30 weiteren Tagen tritt dann das Abkommen in Kraft, und auf der nächsten UN-Klimakonferenz Ende November im marokkanischen Marrakesch kann somit schon im Rahmen des neuen Abkommens weiterverhandelt werden. (Hier kann auf einer Seite der UNO tagesaktuell nachgeschaut werden, welche Staaten ihre Urkunden abgegeben haben.)

Das ist auch dringend nötig, denn zwar ist in dem Abkommen das Klimaschutzziel bekräftigt und sogar verschärft worden, doch die dafür bisher vorgeschlagenen Maßnahmen sind vollkommen unzureichend. Die von den Mitgliedern abgegebenen freiwilligen Selbstverpflichtungen - mehr sieht der Vertrag ohnehin nicht vor, und Sanktionsmöglichkeiten kennt er auch nicht - würden eine globale Erwärmung um rund drei Grad oder gar etwas mehr gegenüber den Zeiten vor der Einführung der ersten Dampfmaschinen bedeuten.

Für viele Küstenregionen und Inselstaaten würde das langfristig den Untergang bedeuten und einigen Regionen wie dem Nahen Osten drohten schon in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts Hitzewellen mit lebensbedrohlichen Temperaturen. Deshalb wird im Abkommen festgehalten, dass die globale Temperatur "deutlich unter zwei Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau" gehalten und Anstrengungen unternommen werden sollen, auch die 1,5-Grad-Schwelle nicht zu überschreiten. Letzteres wird notwendig sein, soll der Meeresspiegelanstieg über die nächsten Jahrhunderte noch einigermaßen in Schach gehalten werden. Erst letzte Woche hatte eine neue Studie in Nature Communications gezeigt (Die Kieselalge und der Berg), dass der mächtige ostantarktische Eisschild höchst wahrscheinlich deutlich empfindlicher als bisher gedacht ist. Simulationen haben ergeben, dass er in der Erdgeschichte schon auf Grund relativ geringer Temperaturänderungen massiv an Eis verloren hatte.

Ehrgeiziges Ziel

Das 1,5-Grad-Ziel wird allerdings besonders schwer zu erreichen sein. Wie letzte Woche erwähnt (Klimamathematik: Keine weiteren Vorkommen fossiler Brennstoffe mehr erschließen!), dürften dafür nur noch knapp 400 Gigatonnen CO2 emittiert werden, soviel wie derzeit weltweit in etwas mehr als zehn Jahren ausgestoßen werden. Das ehrgeizige Ziel wirft daher einige sehr essentielle Fragen auf, die letzte Woche ein Beitrag im Scientific American zusammenfasste: Das Ziel ist höchstwahrscheinlich nur erreichbar, wenn es im großen Maßstab zu sogenannten negativen Emissionen kommt, das heißt wenn der Atmosphäre große Mengen CO2 wieder entzogen werden.

Eine viel diskutierte Option wäre im großen Maßstab Biomasse in Kraftwerken einzusetzen, das erzeugte CO2 einzufangen und einzulagern. Bisher ist jedoch völlig unklar, wie dies geschehen könnte und wo das womöglich verflüssigte Gas über Jahrtausende sicher gelagert werden könnte. Die noch vor einigen Jahren groß beworbene Verpressung in tiefen Schichten im Boden hat sich bisher nicht als praktikabel und bezahlbar erwiesen. Außerdem: Würde die dafür benötigte landwirtschaftliche Fläche nicht die Ernährung der Weltbevölkerung und wichtige Ökosysteme gefährden?

Rückkopplungen

Ein anderes Problem ist, dass das 1,5-Grad-Ziel vermutlich nur noch sehr langfristig zu erreichen ist. Die globale Temperatur liegt bereits um rund ein Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau, eventuell auch schon ein, zwei Zehntelgrad mehr, wenn man als Messlatte nicht das Ende des 19. Jahrhunderts, sondern tatsächlich das vorindustrielle 18. Jahrhundert nimmt, von dem die Temperatur-Informationen unsicherer sind.

Nun reagieren die verschiedenen Komponenten des Klimasystems mit zum Teil erhebliche Verzögerung auf die Treibhausgase, sodass allein schon das bisher in der Atmosphäre akkumulierte CO2 reichen wird, die Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius hoch zu treiben. Insbesondere, wenn Indien und China in den nächsten Jahrzehnten nach und nach ihre Kohlekraftwerke abschalten und die abkühlenden Schwefelfdioxidemissionen ausbleiben.

Das würde bedeuten, dass die globale Erwärmung zunächst über die 1,5-Grad-Marke und vielleicht gar über die 2-Grad-Marke klettern würde und erst in der zweiten Jahrhunderthälfte oder im 22. Jahrhundert wieder abgesenkt werden könnte. Doch wie würde das Klimasystem darauf reagieren? In der Westantarktis ist eventuell schon jetzt ein irreversibler Prozess angestoßen, der den dortigen Eisschild in den nächsten Jahrhunderten und Jahrtausenden schwinden lassen wird. Gut denkbar, dass ähnliche Schwellen auch andernorts überschritten würden. Zum Beispiel, wenn in Sibirien und Nordamerika große Flächen von Permafrost auftauen und zusätzliche Treibhausgase in die Atmosphäre entlassen, oder wenn Hitzewellen Wälder vernichten.

Das alles spricht natürlich nicht dagegen, die ehrgeizigen Ziele zu verfolgen. Es macht vielmehr auf die Dringlichkeit der Lage aufmerksam, zumal jedes Zehntelgrad mehr die langfristigen Folgen verschlimmern wird. Es macht aber auch klar, dass manches kaum noch aufzuhalten sein wird und somit eine wichtige Frage in den internationalen Beziehungen der nächsten Jahrzehnte werden wird, wer für die verursachten Schäden aufkommt und wie Menschen geholfen wird, die von Überschwemmungen und Dürren in die Flucht getrieben werden und ihre Lebensgrundlage verlieren.

Braunkohlekabel

Derweil sieht es so aus, als ob der Übertragungsnetzbetreiber Amprion daran arbeitet, für die Braunkohlekraftwerke seiner ehemaligen Mutter RWE neue Märkte zu erschließen. Diese liegen im Rheinland und gleich neben an liegt Belgien, das erhebliche Versorgungsprobleme hat. Schon jetzt bezieht das Land seinen Strom zum Teil aus dem Ausland, allerdings eher aus Frankreich. Ansonsten kommen rund 50 Prozent der inländischen Stromproduktion aus alten Reaktoren, die schon seit den 1970er und 1980er Jahren laufen. In den letzten Jahren haben einige von ihnen wegen Haarrissen und anderem des öfteren Schlagzeilen gemacht.

Bis spätestens 2025 sollen die alten Meiler vom Netz gehen und vermutlich erhofft sich RWE mit seinen rheinischen Braunkohlekraftwerken, die enstehende Lücke schließen zu können. Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energieträger ist man nämlich beim Nachbarn noch nicht besonders weit gekommen.

Amprion, an dem der einstige Alleineigentümer RWE noch 25,1 Prozent hält, plant den Bau gemeinsam mit dem belgischen Netzbetreiber Elia "die erste direkte Stromverbindung zwischen Deutschland und Belgien", wie es in einer Pressemitteilung des Konzerns heißt. Für 125 Millionen Euro soll eine 100 Kilometer lange Hochspannungs-Gleichstromübertragung geschaffen werden. Die Leitung wird eine Übertragungskapazität von einem Gigawatt haben, wird also in etwa die Leistung eines Großkraftwerks aufnehmen können.

Hinkley Point

Auch andernorts hält man weiter an Konzepten von vorgestern fest. Wie bereits berichtet (Der neue Traum von der "Wiedergeburt der Atomenergie"), haben die französische EDF und die staatliche China General Nuclear Corporation letzte Woche die Verträge für ein Konsortium unterzeichnet, im Südwesten Großbritanniens in Hinkley Point ein neues AKW bauen will. Nach einem Bericht der in Hongkong erscheinenden South China Morning Post wird die chinesische Seite sechs Milliarden Pfund (6,8 Milliarden Euro) in das Projekt stecken und EDF zwölf Milliarden (13,2 Milliarden Euro). Das Ganze wird ökonomisch nur dadurch möglich, dass den Betreibern ein Einspeisetarif von anfänglich knapp elf Cent pro Kilowattstunde garantiert wird, der über eine Laufzeit von 30 Jahren an die Inflation angepasst wird. Kein Wunder also, das das Projekt viele Gegner hat.

"Siemens get out"

Manchmal gibt es aber auch gute Gründe, gegen den Bau von Windrädern zu sein. Zum Beispiel wenn sie auf geraubten Land errichtet werden sollen, wie es Siemens in der Westsahara vor hat. Die ehemalige spanische Kolonie war 1975 von Marokko besetzt worden, nachdem die dortige Befreiungsbewegung einen unabhängigen Staat, die Sahrauisch Arabische Demokratische Republik - auf Deutsch meist Westsahara genannt -, ausgerufen hatte. Rund die Hälfte der Bevölkerung wurde vertrieben und lebt seit dem in Flüchtlingslagern im äußersten Süden Algeriens.

Marokko flog seinerzeit für diesen Streich aus der afrikanischen Union, aber die westlichen Staaten ignorieren die fragliche Legitimität der marokkanischen Grenzen meist. In den mit Rabat abgeschlossenen Verträgen werden das Territorium der Westsahara und die Küstengewässer meist implizit als marokkanisch behandelt. Das erleichtert es dem Königreich, alle Bemühungen der UNO zu ignorieren, ein Plebiszit über den Status der Westsahara abzuhalten.

Die Menschen in den algerischen Lagern haben jedenfalls offensichtlich Hoffnung und Widerstandsgeist noch nicht aufgegeben. Die Hilfsorganisation Medico International berichtete letzte Woche von einer Protestaktion der Saharauis, mit der sie "Siemens get out of Western Sahara" forderten.

Viele der neuen Energieprojekte entstünden nicht in Marokko sondern auf dem besetzten Territorium, so Medico. "Durch solche Investitionen in den besetzten Gebieten sinkt die Bereitschaft Marokkos sich am UN-Friedensprozess zu beteiligen. Die Beteiligung von Siemens ist zutiefst besorgniserregend, da sie beiträgt die Besatzung zu zementieren", wird Jalihenna Mohamed von der Saharauischen Kampagne gegen Ressourcenraub zitiert.

Seine Organisation arbeitet daran, die Einbindung ausländischer Firmen in völkerrechtswidrige Geschäfte in der Westsahara aufzudecken. Im Zusammenhang mit der Ende November im marokkanischen Marrakesch beginnenden UN-Klimakonferenz befürchtet Mohamed, dass Marokko mit den Windparks auf geraubtem Land Werbung macht.

Ein wachsender Teil der marokkanischen Energieprojekte entstehen nicht in Marokko, sondern in der Westsahara. Kein Staat der Welt erkennt jedoch Marokkos Annektierung unseres Landes an. Wir rufen alle Teilnehmer der Klimaverhandlungen auf, vorsichtig zu sein, wenn sie sich auf die marokkanischen Projekte beziehen, da viele von ihnen nicht in Marokko sind und den Westsahara-Konflikt anheizen.

Jalihenna Mohamed