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Wie Griechenlands Putin-Reeder Kritik zu unterbinden versuchen

Tanker. Bild: pxhere

Gerichtsverfahren gegen Parlamentarier, weil er Schiffsunternehmern Deals mit Moskau vorwarf. Anschuldigungen sind weithin bekannt. Betroffener will Verfahren politisch nutzen.

Der Abgeordnete und Fraktionssprecher der linksgerichteten griechischen Kleinpartei Mera25, Kleon Grigoriadis, hat seine parlamentarische Immunität verloren, nachdem er im Parlament die Doppelmoral einiger griechischer Reeder angeprangert hat. Es ging dabei um die umstrittenen Transporte russischen Erdöls, welche den Reedern seit der Invasion Russlands in die Ukraine eine erhebliche Ausweitung ihres Geschäftsfelds ermöglicht haben.

Grigoriadis muss sich nun vor Gericht einem Verfahren stellen, obwohl er eine mittlerweile allgemein bekannte wahre Aussage gemacht hat. Motiviert wird die Klage offenbar auch durch das Ansinnen, Journalisten vor Berichten über die Russland-Kontakte der mächtigen Reeder abzuschrecken. Über die schmutzigen Deals kann im Land kaum berichtet werden.

Der wegen seiner bissigen Reden im Parlament bekannte frühere Schauspieler Grigoriadis hatte im Mai im Parlament mit drastischen Worten angeprangert, dass die griechischen Reeder russisches Öl transportieren, aber gleichzeitig in ihren TV-Stationen über Solidarität zur Ukraine reden.

Der 57-Jährige beklagte, dass die griechische Regierung mit ihrem Veto in der EU [1], zwar den Reedern ihr Business gesichert habe. Jedoch habe sich dort keine der vorherigen Regierungen getraut, ein Veto gegen die sozial ungerechten und die Bevölkerung verarmenden diktierten Sparmaßnahmen der EU einzulegen.

Die Reeder würden, so Grigoriadis, "mit dem Blut unschuldiger Menschen", die durch Russlands Krieg umkämen, Geld und Übergewinne einfahren. Das russische Erdöl bezeichnete er, obwohl die EU es nicht effektiv mit einem Embargo belegt hat, als "illegale Ware".

Der linke Politiker berief sich auf Statistiken, die belegen, dass die griechischen Reeder ihren Anteil am Transport russischen Öls vom Vorkriegsniveau von rund zwanzig Prozent bis Ende April auf fünfzig Prozent gesteigert hätten.

Namen der Reederfamilien im Parlament genannt

Er benannte namentlich die Reederfamilien Vardinogiannis, Alafouzos und Marinakis. Diese hätten, so Grigoriadis, neben ihrer Flotte eine Medienmacht. "Diese drei, und die Griechen wissen das, verfügen auch über Massenmedien. Marinakis hat Mega TV und die (Zeitungen) Ta Nea und To Vima. Alafouzos hat Skai TV und die Zeitung Kathimerini. Vardinogiannis hat die TV Sender Alpha und Star."

Er warf den Reedern vor, über ihre Massenmedien jeden als Putin-Versteher zu verteufeln, der eine differenzierte Meinung zu Waffenlieferungen in die Ukraine habe, oder aber Kritik an der Politik der Regierung in Bezug auf die Ukraine üben würde. Mera25 gehört zu den Parteien in Griechenland, die hinsichtlich der Waffenlieferungen Griechenlands und der Rolle der Nato kritisch sind.

Die Vorwürfe des Transports russischen Öls wiederholte Monate später der ukrainische Staatspräsident Wolodymyr Selenskyj per Videoschalte während einer Konferenz in Athen [2]. Sie sind unstrittig.

Der Reeder Jannis Alafouzos fühlte sich dennoch beleidigt und verleumdet und stellte Strafanzeige. Damit eine derartige Anzeige verhandelt werden kann, muss die Immunität eines Parlamentariers aufgehoben werden. Dies geschah in einer namentlichen Abstimmung am 16. November mit 180 zu 91 Stimmen [3].

Für Jannis Varoufakis, den Generalsekretär von Mera25, war dies ein "schwarzer Tag in der Geschichte des Parlamentarismus". Er moniert, dass ein Abgeordneter für eine im Parlament gehaltene Rede juristisch verfolgt wird, und sah darin einen Widerspruch zur verfassungsmäßig garantierten Redefreiheit der Volksvertreter: "Es gibt keine parlamentarische Immunität, hier gibt es nur eine Geiselhaft durch die Regierungsmehrheit."

Grigoriadis hingegen begrüßte die Aufhebung seiner Immunität. So könne er "Oligarchen, die unsere Mitmenschen seit Jahren systematisch beklauen" auch vor Gericht bloßstellen.


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https://www.heise.de/-7351248

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/tp/features/Russland-Sanktionen-Die-maechtigen-griechischen-Reeder-machen-nicht-mit-7091296.html
[2] https://www.heise.de/tp/features/Selenskyj-vs-griechische-Reeder-Sanktionen-muessen-umgesetzt-werden-7178960.html
[3] https://www.documentonews.gr/article/voyli-irthi-i-asylia-toy-kleona-grigoriadi/