Wie Russland-Sanktionen die Klimaforschung erschweren

Wichtiges Beobachtungsobjekt: der sibirische Permafrost. Foto: Jesse Allen and Robert Simmon / NASA Earth Observatory

Viele wären schon erleichtert, wenn der Krieg in der Ukraine nicht zum Dritten Weltkrieg eskaliert. Eine globale Katastrophe kann aber auch durch unterlassene Kooperation befeuert werden

Von der "neuen Art zu denken", die Greta Thunberg vor drei Jahren eingefordert hat, ist auf der politischen Entscheidungsebene aktuell weniger denn je zu spüren. "Wir müssen aufhören, miteinander zu konkurrieren. Wir müssen anfangen zu kooperieren und die verbleibenden Ressourcen des Planeten gerecht zu teilen", hatte die schwedische Aktivistin am 17. März 2019 erklärt, nachdem knapp 1,5 Millionen Menschen ihrem Aufruf zum globalen Klimastreik gefolgt waren.

Als Initiatorin der Jugendbewegung Fridays for Future durfte Thunberg mehrfach neben Staatsoberhäuptern auf internationalen Konferenzen sprechen, hatte aber zuletzt nach eigenen Worten den Eindruck, dass deren Absichtserklärungen zur Bewältigung der Klimakrise nur "Blah, blah, blah" waren.

Und aktuell bietet der russische Angriffskrieg auf die Ukraine einen weiteren Vorwand, um die Kooperation auf Eis zu legen: Die Russland-Sanktionen treffen auch die internationale Klimaforschung. Das hat die Direktorin des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts, Antje Boetius, gegenüber der Nachrichtenagentur dpa klargestellt.

Messgeräte werden nicht ausgetauscht

"Gerade die sibirische Arktis mit ihren Hitzewellen im Sommer ist die Region, wo wir hinschauen müssen", betonte sie laut Agenturbericht vom Dienstag. Forschende wollten dort mit Langzeitmessungen herausfinden, wie schnell der Permafrost auftaut. "Dort müssten jetzt eigentlich Geräte ausgetauscht werden. Das ist gestoppt." Boetius selbst wollte in einigen Wochen nach Nowosibirsk reisen. Auch daraus wird nichts.

Im Austausch mit dem Bundesforschungsministerium und dem Auswärtigen Amt seien neue Regeln zur weiteren Zusammenarbeit mit der russischen Seite eingeführt worden. Doch laut Boetius laufen diese Regeln nicht auf einen Totalboykott hinaus: Einzelne Projekte dürfen fortgesetzt werden. Auch Publikationen unter russischer Beteiligung seien weiterhin möglich.

"Ein Verbot des gemeinsamen Denkens auf Basis einer nationalen Zugehörigkeit kennt die Wissenschaft nicht", betonte Boetius. Der Boykott richte sich "gegen das Regime und seine Institutionen, nicht gegen die Zivilgesellschaft und damit auch nicht gegen russische Forschende".

Temperaturrekorde in der Arktis

Wie groß die Gefahr allein durch unterlassene Kooperation und fehlende Ernsthaftigkeit beim Lösen gemeinsamer Menschheitsprobleme selbst dann ist, wenn der Krieg in der Ukraine nicht zum Weltkrieg eskaliert, liegt auf der Hand: Erst am Montag waren neue Temperaturrekorde aus dem Osten der Antarktis gemeldet worden.

Die Weltwetterorganisation (WMO) habe am 18. März an der Forschungsstation Concordia minus 12,2 Grad gemessen. Das seien 40 Grad mehr als für diese Region im Durschnitt um diese Jahreszeit üblich. Der vorherige Rekord im März sei um 20 Grad übertroffen worden, berichtete die WMO am Dienstag in Genf.

An der Station Wostok wurden minus 17,7 Grad gemessen, was für diese Region ebenfalls ein "Wärmerekord" ist. Wostok hält den Rekord für die kälteste je gemessene Temperatur: Dort wurden im Juli 1983 nach WMO-Angaben minus 89,2 Grad registriert.

Ein für die Kooperation in Sachen Forschung, Umwelt- und Klimaschutz wichtiges Gremium ist auch der 1996 gegründete Arktische Rat. Ihm gehören insgesamt acht Staaten an, deren Territorium teilweise im Polarkreis liegt – darunter neben den USA, Kanada, Norwegen, Finnland, Schweden, Island und Dänemark auch die Russische Föderation. Dieser Rat hat seine Arbeit allerdings Anfang März wegen des russischen Angriffskrieges auf Eis gelegt. Das gaben die sieben Westländer in einer gemeinsamen Erklärung am 3. März bekannt.

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