Ukraine-Krieg sprengt Arktischen Rat

Politische Eiszeiten gibt es trotz Klimawandel. Symbolbild: Dr. Peter Schmidt / CC-BY-SA-3.0

Gremium stand bisher für Entspannungspolitik und erkannte Rolle Russlands an. Nun setzt der Rat seine Arbeit angesichts des russischen Angriffs aus

Die sieben Westländer im Arktischen Rat unterbrechen ihre Arbeit und lassen Russland allein. Damit sind die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auch in dem Gremium angekommen, in dem bisher das Konsensprinzip herrschte und Konflikte außerhalb der Arktis so weit wie möglich ausgespart wurden. Bei den Mitgliedern Finnland und Schweden wächst außerdem die Zustimmung für die Nato – erstmals gab es dort in Meinungsumfragen eine Mehrheit für den Beitritt.

Der Arktische Rat wurde 1996 in Kanada gegründet. Das Sekretariat liegt heute in Tromsø, Norwegen. Mitglieder sind jene acht Staaten, deren Territorium am Polarkreis liegt: Kanada, Russland, Norwegen, Finnland, Schweden, Island, Dänemark (wegen Grönland) und die USA (wegen Alaska). Vertreten sind zudem die Urvölker der Region. Man kooperiert unter anderem in den Bereichen Kultur, Forschung, Umweltschutz und Klimawandel. Der Vorsitz wechselt alle zwei Jahre: 2021 ging er von Island auf Russland über, vertreten durch Außenminister Sergej Lawrow.

Die sieben Westländer haben nun in einer gemeinsamen Erklärung angekündigt, die Arbeitsgruppen pausieren zu lassen und auch keine Vertreter zum nächsten Treffen nach Russland zu schicken. Dieses soll Ende Mai in Archangelsk stattfinden.

In der Erklärung heißt es: "Die Grundprinzipien von staatlicher Souveränität und territorialer Integrität, basierend auf internationalem Recht, waren die Grundlage für die Arbeit des Arktischen Rates (…) In Anbetracht der eklatanten Verletzung dieser Prinzipien durch Russland werden unsere Vertreter nicht zu den Sitzungen des Arktischen Rates nach Russland reisen." Man prüfe, unter welchen Bedingungen die wichtige Arbeit des Gremiums fortgesetzt werden könne. Der russische Minister für den Fernen Osten, Alexej Tschekunow, kündigte an, die Aktivitäten würden wie geplant durchgeführt. Das könnte schwierig werden.

Zurzeit hagelt es bekanntlich Sanktionen gegen Russland und russische Einrichtungen von allen Seiten. Die Aufkündigung der Zusammenarbeit im Arktischen Rat, einem relativ unbekannten und machtlosen Gremium, mag als Kleinigkeit erscheinen gegenüber anderen Maßnahmen. Es ist allerdings ein Gremium, dessen Rolle von Russland sehr geschätzt wurde.

Russland hat die längste arktische Küstenlinie. Die Zugehörigkeit zur Arktis ist (auch) Teil der russischen Identität. Beim Ministertreffen in Reykjavík 2021 hatte sich Lawrow explizit auch mehr Austausch auf militärischer Ebene gewünscht, wie es ihn vor 2014 gegeben hatte.

Damit stieß er nicht auf Gehör. Insgesamt verlief das Treffen 2021 allerdings friedlich und um Konsens bemüht – anders als 2019 in Rovaniemi, als der damalige US-Außenminister Mike Pompeo die Abschlussdeklaration platzen ließ, weil er das Wort "Klimawandel" darin nicht sehen wollte, und in einer Rede gegen Russland und China wetterte. Bis auf den finnischen Gastgeber sollen alle Minister aus Protest die unübliche Extra-Rede geschwänzt haben.

Norwegen bisher mit pragmatischer Linie

Wie man pragmatisch mit dem großen Nachbarn umgeht, bewiesen Norwegen, Finnland und Schweden im Kalten Krieg. Norwegen wurde zwar Mitglied der Nato, genehmigte aber keine amerikanischen Basen in seinem Land, Finnland und Schweden blieben allianzfrei. Norwegen hat auch im Kalten Krieg gemeinsam mit Russland den Fischbestand der Barentsee verwaltet. An der gemeinsamen Grenze am Pasvikfluss werden mehrere Wasserkraftwerke betrieben.

Der norwegische Ansatz ist allerdings inzwischen aufgeweicht: Die Regierung Solberg hat mit den USA ein Abkommen geschlossen, nachdem die USA eigene Einrichtungen auf vier norwegischen Militärbasen bauen darf. Außerdem darf ein Industriehafen bei Tromsø nun offiziell als Logistikstützpunkt für US-U-Boote genutzt werden – U-Boote, die in der Barentssee unterwegs sind und für neuen Proviant nicht extra bis zur Basis Haakonsvern bei Bergen zurückfahren wollen.

Die Nato-Übung Cold Response mit rund 30 000 Soldaten aus 27 Ländern soll auch weiter stattfinden, teils auch in der Barentssee. Russland war zur Beobachtung vorschriftsgemäß eingeladen, hat aber abgelehnt.

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