Wie der Klimakiller Methan die Erderhitzung antreibt

Insbesondere bei der Gasförderung wird das Treibhausgas Methan freigesetzt. Es ist besonders klimaschädlich. Bild: Anita Starzycka / Pixabay License

Energie und Klima – kompakt: Von verlangsamtem Methanabbau, Hitzewellen, einem Hoffnungsschimmer für Lützerath und einem Baustopp für die A20.

Die EU hat die Energiegewinnung aus fossilem Erdgas und aus Atomkraft als nachhaltig eingestuft. Damit wird der Begriff der Nachhaltigkeit endgültig sinnentleert. Wer nicht klimaschädigend Geld anlegen möchte, dem ist mit der neuen Taxonomie also nicht geholfen. Doch die Anlageentscheidungen von Kleinanleger:innen dürften wohl das geringste Problem sein. Mit der Entscheidung zur EU-Taxonomie des Europäischen Parlaments können auch Investitionen in Gas- und Atominfrastruktur gleichermaßen staatlich gefördert werden wie Investitionen in Erneuerbare Energien.

Das ist alles andere als nachhaltig, weil es zu Lock-in-Effekten führt, den Umstieg auf 100 Prozent Erneuerbare also weiter verzögert. Ein Autor:innenteam um Claudia Kemfert argumentiert in einem soeben in Nature erschienenen Artikel, dass die Expansion von Gasinfrastruktur die Zukunft erneuerbarer Energien behindert, diese nicht als Brückentechnologie fungiert und die Klimaauswirkungen von Erdgas zudem zumeist unterschätzt würden. Die Autor:innen führen verschiedene Quellen an, laut denen die Methanemissionen entlang der Produktionskette von Erdgas weit größer sein könnten, als gemeinhin berechnet. Damit würde der Vorteil gegenüber Kohle in Bezug auf die Treibhausgasemissionen aber marginal werden.

Nach den neuesten Zahlen des Intergovernmental Panel on Climate Change ist das Erderwärmungspotenzial (GWP) von Methan in den ersten 20 Jahren nach der Emission bis zu 87 Mal größer als das von CO2 und in den ersten 100 Jahren bis zu 36 Mal größer. Angesichts des hohen globalen Erwärmungspotenzials von Methan, insbesondere in den ersten 20 Jahren, kann die Verwendung von Erdgas als (vorübergehender) Ersatz für Kohle sogar zu einem zusätzlichen kurzfristigen Temperaturanstieg führen. Infolgedessen könnte die Welt bereits im nächsten Jahrzehnt Klimakipppunkte erreichen, die zu einem abrupten und irreversiblen Klimawandel führen und im schlimmsten Fall eine Kaskade globaler Kipppunkte auslösen könnten (...). Daher ist die kurzfristige Verringerung der Methanemissionen ein entscheidender Bestandteil der Klimaschutzbemühungen.

Die Autor:innen kommen in ihrem Artikel zu fünf Schlussfolgerungen: Die Emissionen in der gesamten Produktionskette von Gas müssten effizienter verhindert und speziell Leckagen stärker in den Blick genommen werden. Zweitens müssten Klima- und Emissionsszenarien verbessert und neuere Erkenntnisse über Methanemissionen einbezogen werden, um die Klimapolitik an diesen verbesserten Szenarien auszurichten. Das derzeitige Narrativ der "Brückentechnologie" bezüglich Gas müsse man infrage stellen, zumal ein klarer Zeithorizont fehlt. Lock-In-Effekte sollten vermieden werden, damit Klimaziele erreicht werden können. Ein Ausbau der Gasinfrastruktur und des Gaskonsums verschärfen solche Lock-In-Effekte. Und zuletzt bergen Investitionen in Gasinfrastruktur die Gefahr, im Zuge der Energiewende stark an Wert zu verlieren ("stranded assets"), was insgesamt zu wirtschaftlichen Verlusten führe. Solche verlustbehafteten Anlagen können wiederum zur Folge haben, dass Investitionen in erneuerbare Energien aufgeschoben werden.

Beunruhigend: Methanabbau in der Atmosphäre verlangsamt

Eine im Juni erschienene Studie der Nanyang Technological University Singapore liefert weitere beunruhigende Ergebnisse in Bezug auf das Treibhausgas Methan. Seit Jahren bereitet Wissenschaftler:innen ein starker Anstieg der Methankonzentration in der Atmosphäre Kopfzerbrechen, insbesondere da dieser sich auch während der Lockdown-Phase der Pandemie fortgesetzt hatte, obwohl Emissionen in dieser Zeit zurückgegangen waren. Die Wissenschaftler Cheng Chin-Hsien und Simon Redfern könnten nun eine Erklärung für die rätselhafte Zunahme des Methans gefunden haben. Wie der Spiegel und The Guardian unter Bezug auf eine im Juni in Nature erschienene Studie berichten, könnte nämlich ein verminderter Abbau von Methan in der Atmosphäre die Ursache sein.

Das allerdings könnte bisherige Berechnungen zum Treibhauseffekt infrage stellen, denn bislang wurde angenommen, dass Methan zwar ein äußerst potentes Treibhausgas ist, seine Halbwertszeit aber bei nur 12 Jahren liegt. Die Wissenschaftler berechneten aus Daten der letzten vier Jahrzehnte, dass mehr Methan freigesetzt, aber weniger Methan abgebaut wurde als vorher angenommen und sich das Klima dadurch schneller aufgeheizt habe. Demnach könnte der Einfluss von Methan auf die Klimaerwärmung bis zu viermal so groß sein, wie noch im letzten Bericht des IPCC geschätzt.

Der verlangsamte Methanabbau in der Atmosphäre könnte darauf zurückzuführen sein, dass mit immer größeren Waldbränden mehr Kohlenmonoxid in die Atmosphäre gelangt und dort die chemische Reaktion behindert, mit der Methan aufgespalten wird. Normalerweise würde Methan dort mit dem Hydroxyl-Radikal (OH) reagieren. Das Hydroxyl-Radikal reagiert aber ebenfalls mit Kohlenmonoxid. Wenn nun größere Mengen Kohlenmonoxid in die Atmosphäre gelangen, könnte quasi weniger OH für den Abbau von Methan zur Verfügung stehen.

Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Zusammenhänge zwischen Methan und Klimawandel bisher unterschätzt wurden. Wir müssen noch viel über die komplexen Wechselwirkungen lernen, die den Klimawandel antreiben. Die Botschaft dieser Studie ist eindeutig und spiegelt wider, was Wissenschaftler in den letzten Jahren gefordert haben - dass wir die Methan- und die Kohlenstoffemissionen reduzieren müssen, um den Klimawandel zu bekämpfen,

erklärt der Leitautor der Studie Simon Redfern.

Die Katastrophenmeldungen über Extremwetter häufen sich indessen derart, dass es schwer ist, überhaupt noch einen Überblick zu behalten. Nach starken Monsunregenfällen sind in Pakistan mindestens 57, in Afghanistan mindestens 24 Menschen umgekommen, meldet tagesschau.de. Die Überschwemmungen in Südwestaustralien sind noch nicht vorbei, während Südwesteuropa und der Westen der USA unter extremer Dürre leiden, was auch zu Ernteverlusten führen wird. Das Szenario einer schnelleren globalen Erwärmung ist vor dem Hintergrund dessen, was heute schon allerorten real ist, kaum zu ertragen.

Die Hitzewelle in Europa erklären Wissenschaftler:innen des Potsdam-Instituts für Klimaforschung (PIK) mit Veränderungen in der atmosphärischen Zirkulation. Der Jetstream würde sich in zwei große Bänder aufspalten.

Diese doppelten Jet-Zustände erklären fast den gesamten Aufwärtstrend der Hitzewellen in Westeuropa und etwa 30 Prozent im gesamten europäischen Raum.

Hitzewellen in Westeuropa hätten drei bis viermal so stark zugenommen wie in anderen mittleren nördlichen Breiten. Ursachen für den Doppel-Jetstream könnten in zunehmenden Temperaturunterschieden zwischen Land und Ozean liegen, auch wenn dazu noch weiter geforscht werden müsse. Wenn aber die derzeitigen Hitzewellen auf veränderte Strömungsmuster zurückzuführen sind, dann wird wohl auch in Zukunft verstärkt mit Hitze und Dürre in Westeuropa zu rechnen sein.