Großes Greenwashing von Erdgas und AKW im EU-Parlament
Mehrheit aus Konservativen, Liberalen und Rechtsradikalen findet, dass Atomkraft und Erdgas umweltfreundlich sind. Sie sollen gefördert werden. Umwelt- und Klimagruppen sind entsetzt. Ein Kommentar.
Nun hat das EU-Parlament tatsächlich die Quadratur des Kreises geschafft. Atomkraftwerke und Erdgasinfrastruktur gelten künftig als nachhaltig. Obwohl keiner weiß, was für die nächsten 100.000 Jahre mit dem hoch radioaktiven Müll passieren soll. Obwohl das Uran endlich ist und die Förderung seit vielen Jahren den Verbrauch nicht decken kann. Obwohl Erdgas das Klima schädigt und die globale Klimakrise weiter zuspitzt.
Der Umweltausschuss des Parlaments hatte sich vor ein paar Wochen gegen den entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission ausgesprochen, doch nun fand sich am Mittwoch eine Mehrheit aus Konservativen, Liberalen und Rechtsradikalen, die für das aus der Zeit gefallene Projekt der alten Industrien die Hand hob.
Konkret bedeutet die Entscheidung, dass künftig Berater in den Banken ganz legal unbedarften Kleinanlegern Wertpapiere von entsprechenden Unternehmen als „grünes“ Investment unterjubeln können und dass diese leichter an staatliche Zuschüsse und Vergünstigungen kommen.
Umweltverbände, Vertreter Solar- und Windbranche und die jungen Klimaschützerinnen und Klimaschützer von Fridays for Future sprechen von Greenwashing. Das Umweltinstitut in München sieht in der Abstimmung eine „verheerenden Entscheidung“, die Milliarden in die alten, umweltschädlichen Technologien umleite, Geld, das für die rasche Entwicklung der erneuerbaren Energieträger fehlen werde.
Fridays for Future Deutschland hält es für „absurd“, „sich inmitten einer eskalierenden Klimakrise und rasant ansteigenden Energiepreisen für eine Weiterführung und Stärkung ihrer Verursacher zu entscheiden“. Deutschland müsse, so die Forderung der jungen Klimaschützerinnen und Klimaschützer, gegen die Taxonomie klagen, um sie doch noch zu Fall zu bringen.
Das ist allerdings eher unwahrscheinlich, denn die Aufnahme von Erdgas in die Taxonomie erfolgte auf Drängen Berlins. Dort hat man zwar inzwischen seine Liebesbeziehung mit dem russischen Erdgas aufgegeben, allerdings nur, um nun das noch schlimmere Frackinggas aus den USA einkaufen zu wollen.
Daran ändert weder der grüne Klimaschutzminister Robert Habeck etwas noch die Tatsache, dass seit über 30 Jahren bekannt ist, dass die Menschheit dringend – inzwischen extrem dringend – aus der Verbrennung fossiler Kohlenstoffe aussteigen muss, wenn der Planet nicht ein völlig neues Erdzeitalter mit Massenaussterben und äußerst schwierigen Bedingung für Landwirtschaft und Fischerei katapultiert werden soll.
Aber die Bundesregierung ist weiter nicht bereit, den Kurs Richtung Kollaps zu ändern. Habecks Ministerium bereitet gerade eine mehrere Milliarden Euro schwere Rettungsaktion für Uniper vor. In den neuen Konzern hatte E.on 2016 seine Kohlekraftwerke und sein Gasgeschäft ausgelagert. Als einer der wichtigsten Importeure für russisches Erdgas gerät das Unternehmen derzeit massiv unter Druck.
Nachdem das Geschäft jahrelang glänzend gelaufen war, werden jetzt rote Zahlen geschrieben und der Aktienkurs bricht dramatisch ein. Und deshalb heißt es mal wieder Verluste sozialisieren, während zuvor jahrelang satte Dividenden ausgeschüttet worden waren.
Im Gespräch ist eine stille Beteiligung des Bundes zwischen drei und fünf Milliarden Euro. Mit der Summe könnte man für alle Schulen ausreichend Luftfilter anschaffen und hätte immer noch genug für weitere drei Monate Neun-Euro-Ticket, aber für derlei sozialen Klimbim ist natürlich kein Geld vorhanden.
Und wie schon bei anderen Milliarden-Geschenken der vergangenen Jahre – erinnert sei nur an die neun Milliarden Euro für die Lufthansa – soll es das Geld mal wieder ohne Kontrolle – genau das bedeutet eine stille Beteiligung – und ohne Gegenleistung geben.
Dabei wäre doch das mindeste, dass angesichts des dringend erforderlichen Umbaus der Energieversorgung die Kontrolle über den Konzern übernommen würde, um zügig den Ausstieg aus Kohle und Gas zu organisieren, um, wo möglich, die Anlagen in Speicher umzubauen und dabei Entlassungen zu vermeiden.