Wie der Ukraine-Krieg die Zukunft der Menschheit gefährdet

Seite 3: Woher kommt das Geld für den neuen Rüstungswettlauf?

Die dritte prinzipielle Frage ist, welchen Effekt die zusätzlichen dreistelligen Milliardenbeträge für das Militär auf die Bewältigung der zweiten großen Bedrohung für unser Überleben, nämlich der Klimakatastrophe haben werden. Wo wird dieses Geld herkommen und wem wird es am Ende fehlen?

Der US-Ökonom Robert Pollin hat den bisher umfassendsten Vorschlag für einen Green New Deal vorgelegt, mit dem das nahende Klimachaos noch abgewendet werden könnte. Es beinhaltet Investitionen in den ökologischen Umbau in Höhe von 4,5 Billionen Dollar pro Jahr, die von den Hauptverursachern der Klimakrise aufgebracht werden müssen. Das entspricht etwa 2,5 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung.

Andere Berechnungen, etwa von Jeffrey Sachs, kommen auf ähnliche Größenordnungen. Der aktuelle Militarisierungsschub beeinträchtigt die Möglichkeit dieser Investitionen erheblich und rückt uns daher weiter an die Mitternacht heran.

Statt in den ökologischen Generalumbau, für den wir nur noch ein Jahrzehnt Zeit haben, wird das Geld in den klimaschädlichsten aller Wirtschaftssektoren gesteckt. Das US-Militär ist bereits heute der größte Emittent von Treibhausgasen weltweit.

Wir können es uns schlichtweg nicht leisten, für einen mehr als fragwürdigen Gewinn an Sicherheit unsere Ressourcen in eine weitere Militarisierung zu kanalisieren.

Anstelle von blinder Aufrüstung müssen als Antwort auf die existentielle Doppelkrise andere, intelligentere Wege beschritten werden. Wie Bill McKibben, der Gründer der Klimabewegung 350.org, treffend bemerkte, brauchen wir als Reaktion auf Putins Krieg eine Großoffensive der erneuerbaren Energien und des ökologischen Umbaus, um von genau jenem Erdöl und Erdgas wegzukommen, dass autoritäre Regierungen rund um den Erdball alimentiert und Kriege anheizt.

Dezentrale erneuerbare Energien machen auch ökonomisch weit weniger verwundbar als die derzeitige Abhängigkeit von Gas und Öl.

Was die Lage in der Ukraine betrifft, so geht es in der kurzen Frist darum, dass EU und Bundesregierung Bemühungen für die Vermittlung eines Waffenstillstandes aufnehmen, denn das ist das Einzige, was der ukrainischen Bevölkerung helfen kann.

Dies aber kann nur gelingen, wenn die westlichen Staaten sich nicht durch fortgesetzte Waffenlieferungen in das Kriegsgebiet selbst zur Konfliktpartei machen. Mittel- und langfristig führt kein Weg daran vorbei, eine grundlegend neue Sicherheitsarchitektur für Europa zu entwickeln, und zwar mit allen Beteiligten, so schwer das seit dem russischen Angriffskrieg auch geworden ist.

Das außenpolitische Vermächtnis von Willy Brandt und sogar von Helmut Kohl ("Frieden schaffen mit immer weniger Waffen") kann selbst in finsteren Zeiten wie den heutigen noch als Richtschnur dienen.

Brandts Überlegung war damals einfach: Die Frage ist nicht, was wir von der Regierung im Kreml halten, ob wir ihre Handlungen gutheißen oder verurteilen. Selbst wenn wir meinen, dass dort die Inkarnation des Bösen sitzt, geht es noch immer darum, angesichts der Gefahr eines Atomkrieges unser Überleben zu sichern und zugleich konkrete Erleichterungen für die Menschen zu erreichen. Es geht um mehr, als nur um Rechthaben. Es geht um einen Realismus des Überlebens.