"Wir zahlen nicht für Eure Kriege": Am Nerv der Zeit und doch kein großer Wurf
- "Wir zahlen nicht für Eure Kriege": Am Nerv der Zeit und doch kein großer Wurf
- Rüstungskonzerne stilllegen – mit russischen Oppositionellen?
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Eine Demonstration und eine weitere Veranstaltung in Berlin werfen Fragen auf.
Spätestens im Winter könnten in Deutschland die Energiepreise in noch unbekannte Höhen schnellen. Darauf werden die Bürger jetzt schon mal vorbereitet. Da hat der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller im Deutschlandfunk alle Haus- und Wohnungsbesitzer aufgerufen, ihre Gas-Brennwertkessel und Heizkörper rasch zu überprüfen und effizient einstellen zu lassen. Eine Wartung könne den Gasverbrauch um zehn bis 15 Prozent senken.
Das müsse jetzt passieren und nicht erst im Herbst, mahnte Müller. Auch solle in den Familien bereits jetzt darüber gesprochen werden, ob im Winter in jedem Raum die gewohnte Temperatur eingestellt sein müsse oder ob es in manchen auch etwas kälter sein könne.
Da werden wir auf einen kalten Kriegswinter eingestimmt. Denn der Gasmangel ist nicht naturgegeben, sondern eine Folge der Politik der Bundesregierung, die den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine nutzte, um eine Umorientierung der deutschen Russlandpolitik voranzutreiben. Dabei war der russische Einmarsch nur ein Aufhänger. Spätestens seit 2014, als sich mit den Maidan-Unruhen die prodeutschen Nationalisten in der Ukraine durchsetzen, gehörten die Grünen zu den vehementen Unterstützern dieser Entwicklung.
Es ist also nicht verwunderlich, wenn eine wesentlich von den Grünen geprägte Bundesregierung die Totalabkoppelung von Russland bewerkstelligt. Gasmangel und die Folgen sind eingepreist. Langsam beginnen die einkommensarmen Menschen in Deutschland zu registrieren, dass sie – wie immer bei Kriegen zwischen zwei kapitalistischen Ländern – die Zeche zahlen müssen.
Da müsste eigentlich eine Demonstration unter dem Motto "Wir zahlen nicht für Eure Kriege" auf Resonanz stoßen. Dafür waren die knapp 3000 Menschen, die sich am Samstagnachmittag in der Mitte Berlins zu der bundesweiten (!) Demonstration trafen, allerdings keine große Masse.
Tatsächlich waren es vor allem Gruppen aus sämtlichen Spektren der deutschen Friedensbewegung, die zu der Demonstration mobilisiert hatten. Neben verschiedenen sozialistischen und kommunistischen Gruppen zählten auch pazifistische Organisationen zu den Aufrufern. Allerdings erzeugten Transparente mit der Aufschrift "Hände weg von Russland", die am Bebelplatz, wo die Demonstration startete, auf dem Boden lagen, ein falsches Bild. Da wird natürlich das Klischee der Russland-Freunde und "Putin-Versteher" kräftig bedient.
In den Redebeiträgen auf der Auftakt- und Abschlusskundgebung ging es nicht darum, Russland zu verteidigen. Verschiedene Rednerinnen und Redner wandten sich gegen Russland und die Nato gleichermaßen.
Gewerkschafter gegen Kapitalismus und Krieg
Besonders hervorzuheben waren die Reden von Gewerkschaftern. Schon auf der Auftaktkundgebung wies eine Rednerin auf die Erfolgsgeschichte der Bremer Rüstungskonversion hin. Dabei geht es um Modelle, wie an den gleichen Arbeitsplätzen zivile Güter statt Waffen produziert werden können.
Auf der Abschlusskundgebung, vor in der Sommerhitze deutlich geschrumpften Publikum, sprachen dann noch Basisgewerkschafter aus Griechenland und Italien, die in den letzten Wochen durch Streiks Rüstungstransporte für mehrere Tage behindert hatten. Die Gruppe der griechischen Gewerkschafter, zu denen auch Hafenarbeiter aus Piräus gehörten, riefen dazu auf, den Kampf gegen Kriege von Seiten Russlands und der Nato sowie gegen autoritäre Staatspolitik – ob in Russland, der Ukraine oder Griechenland – zu verbinden.
Stimmen gegen den Krieg, aber nicht gegen die Nato
Dazu hätte eigentlich eine Veranstaltung unter dem Titel "Wider den Krieg – linke Stimmen aus Russland, der Ukraine und Belorussland" gut passen können.
Organisiert wurde sie die von der Interventionistischen Linken am Samstagnachmittag im Berliner Haus der Demokratie. Tatsächlich gibt es ja diesen Ländern viele Beispiele für eine praktische Sabotage des russischen Krieges, die mit dafür verantwortlich war, dass der riesige Panzer-Konvoi, der zu Kriegsbeginn der Ukraine zu sehen war, nicht vorwärts kam. Hier wurde die Parole "Zucker in den Tank - überall" umgesetzt.
Gruppen aus Belarus berichteten auch über praktische Sabotage an den Schienen, mit denen die Transporte behindert worden waren. Hierin hatten sich auch belorussische Eisenbahner beteiligt.
Hier ergäbe sich doch eine gute Kooperation mit einer Antikriegsbewegung, wie sie auch auf der Demonstration "Wir zahlen nicht für Eure Kriege" aufgetreten ist. Doch vor allem die Oppositionellen aus Russland kamen eher aus dem Umfeld der liberalen Opposition, was sich unter Anderem darin ausdrückte, dass sie Druck auf internationale Konzerne ausübe wollen, sich für eine klare Antikriegsposition in Russland auszusprechen, aber nicht die Konzerne grundsätzlich infrage stellen.
Nun könnte man wohlwollend annehmen, die russischen Gruppen machen hier ähnliches wie die Kampagne Rheinmetall Entwaffnen, die ja auch Druck auf deutsche Rüstungskonzerne ausübt, damit sie Rüstungsexporte und Waffenlieferungen überhaupt einstellen.
Allerdings wird diese wohlwollende Lesart stark strapaziert, wenn ein anderer Vertreter der russischen Opposition es als positives Szenario bezeichnet, wenn russische IT-Beschäftigte ihr Land verlassen und im EU-Raum Jobs suchen. Was aber wäre gewonnen, wenn sie ihre Dienste nun Konzernen wie Rheinmetall anbieten, deren Produkte auch schon mal in der Türkei oder Saudi-Arabien landen?
Müsste sich diese Frage nicht eine Organisation wie die Interventionistische Linke stellen, die schließlich seit Jahren Teil der Kampagne Rheinmetall Entwaffnen ist?
Die Veranstalter hielten sich allerdings in ihren Positionen zurück, als von einigen der oppositionellen russischen Vertreter der Kolonialdiskurs auf Russland übertragen wurde. Russland wird als eine Kolonialmacht gesehen. Deshalb werden auch bestimmte separatistische Bewegungen, beispielsweise in Sibirien, recht positiv gesehen, obwohl den Rednern auch nicht entgangen ist, dass sich dort nationalistische Strömungen durchsetzen.
Dass ist allerdings nicht verwunderlich, weil diese separatistischen Bestrebungen in der Regel nur ihren eigenen Nationalstaat errichten wollen. Was aber aus einer emanzipatorischen Perspektive gewonnen ist, wenn dann noch mehr Nationalstaaten sich feindlich gegenüberstehen und die Arbeiter in den Ländern diese Nationalisierung mitmachen, wurde nicht kritisch diskutiert.
Die russischen Oppositionellen begründeten ihre Vorliebe für diesen Separatismus damit, dass damit der Nationalstaat Russland geschwächt würde. Dabei hat sich geschichtlich schon oft gezeigt, dass kleine Nationalstaaten nicht weniger repressiv und nationalistisch sein können.
Zudem sollte auch in Deutschland bedacht werden, dass es seit dem Ersten Weltkrieg zu den Strategien des deutschen Imperialismus gehört, Russland in viele kleine Nationalstaaten aufzulösen. Auch nach den endgültigen Scheitern des Griffs des deutschen Faschismus nach Russland nach der Niederlage im Zweiten Weltkrieg gaben rechte Gruppen das Ziel nicht auf, Russland wie eine Zwiebel zu schälen.
Dazu musste das System von Jalta zerstört werden, damit war die von den Alliierten der Anti-Hitler-Koalition errichtete europäische Nachkriegsordnung gemeint. Nun müssen die russischen Oppositionellen, die sich für eine Entkolonisierung Russlands aussprechen, über diese Pläne des deutschen Imperialismus nichts wissen.