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Ein in unterschiedlichen extremen Lebensbedingungen lebendes Bakterium könnte für die Erschließung des Weltraums durch Menschen von Bedeutung sein

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Während sich die für Astrobiologie zuständige Forschungsgruppe der NASA mit photosynthetischen Bakterienkolonien beschäftigen will, die Stromatoliten hinterlassen, eine der ersten fossilen Zeugnisse des Lebens und von Ökosystemen auf der Erde, um daraus Hinweise zu erhalten, wie und wo man auf anderen Planeten nach solchen Mikroorganismen suchen soll, hat sich der Biologe Robert Richmond vom Marshall Space Flight Center für seine Forschung eine Bakterienart mit einzigartigen Fähigkeiten ausgesucht, die möglicherweise einmal zu Begleitern von Astronauten oder gar zum Terraforming anderer Planeten eingesetzt werden könnte.

Aufnahme eines im antarktischen Eis gefundenen Bakteriums, Foto: John C. Priscu et al.

Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass Wissenschaftler von der Montana University und der University of Hawaii im antarktischen Eis in 3600 Meter Tiefe, knapp über dem noch immer von der übrigen Biosphäre abgeschlossenen See Vostok, Bakterien gefunden wurden. Feststellen konnten die Wissenschaftler aber noch nicht, ob die Bakterien noch leben. Man vermutet, dass man in dem See weitere und ältere Bakterien entdecken könnte, die wiederum Hinweise auf Mikroorganismen liefern könnten, die möglicherweise in den Eisschichten auf dem Mars oder auf anderen Planeten unter extremen Bedingungen leben. John C. Priscu von University of Hawaii etwa ist der Meinung, dass die Lebensbedingungen im See Vostok denen des Jupitermondes Europa gleichen.

Robert Richmond hat sich allerdings eine bereits seit längerer Zeit bekannte Bakterienart ausgesucht. Deinococcus radiodurans heißt das Bakterium, das man bereits in den 50er Jahren entdeckt hat, weil es trotz radioaktiver Bestrahlung von Dosenfleisch überlebte, und in Lama- oder Elefantendung, auf Fischen und Enten, in radioaktivem Abfall sowie in trockenen Tälern der Antarktis gefunden wurde. Es ist so zäh, dass es Säure, kalte und heiße Temperaturen, lange Trockenprioden, Vakuum und sogar extrem hohe Strahlungen an Radioaktivität aushalten kann, und wird deshalb auch "Conan das Bakterium" oder "Superbug" genannt. "Deinococcus radiodurans überwindet die meisten der Einschränkungen für das Bestehen von Leben auf dem Mars", meint Richmond. Überdies ist vor kurzem das Genom aus 3,284,156 Basenpaaren des "polyextremophilen Modells für Leben auf dem Mars" vollständig von Wissenschaftlern des Institute for Genomic Research (TIGR) sequenziert worden. Komponenten auf den Chromosomen und Megaplasmiden des Bakteriums, die zur Fähigkeit beitragen, unter Bedingungen der Nahrungsknappheit und des oxidativen Stresses sowie große Schädigungen der DNA zu überleben, wurden dabei identifiziert.

TIGR ist ein nicht-kommerzielles Forschungsinstitut, das Craig Venter, der Gründer von Celera, ins Leben gerufen hat. Ausgestattet mit den schnellsten Sequenzierungsmaschinen hat Venter angekündigt, die Erfassung des menschlichen Genoms eher zustande zu bringen als der internationale Forschungsverband des Human Genome Project. Die Patentierung von Genen und Lizenzen für sequenzierte Genome von Organismen versprechen viel Geld. TIGR verfolgt überdies das Projekt, das für Leben minimale Genom herauszufinden, was es ermöglichen könnte, Mikroorganismen mit gewünschten Eigenschaften künstlich herzustellen.

Genomkreis von Deinococcus radiodurans, TIGR

Sicher sind da die Eigenschaften von Deinococcus radiodurans auch interessant, da sich mit diesen Bakterien radioaktiver Abfall abbauen lassen könnte. Michael J. Daly, der zusammen mit Richmond und R. Sridhar den Artikel "Physico-Chemical Survival Pattern for the Radiophile D. radiodurans: A polyextremophile Model für Life in Mars" verfasst hat, versucht nicht nur Bakterienkulturen zum Abbau von radioaktiven Abfall zu entwickeln, sondern konnte bereits Varianten gentechnisch erzeugen, die in der Lage sind, das hochgiftige Quecksilber abzubauen.

Für den Weltraum ist in erster Linie das Überleben bei hoher radioaktiver Strahlung interessant. Das Bakterium hält eine Bestrahlung von bis 1,5 Millionen rads (radiation absorbed dose) aus, wenn es gekühlt oder gefroren wird sogar 3 Millionen. Eine Bestrahlung zwischen 500 und 1000 Rads ist für Menschen bereits tödlich. Während andere Bakterien in Form von Sporen wahre Überlebenskünstler sind, so bildet Deinococcus radiodurans nicht einmal solche aus, sondern ist in der Lage, seine DNA wieder zusammenzubauen, auch wenn sie in Hunderte von Fragmenten durch radioaktive Bestrahlung zerfallen ist. Der Grund für diese einzigartige Fähigkeit besteht offenbar in der Redundanz seines genetischen Codes, so dass eine Beschädigung an einer Stelle schnell erkannt und repariert werden kann. Genau diese Eigenschaft könnte das Bakterium auch in die Lage versetzen, auf dem Mars oder anderswo zu überleben.

Richmond meint, dass die Geschichte des Bakteriums möglicherweise soweit in die Frühzeit des Lebens zurückreicht, dass die Lebensbedingungen von Erde und Mars damals noch ähnlich waren und es vielleicht auf beiden Planeten existiert hatte. Zumindest könnte man es in Simulationen der Lebensbedingungen auf dem Mars als Stellvertreter für mögliche Marsbakterien benutzen, um herauszufinden, wo existierende oder frühere Mikroorganismen am ehesten zu finden sein sollten. Damit ließen sich Landefahrzeuge gezielter am Mars absetzen: "Wir sind im Augenblick bei der Suche nach Leben noch auf irdische Mikroorganismen beschränkt", erklärt Richmond das Vorhaben. "Wir müssen fragen, welche Hindernisse diese Mikroben überwinden müssen, um aller Wahrscheinlichkeit nach auf anderen Planeten leben zu können."

Doch natürlich könnte es sein, dass es niemals Leben auf dem Mars gegeben hat oder dass keine Mikroorganismen überlebt haben. Daher könnte der Superbug auch als unempfindlicher Begleiter von Menschen bei langen Raumfahrten oder in Raumkolonien eine Rolle spielen, indem man ihn gentechnisch so verändert, dass er beispielsweise benötigte Medikamente herstellt. Man würde die Bakterien einfach in eingefrorenem Zustand mit sich führen und sie bei Bedarf auftauen, so dass man nur kleine Mengen an Medikamenten für den Beginn der Behandlung benötigt oder deren beschränkte Haltbarkeitsdauer dank der unverwüstlichen Mikrobenhelfer umgeht.

Doch die Fantasie des NASA-Forschers geht natürlich noch weiter. Andere gentechnisch hergestellte Varianten von D. radiodurans könnten etwa auf dem Mars die Abfälle der Kolonisten recyceln, also wieder Wasser und Sauerstoff daraus gewinnen. Sie könnten aber auch dazu dienen, aus dem Mars Nahrung herzustellen oder letztlich die Marsatmosphäre zu einer für Menschen bewohnbaren Lebenswelt umzugestalten, wie dies die Bakterien auf der Erde auch schon gemacht haben. Das freilich könnte ein wenig dauern und die Geduld der Menschen überfordern, wenn sie ein paar Hundert Millionen oder gar einige Milliarden Jahre auf das Terraforming des Mars warten müssen. Doch die NASA denkt eben weit voraus ...