Wo ist Stempel?

Die deutsche minute is länger als die angelsäxische, dafür haben die deutschen flughäfen exklusiv für afrikaner! Foto: Zé do Rock

Erste Erfahrungen eines Brasilianers bei der Einreise in Deutschland - in basisdemokratischem Deutsch.

Heute werd ich von meinen ersten erfahrungen in Deutschland schreiben. Geschrieben is es auf wunschdeutsch: ich hab 20.000 zuschauer in meinen showlesungen über rechtschreibänderungen abstimmen lassen, und daraus ein basisdemokratisches deutsch kreiert.

So würden die leute schreiben, wenn sie wüssten, dass sie schreiben dürfen, wie sie schreiben möchten. Aber heute nur ein bisschen davon: kleinschreibung der substantive, umgangssprachliche formen wie 'is' und 'nix', auch X für CHS, also "Der fux wux mit dem lux in der kleinen büxe auf". Ausserdem werden wir die überflüssigen buchstaben los, erstmal nur A: Ich kaufte ein par ale im groszen sal, die waren vom stat subventioniert.

Natürlich gibt es auch kritik, leute die sagen, ohne groszschreibung der substantive kann man nich mehr unterscheiden, zum beispiel zwischen "Helft den armen Vögeln" und "Helft den Armen vögeln". Aber der sinn is doch klar: wenn man sieht, wie sich die bevölkerung in der Dritten Welt vermehrt, weiss man doch, dass die keine hilfe beim vögeln brauchen.

Wer versteen will, warum ich so anders shreib, kann das beim ersten artikel erfaren. Beim zweiten Artikel get es weider mid den deitshen in Brasilien.

Von Brasilien durch Südamerika nach Nordamerika geträmpt, nach England im standby geflogen, über den kanal nach Frankreich, dann Belgien. Da nimmt uns - meine damalige frau und mich - ein italiener mit in seinem auto.

Wir sprechen über die deutschen, er is von ihnen fasziniert, wenn auch nich in jeder hinsicht positiv. Dann kommen wir nach Köln, zum ersten mal in Deutschland. Er muss rechts wir müssen links, er bleibt stehen, ein bisschen rein ins gras neben der landstrasze, das auto steht ein bisschen scheps da, wir verabschieden uns, aber die autos hinter uns umfahren nich sein auto sondern bleiben stehen und hupen. Der italiener is ausser sich: Tedeschi di merda! Va fan culo!!

Wenn ihr das italienische nich verstanden habt - er hat die deutschen nich gelobt. Jedenfalls laufen wir ein par hundert meter und kommen zu einer bushaltestelle, endstation. Wir steigen ein, der fahrer liest majestätisch die zeitung, wir setzen uns hin. Also der fahrer kassiert nich, vielleicht gibt es einen schaffner?

Und dann lesen wir: Bitte entwerten Sie Ihre Fahrkarte. Unser deutscher wortschatz is nich grosz, aber 'wert' verstehen wir, und 'ent' hat was mit wegnehmen, oder? Den wert von einer fahrkarte wegnehmen? Aber wir haben keine fahrkarte, und wenn wir eine hätten, würden wir uns doch davor hüten, ihr den wert wegzunehmen, solange wir noch fahren!

Dann macht sich der fahrer daran, den bus zu starten, als müsste er ein jumbojet in die luft bringen. Ja, das problem mit dem ticket is noch nich gelöst, die leute steigen ein und setzen sich hin, aber von zahlen, niente! Sind die alle gute freunde vom fahrer? Oder is das das Schlaraffenland wo man nix zahlen muss?

Mittendrin fährt der bus in eine garage, der fahrer steigt aus, ein anderer kommt, sie unterhalten sich, und wir denken: Wahrscheinlich erzählt jetz der eine fahrer dem neuen, dass wir noch nich gezahlt haben!

Der neue fahrer steigt ein, fährt los, und es gibt weiterhin keine anzeichen dass der fahrer geld von uns möchte. Wir kommen zum Hauptbahnhof, alle steigen aus, wir wissen aber nich: vielleicht is das ein hinterhalt? Wir steigen aus und die versteckten polizisten nehmen uns sofort fest? Nein, nein, das riskieren wir nich, wir gehen zum fahrer und stellen uns:

"Wir haben nich bezahlt."
"Ach so?", sagt der fahrer, "dann zahlt halt das näxte mal".
Ha - lustig, die deutschen!

Klingt etwas naiv, das ganze, aber wir hatten gehört, wenn man in Deutschland auf die strasze spuckt, taucht sofort ein polizist aus einem gulli auf und verpasst einem eine astronomische geldstrafe. OK, man muss nich alles glauben, aber wo so viel rauch...

Geld nix mehr

Wir sind mehr als 6 monate unterwegs, wir müssen jobben. In Hamburg lebt ein freund von einem freund, da fahren wir hin, auf dem weg nimmt uns ein fahrer mit, der meint, die kölner sind langweiler und die hamburger volle kanne gut drauf.

Der hamburger freund kann nich helfen und war nich volle kanne gut drauf, wir fahren zurück nach Köln, der fahrer, der uns mitnimmt, meint, die hamburger sind langweiler und die kölner volle kanne gut drauf. Ja was jetz?

In Köln gehen wir zum Arbeitsamt und fragen, ob sie arbeit für uns haben. Die fragen, ob wir eine aufenthaltserlaubnis haben. Eine auf- was? Aufenthaltserlaubnis. Nein, wir haben ja nix...

Dann müssen wir sie beantragen, aber die chancen stehen nich gut! Ach, weisst du was? Wir fahren nach München, vielleicht wollen die in München keine solche aufdingsbums haben.

Die wollen es aber auch. Moment mal, vielleicht is es das, was man an der grenze kriegt? Die deutschen haben an der belgischen grenze nix reingestempelt! Aber wir können das nachholen: so fahren wir nach Österreich, kommen über eine andere grenze zurück und sagen dem polizisten, wir möchten einen stempel.

Ein einreisestempel? Kriegt ihr da im büro.

Polizist im büro

Der polizist im büro is etwas überfordert. Einen einreisestempel...? Na ja, es müsste einen geben, er fängt an, schubladen aufzumachen, nach stempel zu suchen und auf dem papier zu testen.

Irgendwann findet er den richtigen und stempelt uns den pass. Also so bürokratisch scheint das land doch nich zu sein, wenn der grenzpolizist nich einmal weiss, wo der einreisestempel is. Bürokratisch is allerdings das wort 'aufenthaltserlaubnis': wenn sie einen damit im land bleiben lassen, warum heisst es nich einfach 'bleiblassung'?

Wir fahren zurück nach München, gehen zum beamten am Arbeitsamt und zeigen ihm den stempel. Er sagt: ein einreisestempel is doch keine aufenthaltserlaubnis!

Aber wir haben eine letzte karte im ärmel, die adresse von einer firma, in der mein bruder und seine frau auf ihrer weltreise gearbeitet haben. Wir gehen hin, zeigen unsere internationalen studentenkarten, versprechen, dass wir fleissig sein werden, und dürfen sofort anfangen.

Wir sind zwar keine studenten, haben aber studentenkarten, sogar für die näxten jahre. Weil ein freund von uns in Sao Paulo als informatiker an der Uni arbeitet.

Der freund is chinese. Da sieht man schon: der chinese an sich is ein treuer freund, arbeitet aber oft am rande der legalität. Das is bei uns brasilianern ganz anders.