Zentralbanken mit steigender Inflationstoleranz

Seite 2: Zweitrundeneffekte und Verteilungskämpfe

In ihrem Bestreben, Einkommensverluste möglichst zu vermeiden, haben die Unternehmen überall Zweitrundeneffekte ausgelöst. Sie beruhen auf Verteilungskämpfen, wie der Ex-Chefökonom des Internationalen Währungsfonds, Olivier Blanchard, kürzlich auf Twitter kommentierte.

Diese Preisrunden werden geführt, um steigende Kosten auf die schwächsten Akteure – seien es Unternehmen, Erwerbstätige oder etwa die Empfänger staatlicher Transferleistungen – abzuwälzen und um die Wohlstandsverluste endgültig bei diesen abzuladen.

Um den Ernst der Lage zu erkennen, muss man sich verdeutlichen, dass es in den gegenwärtigen Verteilungskämpfen nicht nur darum geht, den nur temporär bedingten Anteil des Preisanstiegs auf andere "überzuwälzen". Es geht auch darum Kosten abzuwälzen, die sich nicht wieder zurückbilden und zudem weiter ansteigen.

Denn während beispielsweise Containerfrachtraten oder Preise für Mikrochips wieder in Richtung ihres ursprünglichen Preisniveaus tendieren werden, sobald die zugrundeliegende Güterknappheit überwunden ist, werden die Energiepreise, insbesondere Gas- und Strompreise, zwar aus den gleichen Gründen ihre Spitzenniveaus verlassen, aber dennoch einem dauerhaften Aufwärtstrend unterworfen bleiben.

Energiekostendruck wird bleiben

Dieser Energiekostendruck wird bleiben, denn die zur Verfolgung der ökologischen Klimapolitik betriebene Energieeinsparung und der Ausbau der Erneuerbaren Energien verursachen steigende Kosten, dazu ist man auf die zunehmende Nutzung von teurem LNG-Gas angewiesen sowie auf die Zurückdrängung der billigen fossilen Rohstoffe sowie der Atomkraft.

Zwar ist Deutschland wegen seiner Abhängigkeit von Erdgas in besonderem Maß betroffen, die von der Klimapolitik in den entwickelten Volkswirtschaften ausgehende "Greenflation" und "Fossilflation" wirken sich auch global aus.

So haben Corona- und Energiekrise, indem sie Güterknappheit bei hoher Nachfrage hergestellt haben und den Anbietern dieser Güter eine starke Marktposition verschafft haben, als Auslöser gedient, um den vor allem in Deutschland und Europa schon länger wirkenden Kostendruck infolge der ökologischen Klimapolitik, im Zuge allgemeiner Preiserhöhungen ebenfalls zu überwälzen und diesen Verteilungskampf zu beginnen.

Erst am Ende vieler und vielleicht nie endender Preisrunden wird sich klären, wer die Last vor allem der dauerhaft hohen Energiepreise tragen wird. Dieser Verteilungskampf kann dazu führen, dass die Inflation nicht wieder verschwindet, sondern dass sie sogar in eine Aufwärtsspirale mündet.

Dies wäre der Fall, wenn es allen Akteuren gelingt, mit erneuten Preis- oder Lohnerhöhungen mehr oder weniger erfolgreich gegen Einkommensverluste anzukämpfen.