Zu wenig Regen und Systemversagen

Seite 2: Keine Versöhnung

Zwischen Garzweiler und Erftstadt liegt der Tagebau Hambach und in dessen Nachbarschaft das Dorf Manheim. Das sollte ebenfalls einst der Braunkohle weichen und ist bereits weitgehend von RWE aufgekauft.

Auch dort soll die Braunkohle im Boden bleiben, doch RWE will das Zerstörungswerk dennoch fortsetzen. Dieser Tage wurden dort die Allebäume an der K53 gefällt, wie das Bündnis "Alle Dörfer bleiben" auf Twitter schreibt. Der Konzern will offensichtlich noch den dort abbaubaren Kies vermarkten. Außerdem soll unter Manheim Boden abgetragen werden, um mit diesen die Hänge im Tagebau Hambach abzuflachen und zu sichern.

Der Hambacher Forst, der nach langem Streit nun eigentlich erhalten bleiben soll, wird dann von drei Seiten von Gruben eingerahmt sein. Um diese zu stabilisieren, muss das Grundwasser in der Nachbarschaft abgepumpt werden. Eher unwahrscheinlich, dass der alte Wald das überstehen wird. Bei RWE scheint man offensichtlich kein Interesse an einem Ausgleich mit seinen Nachbarn und der Klimabewegung zu haben. Die wöchentliche Mahnwache vor der RWE-Zentrale in Essen wird also vermutlich noch eine Weile weitergehen.

Keine Rechtsgrundlage

Auf der anderen Seite scheinen auch staatliche Stellen eher auf Konfrontation zu setzen. Das hatte sich schon im besonderen Maße 2018 bei dem wochenlangen Polizeieinsatz zur Räumung des Hambacher Forstes gezeigt, der im Nachhinein von Gerichten als illegal erklärt wurde. Auf Krautreporter.de hat Rico Grimm in einer lesenswerten Reportage ein Bild von der massiven Polizeigewalt gezeichnet, denen Aktivistinnen und Aktivisten mitunter ausgesetzt sind.

Von tagelangem Freiheitsentzugs wegen eines Transparentes während der Automobilausstellung im September in München, von Platzverweisen, von "Gefährderansprachen", von hartem Vorgehen bei harmlosen Sitzblockaden.

Manchmal bekommen Betroffene sehr viel später vor Gericht recht, manchmal wird auch, wie im Hambacher Forst, einem sehr gewaltsamen Polizeieinsatz irgendwann, wenn alles längst vorbei ist, von Gerichten attestiert, dass ihm jegliche rechtliche Grundlage fehlte. Doch immer ohne Folgen für die uniformierten Gewalttäter oder die Minister, die die Einsätze veranlassten.

Und Justizia wir bemüht. Die Hessenschau berichtet, dass in der ganzen Republik derzeit die Gerichte gegen Aktive der Umweltbewegung bemüht werden, die im vergangenen Jahr an der Besetzung des Dannenröder Forsts beteiligt gewesen waren.

Der war wegen der dort geplanten Verlängerung der Autobahn A49 von Klimaschützern mit Unterstützung eines Teils der örtlichen Bevölkerung durch Baumhäuser und ähnliches in Beschlag genommen worden. Ab Anfang Oktober 2020 ließ Hessens Grüner Verkehrsministers Tarek Al-Wazir räumen. Telepolis berichtete mehrfach.

Kein Erbarmen

Seitdem sitzt eine der Besetzerinnen in Haft. Sie soll, als man sie in 15 Metern Höhe aus einem Baumhaus zog, nach einem Beamten getreten haben. Andere Klimaschützer sprechen von einem lebensgefährlichen Polizeieinsatz, bei dem wenig Rücksicht auf ihre Sicherheit genommen wurde. Da sie nicht ihre Identität preisgibt – von ihren Freundinnen und Freunden wird sie Ella genannt – sitzt sie seit etwas mehr als einem Jahr in der Justizvollzugsanstalt Preungesheim ein. Im Juni wurde sie in erster Instanz zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt.

Im Januar 2022 findet vor dem Landgericht Gießen die Verhandlung der zweiten Instanz statt. Der Polizeibeamte, der bei der gleichen, sich über mehrere Wochen hinziehenden Räumung im Dannenröder Wald ein Seil durchtrennte, woraufhin eine Aktivistin abstürzte und sich lebensgefährlich verletzte, ist hingegen weiter auf freiem Fuß. Die Ermittlungen gegen ihn laufen noch.

Kein Interesse

Doch es wurde den Grünen nicht gedankt. Alles Heulen mit den Wölfen nichts genützt. Da hat Al-Wazir letztes Jahr gezeigt, dass man verkehrspolitisch zu allem bereit ist. Selbst den Autobahnbau gegen Teile der eigenen Klientel mit massiver Polizeigewalt durchzusetzen. Trotzdem hat man das Bundesverkehrsministerium in Berlin der FDP überlassen müssen.

Oder hat man es gar so gewollt? Weil das Außenministerium wichtiger ist, weil man da am geopolitischen Rad drehen und den bösen Chinesen drohen kann?

Jedenfalls übernimmt nun mit Volker Wissing ein FDP-Mann das Verkehrsministerium, der sich selbst zum Anwalt der Autofahrer erklärt und ein Bayerischer Automobilhersteller, der einst für den Krieg der Nazis Flugzeuge von KZ-Häftlingen bauen ließ, feiert das mit dem Konzept eines elektrisch betriebenen Panzers für den Krieg auf unseren Straßen.

Keine Rücksicht

Wissings Auto-Partei hatte schon in den Sondierungsgesprächen das Nein zum Tempolimit zur Bedingung der Koalition gemacht. Gibt ja auch angesichts von Pandemie und Klimakrise nichts wichtigeres, als sich ein derartiges Thema zur roten Linie zu machen.

Nicht einmal zeitweise werden wir ein Tempolimit bekommen. Dabei sind die Krankenhäuser und vor allem die Intensivstationen inzwischen rappel dicke voll.

Die Chefärzte der Berliner Kliniken haben gerade einen Aufruf veröffentlicht, doch bitte im Augenblick Extremsport und gefährlichen Drogenkonsum lieber sein zu lassen. Im Straßenverkehr bitten sie uns, besonders vorsichtig zu sein.

Aber nein, die Meine-Freiheit-geht-über-alles-auch-über-deine-Freiheit-Partei sorgt dafür, dass es keine Entlastung gibt, dass also nicht per Tempolimit die Zahl der Unfallopfer gedrückt wird. Sind ja schließlich noch ein oder zwei Intensivbetten irgendwo im Land frei, wohin die Verletzten dann von der Bundeswehr geflogen werden können.

Zu wenig Kohle

Zum Schluss aber noch die gute Nachricht der Woche: In den USA hat die Öl- und Gasbranche Schwierigkeiten, genug Leute zu finden. Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters wurden zu Beginn der Corona-Pandemie Zehntausende entlassen, um Kosten zu sparen. Doch nun seien viele nicht bereit, sich wieder anheuern zu lassen.

Der Grund könnte darin liegen, dass sich anderswo, nicht zuletzt bei den erneuerbaren Energieträgern mehr Geld verdienen lässt. Das legen Gehaltsstatistiken des privaten Arbeitskräfte-Vermittlers Brunel nahe, die die Agentur veröffentlicht.

Außerdem hätten Brunels Umfragen in der Branche ergeben, dass mehr als die Hälfte der Beschäftigten Interesse hat, zu den sauberen Energieträgern zu wechseln. Kein Wunder: In der Solarbranche lassen sich durchschnittlich 11.000 US-Dollar mehr im Jahr verdienen, bei der Windenergie sind es sogar 17.000 US-Dollar mehr.

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