eBay spielt Monopoly
Weltweit größtes Online-Auktionshaus kündigt Gebührenerhöhung bis zu 100 Prozent an
Es gab mal eine Zeit, da lebten auf der Welt nur Jäger und Sammler. Bis einige keine Lust mehr hatten auf die ewige Lauferei, sesshaft wurden und sich auf Ackerbau und Viehzucht verlegten. Am Ende hatten sie das ganze Land besetzt, und die Jäger und Sammler rieben sich die Augen. Denn wenn sie mit den Sesshaften Handel treiben wollten, mussten sie deren Konditionen akzeptieren. Plötzlich war da ein Marktplatz, und wer dort einen Stand haben wollte, musste zahlen.
Im WorldWideWeb lief die Sache ganz ähnlich: da witterten ein paar amerikanische Jäger und Sammler, die alle fleamarkets, swap meets und garage sales in Kalifornien abgegrast hatten, im Web den größten Flohmarkt aller Zeiten und gründeten ein Online-Auktionshaus, das sie eBay nannten. Jeder, der wollte, durfte kaufen und verkaufen, vom PEZ-Spender bis zum Auto, und alles, was eBay verlangte, waren ein paar Prozent Provision.
Aber es blieb nicht bei den Prozenten. Sobald das Geschäft in Gang gekommen war, mussten die Verkäufer für jeden Artikel eine kleine Gebühr bezahlen. Das war zwar nicht schön, aber weil der Online-Handel bald mehr abwarf als jeder Flohmarkt, schluckten sie die so genannten Einstellgebühren.
Heute ist eBay das weltweit größte Online-Auktionshaus mit eigener Aktie und Dependancen in Japan, Italien, Deutschland und anderswo.
Annähernd 23 Millionen Mitglieder weltweit waren Ende 2000 bei eBay registriert. Lagen die Einnahmen im vergangenen Jahr bei 431 Millionen Dollar, rechnet man für 2001 mit 665 Millionen Dollar.
Auch hierzulande ist eBay die Nummer eins. Und als Nummer eins kann eBay die Regeln für die nächste Runde diktieren. Und tatsächlich kündigte die Zentrale vor wenigen Tagen eine Gebührenerhöhung an, die in einigen Bereichen bei einhundert Prozent liegt. Am 1. Februar soll sie in Kraft treten, und wenn man den Drohungen verärgerter Händler glauben darf, dann wird am 31. Januar ein Massenexodus stattfinden.
Einer dieser verärgerten Händler ist ein so genannter Powerseller, der sich auf Grafikkarten spezialisiert hat. Monatlich, so schreibt er in einem der Chatrooms von eBay, zahlt er rund 3900 Mark Auktionsgebühren an eBay. "Nach der Reform", rechnet er vor, "sind es dann wahnsinnige 5730 Mark. Fazit: Wir werden leider eBay verlassen müssen. Bei den geringen Margen im EDV-Bereich bleibt uns keine andere Wahl."
Fragt sich nur, wie die Alternativen aussehen. Es gibt zwar reichlich Nachahmer, aber nirgends laufen die Auktionen so gut wie bei eBay, dem Pionier. Das merkten die User schon damals, vor ziemlich genau einem Jahr, als eBay.de die Einstellgebühren einführte. Ein paar Wochen lang boykottierten einige die Plattform, versuchten ihr Glück anderswo - und kehrten kleinlaut zurück.
Die Kunden nämlich waren bei eBay geblieben. Das Auktionshaus war schlau genug gewesen, die Käufer immer schön außen vor zu lassen. Auch in Zukunft zahlen Käufer offiziell keine Gebühren.
Sicher können Verkäufer versuchen, die eBay-Gebühren auf den Meistbietenden abzuwälzen. Wenn der nicht protestiert. Schließlich fallen auch noch Frachtkosten an, und am Ende ist es billiger, im Fachhandel einzukaufen, wo es wenigstens eine Garantie gibt.
Mehr Qualität und mehr Service, das ist es, was eBay seinen Mitgliedern für die Zukunft verspricht - dasselbe was eBay den Mitgliedern damals vor einem Jahr versprochen hatte für ihr Geld, doch davon ist nicht viel zu spüren. Die Seiten sind unübersichtlich wie ehedem oder lassen sich gar nicht erst laden, und wer ein Problem hat mit geknackten Passwörtern oder geplatzten Deals, wird mit Standardmails abgespeist.
Was die vielen kleinen und großen Händler so verletzt und gegen eBay aufbringt - übrigens nennen immer mehr das Auktionshaus, dem sie in Hassliebe verbunden sind, in ihren Chat-Beiträgen nur noch ,ePay' - ist die Überzeugung, dass es letztlich sie selbst waren, die eBay groß und stark gemacht haben.
Weshalb sollte ihnen dasselbe nicht woanders gelingen? Wenn alle gemeinsam zum selben Konkurrenten wechseln, der keine Gebühren verlangt, wäre das Geschäft gesichert und eBay erledigt. Sollte der neue Treffpunkt dann abkassieren wollen, müsste man sich eben nach einem neuen Anbieter umsehen, und so weiter und so weiter.
eHammer.de zum Beispiel widerrief im vergangenen November ganz schnell die neu eingeführten Gebühren, als alle Welt zum kostenlosen Newcomer hood.de flüchtete. Der Retter in der Not mit dem aufmüpfigen Namen geht bereits in die Offensive und garantiert den Abtrünnigen eine Übernahme der bei eBay gesammelten Bewertungspunkte - ein sehr verlockendes Angebot.
Es ist der alte Kampf zwischen Nomaden und Sesshaften. Im Moment sieht es so aus, als sei es eBay gelungen, zumindest aus den Käufern Sesshafte zu machen. Damit wären auch die Verkäufer zum Bleiben verdammt.
Viele, die auf eBay lautstark protestieren, sehen deshalb nur eine Lösung: zum zweitstarken Anbieter wechseln - ob das nun yahoo.de oder offerto.de ist, darüber wird derzeit noch gestritten - und ihn zum Marktführer machen. Das Dumme ist nämlich: wenn man mit jedem und allem auf der Welt handeln will, kann es nur eine Plattform geben.
Der Traum vom Gröfaz, dem größten Flohmarkt aller Zeiten, ist nur als Monopol denkbar. Im 19. Jahrhundert hätte der Staat die Rolle des Monopolisten übernommen und Steuern kassiert. Heute ist es eine weltweit operierende Aktiengesellschaft mit Hauptsitz in den USA. Deshalb empfehlen Zyniker, die an ePay glauben, schleunigst ein paar Aktien zu kaufen und damit die Verluste auszugleichen.