Chef größter Ratingagentur wird nach US-Abstufungen zurückgetreten
Deven Sharma von Standard & Poor's (S&P) geht nur drei Wochen nachdem S&P den USA die Bestnote aberkannt hatte
An einen Zufall glaubt eigentlich niemand. Es ist auffällig, dass Deven Sharma nur drei Wochen nach der Abstufung der Bonitätsnote der USA durch Standard & Poor's (S&P) zurückgetreten ist. Dass die USA von der größten US-Ratingagentur nicht mehr die Bestnote "AAA" erhalten hat, sorgte für größten Unmut bis hinauf zum US-Präsidenten. "Egal, was irgendeine Agentur sagt, wir waren immer und wir werden immer ein 'AAA'-Land sein“, ließ Barack Obama nach der Abstufung Dampf ab.
Als zweiter Schritt folgte, dass plötzlich S&P auch in den USA von allen Seiten unter Druck kam. Der Agentur wurde nun auch aus Regierungskreisen und der Opposition plötzlich Intransparenz vorgeworden, weil niemand wisse, wie die Ratings überhaupt zustande kämen. Was bei absurden Abstufungen bis in die Pleite von souveränen Euroländern kein Problem war, ist plötzlich ein Drama, wenn die USA korrekterweise abgestuft werden. Dabei dürften die USA längst keine Bestnote mehr erhalten. Schließlich haben sie ein enormes Schuldenproblem und mussten die Schuldengrenze von 14,3 Billionen Dollar gerade erneut anheben. Die FED flutet die Geldmärkte immer stärker, weil die Wirtschaft nicht in Gang kommt und ihre massiven strukturellen Probleme kommt das Land auch nicht in den Griff.
Doch plötzlich begann nun auch das US-Justizministerium Ermittlungen aufzunehmen, wie es sie schon in einigen europäischen Ländern gibt. Die Agentur habe falsche Urteile gefällt, um eigenen Profit zu machen. Dabei ist es ein altbekanntes Problem, dass die Ratingagenturen Böcke und Gärtner zugleich sind. Sie basteln mit Banken an Finanzprodukten, die sie nachher mit Bestnote bewerten. Nur ist auffällig, dass das einigen in den USA scheinbar gerade jetzt die Absurdität geleuchtet ist, nachdem die USA um eine läppische Stufe abgestuft wurde. Dass sich die Agentur dabei bei der langfristigen Schuldenprojektion um zwei Billionen Dollar verhauen hat, sagt allerdings viel über die Rechenkünste und den oft absurden Einstufungen aus.
So wird jetzt den Hinweisen nachgegangen, dass sogar im eigenen Haus Analysten von S&P die Ratings von Wertpapieren niedriger einstufen wollten, aber von anderen Managern überstimmt wurden. Schließlich hatte die S&P und andere Agenturen vor der Finanzkrise hypothekenbesicherten Wertpapiere mit Bestnoten bewertet (um vom AAA der Pleitebank Lehman nicht zu sprechen) und darüber Riesenprofite eingestrichen. Durch das "AAA" wurde den Anlegern vorgegaukelt, es handele sich um stabile Anlagen.
Als aber die Blase platzte und der Häusermarkt einbrach, war das plötzlich nur noch Altpapier und die Steuerzahler durften einspringen. Damit hatten die Agenturen einen zentralen Anteil an der Finanzkrise und damit in der Verschuldungskrise, die vor allem aus den Kosten der Banken- und Firmenrettung resultiert .
So drängt sich der Verdacht geradezu auf, dass Deven Sharma das Bauernopfer ist, um die Wogen wieder zu glätten und wieder zum profitablen Geschäft zurückkehren zu können. Er wird in zwei Wochen seinen Posten räumen, doch bis zum Jahresende soll der gebürtige Inder der Firma weiter als Berater dienen. Ersetzt wird er durch Douglas Peterson, der 25 Jahre bei der Citibank in Führungspositionen tätig ist und zuletzt für das operative Geschäft der Großbank verantwortlich war. Dass die Citibank schwer ins Trudeln kam und teilweise verstaatlicht werden musste, spricht nicht unbedingt dafür, in dieser Bank zu rekrutieren, um S&P aus dem Schlamassel zu führen. Doch das ist wohl auch gar nicht gewollt.
Allerdings soll nach Ansicht von Großaktionären, angeführt vom Hedgefonds Jana Partners, der Medien- und Finanzkonzern in vier Teile zerschlagen werden. Die mageren Wachstumsraten im Medienbereich bremsten das Ratinggeschäft, wird argumentiert. Da man sich also darauf konzentrieren will, wird verständlich, warum man nun versucht, die US-Regierung mit dem Bauernopfer zu besänftigen, damit nicht die Expansion im Ratinggeschäft durch Ermittlungen sogar im Stammland ausgebremst werden. Zur Maskerade gehört auch, dass im Rahmen der Pläne für das Ratinggeschäft eine bekannte Persönlichkeit aus einer Aufsichtsbehörde als Chef bestellt werden soll.