Das Griechenland-Spiel in Berlin
Die Bundesregierung tut nun so, als könnte der griechische Antrag auf Finanzhilfen abgelehnt werden
Es wird immer deutlicher, wie die schwarz-gelbe Regierung versucht, in der Griechenland-Krise Zeit bis nach den Wahlen in Nordrhein-Westfalen zu gewinnen. Während Länder wie Frankreich und Spanien nach dem Antrag auf Finanzhilfen aus Athens schon Gelder freimachen, tut Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble so, als könnte der Antrag auch abgelehnt werden. Berlin ist trotz des Unmuts in der EU bereit, Entscheidungen bis nach den Wahlen am 9. Mai zu verzögern, womit erneut Wasser auf die Mühlen von Spekulanten gespült wird. Genau die hatten der Bundesregierung aber in den letzten Tagen die Zeitplanung zerschossen.
Weil es um Wählerstimmen geht, wird nun das Bild vermittelt, als gäbe es noch eine andere Möglichkeit. Deshalb ist es kein Wunder, in welchem Medium sich Schäuble populistisch ins Zeug legt. "Die Tatsache, dass weder die EU noch die Bundesregierung bisher eine Entscheidung getroffen haben, bedeutet: Sie kann positiv wie negativ ausfallen." Abhängig soll sie davon sein, "ob Griechenland den jetzt eingeschlagenen strikten Sparkurs in den kommenden Jahren fortsetzt." Doch im gleichen Interview erklärt Schäuble, dass Griechenland "in der zweiten Maihälfte" Geld braucht. Bis dahin kann er die Sparbemühungen aber nicht wirklich überprüfen.
Dass es sich lediglich um Wahlkampfrhetorik handelt, wird spätestens dann klar, wenn Schäuble erklärt, er habe darum gebeten, "ein beschleunigtes Gesetzgebungsverfahren einzuleiten". Doch warum sollte der Bundestag beschleunigt darüber entscheiden, ob die Kreditgarantien gegeben werden oder nicht, wenn sie zunächst langfristig geprüft werden sollen? Ohnehin haben Schäuble und die Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Logik gar keine andere Wahl. Schließlich handelt es sich bei der angeblichen Hilfe für Griechenland doch vor allem um einen schlecht getarnten Banken-Bailout.
Profiteure des Rettungspakets sind vor allem die Gläubiger der Hellenen, darunter eben auch deutsche Banken. Und eine alte Bekannte ist in Griechenland ganz besondern engagiert. Die verstaatlichte Münchner Hypo Real Estate (HRE) ist unter den deutschen Instituten am stärksten exponiert. Ihr Engagement beläuft sich auf etwa 10 Milliarden Euro. Da schon die HRE als "systemisch" erklärt wurde, besteht eigentlich kein Zweifel daran, dass Schäuble und Merkel kein Mitglied der Währungsunion in die Pleite abschmieren lassen, weil das unabsehbare Folgen für Banken in Europa und den Euro mit sich bringen würde. Sogar Schäuble ist das klar, deshalb war er einst sogar dagegen, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) bei der Nothilfe Griechenlands mitmischt, weil das dem Euro schadet. Doch vor den Wahlen muss sich Schäuble offenbar dem abstrusen Kurs seiner Chefin unterordnen.
Auch der Koalitionspartner FDP, der bei den Wahlen in Nordrhein-Westfalen sogar an der 5-Prozent-Hürde zu scheitern droht, spielt das Griechenland-Spiel. Während einige in der Partei den Griechen nahe legen, den Euro-Raum zu verlassen, spielt Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle ebenfalls auf Zeit. Angesichts der komplexen Prüfung könne nicht vor Mai mit einer Entscheidung über die Milliardenhilfen gerechnet werden. Dass er damit den 9. Mai meint, braucht eigentlich nicht mehr gesagt zu werden.
Die Sozialdemokraten versuchen im Wahlkampf das Griechenland-Chaos in Berlin genauso für sich zu nutzen, wie die Mobilisierung von Atomkraftgegnern gegen die Atompolitik der Regierung. "Frau Merkel hat die Deutschen belogen und hinters Licht geführt", sagte Sigmar Gabriel. Der SPD-Chef wetterte, noch kürzlich habe Merkel in Brüssel "die Eiserne Kanzlerin gespielt und so getan, als ob sie die deutschen Steuerzahler schützen will". Er tut damit ebenfalls so, als würde den Griechen das Geld geschenkt. Dabei ist das sogar ein Geschäft, weil das Geld mit höheren Zinsen an Griechenland weitergereicht wird, als selbst an den Finanzmärkten dafür bezahlt werden muss. Merkel habe schon damals gewusst, dass Deutschland Griechenland helfen müsse, um den Euro-Raum zu stabilisieren, erklärte Gabriel weiter.