Fessenheim soll nach fatalen Vorgängen abgeschaltet werden
Das Kraftwerk geriet 2014 zeitweise außer Kontrolle und soll nun endlich 2016 abgeschaltet werden
Es brauchte erst die dramatischen Vorgänge im April 2014, damit auch Frankreich zur Einsicht gelangt, dass das älteste Atomkraftwerk im Land abgeschaltet werden muss. Noch "bis Ende 2016" soll die endgültige Abschaltung kommen, kündigte die zuständige Ministerin Emmanuelle Cosse an. Sie versucht die Schließung aber so zu drehen, als würde Hollande damit sein einstiges Wahlversprechen einlösen.
"Der Kalender ist der, den mir der Präsident der Republik mehrmals wiederholt hat, also Ende 2016", sagte Cosse im gemeinsamen Interview mit den Sendern RTL, LCI und der Zeitung Le Figaro. Es ist natürlich nur ein verzweifelter Versuch, die Vorgänge in dem Uraltmeiler zu nutzen. Hollande will vor den Präsidentschaftswahlen so tun, als hielte er ein Wahlversprechen doch noch ein. Dabei hatte er längst eine Rolle rückwärts vollzogen.
Der einst versprochene Kalender war im Rahmen der verwässerten Energiewende, wegen massiver Probleme beim Neubau des Atomkraftwerks Flamanville, längst nicht mehr aktuell. Mit Blick auf die Verzögerungen des angeblich sicheren Europäischen Druckwasserreaktors (EPR) hatte Umweltministerin Ségolène Royal nur angekündigt, dass 2016 die Abschaltung der beiden Meiler in Fessenheim eingeleitet würde. Sie sprach von einem Zeitraum bis 2018, "denn zur Abschaltung von zwei Reaktoren wie in Fessenheim reicht es nicht, einen Schalter umzudrehen".
Was in Deutschland bei einigen alten Meilern nach den drei Kernschmelzen vor fünf Jahren im japanischen Fukushima möglich war, geht in Frankreich in den Pannenreaktoren in Fessenheim offenbar nicht. Vielleicht muss man sie wegen Problemen in den Steuerungen erneut per Notmaßnahme herunterfahren. Denn nur mit der Einleitung von Bor konnte der Reaktor im April 2014 offenbar noch abgeschaltet werden. Die Steuerungen versagten damals, weil das Wasser in nicht geschützten Schaltschränken für Kurzschlüsse gesorgt hatte. Deshalb konnten die Steuerstäbe, da "manövrierunfähig", nicht voll eingefahren werden, um die atomare Kettenreaktion zu stoppen.
Besonders bedenklich ist, dass man sie offenbar nicht einmal mehr in den Kern fallen lassen konnte. Das soll rein mechanisch über die Schwerkraft ablaufen, um eine Reaktorschnellabschaltung zu ermöglichen, die von Stromkreisen unabhängig ist. Damit wird die Kettenreaktion unterbrochen. Da all das offenbar nicht mehr funktionierte, geriet der Meiler außer Kontrolle. Weil die Temperatur unkontrolliert anstieg, wurde zum Bor gegriffen.
Klar wurde, dass auch weitere Sicherheitseinrichtungen nicht funktioniert haben. Es ist schon fast ein Witz, wenn die Chefin der zuständigen Atomkontrolle (ASN) behauptet, es gäbe aus Gründen der Sicherheit keinen Anlass, Fessenheim abzuschalten.
Da die Oberrheinregion von Straßburg, Freiburg bis Basel damit an einem GAU nach Vorbild von Tschernobyl oder Fukushima vorbeigeschrammt ist, steht Frankreich wegen der unhaltbaren Zustände in Fessenheim nicht nur unter dem Druck der eigenen Wähler. Sogar die Bundesregierung hat die Abschaltung gefordert und auch die Schweiz macht Druck, weil es nun sogar den Eidgenossen zu bunt wird.
Die Nationalrätin Maya Graf verfasste am Sonntag eine Interpellation, in der die sofortige Stilllegung von Fessenheim gefordert wird. "Der Bundesrat muss nun intervenieren", verlangte sie. Der müsse, mit deutschen Landesregierungen und der deutschen Bundesregierung, "Prozesse aufsetzen, um unsere nationalen Sicherheitsinteressen bei der französischen Regierung verbindlich durchzusetzen“, forderte Graf.