Glasgow: "Dieser Kampf muss gewonnen werden"
Die UN-Klimakonferenz ist abgeschlossen. Entwicklungsländer und Klimaschützer sind enttäuscht. Der UN-Generalsekretär findet aufrüttelnde Worte
Die UN-Klimakonferenz im schottischen Glasgow ist vorbei. Am Samstagabend wurde nach langem Ringen eine Abschlusserklärung verabschiedet, die wir hier auf Telepolis in den nächsten Tagen näher unter die Lupe nehmen werden.
Um mehr als 24 Stunden war der Zeitplan überzogen worden, so lange wie nie zuvor auf einer UN-Klimakonferenz. Selbst in Kyoto 1997 war das gleichnamige Protokoll mit ein paar Stunden zusätzlicher Verhandlungszeit ausgekommen.
Diese kleine Äußerlichkeit zeigt, wie hart inzwischen verhandelt wird, wie groß der Unwillen ist, länger die Obstruktionen der Erdöl-, Chemie-, Auto-, Stahl- und Kohleindustrien – um nur die wichtigsten zu nennen – zu erdulden, die in den Delegationen vieler reicher Länder und natürlich der OPEC-Staaten mit am Tisch saßen.
Konferenzpräsident Alok Sharma versagte die Stimme, als er das Verhandlungsergebnis verkündete. Er verstehe die tiefe Enttäuschung, die immer wieder von vielen Delegierten der besonders vom Klimawandel bedrohten Länder geäußert worden war.
UN-Generalsekretär António Guterres schrieb auf Twitter eine Botschaft an die Enttäuschten:
„Meine Nachricht an die jungen Menschen, indigenen Gemeinschaften, Frauenrechtlerinnen, an all jene, die beim Klimaschutz vorangehen:
Ich weiß, dass ihr enttäuscht sein mögt. Aber wir kämpfen den Kampf unseres Lebens, und dieser Kampf muss gewonnen werden. Gebt niemals auf. Zieht euch nie zurück. Macht weiter Druck. Ich stehe an eurer Seite.“
António Guterres, UN-Generalsekretär
Eine Welt der Ungerechtigkeit
Die junge Greta Thunberg, schwedische Initiatorin der Fridays-for-Future-Bewegung, brachte es in ihrer wundervoll direkten Art mal wieder auf den Punkt: "COP26 ist vorbei. Hier eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse: Blah, blah, blah." Man solle sich auf einen "Tsunami“ von Geschichten in den Medien einstellen, mit denen das Ergebnis "grün gewaschen", als "gut", als "Fortschritt", als "hoffnungsvoll" oder "Schritt in die richtige Richtung dargestellt" werde.
Für Kathrin Henneberger, Aktivistin aus der Braunkohleregion im Rheinland und seit neuestem Abgeordnete der Grünen im Bundestag, spiegelt das Konferenzergebnis "die Welt wider, in der wir immer noch leben". Eine Welt, die auf Rassismus, Kolonialismus und sozialer Ungerechtigkeit aufbaue.
Sie fühle sich beschämt, dass reiche Länder wie Deutschland den Verhandlungsprozess behindert und nicht auf die Stimmen aus den am meisten von Klimawandel betroffenen Regionen gehört hätten.
Mehr denn je sei sie nach Glasgow überzeugt, dass man nicht warten könnte, bis andere Kompromisse fänden. Die Bewegung für Klimagerechtigkeit müsse noch stärker werden.
Kein Verursacherprinzip
Sie werde weiter für den Erhalt der Dörfer streiten, sich mit der Braunkohleindustrie anlegen und sich verstärkt um das Thema "Loss and Damage“ (Verlust und Schaden) kümmern.
Unter diesem Stichwort kämpfen die ärmsten Länder im Rahmen der Klimaverhandlungen um Unterstützung bei den Schäden, die schon heute durch den Klimawandel angerichtet werden. Die Industriestaaten – auch Deutschland – fassen das Thema nur mit spitzen Fingern an, da sie auf jeden Fall ein Schuldeingeständnis vermeiden wollen.
Die bisher in der Atmosphäre angereicherten Treibhausgase gehen nämlich fast ausschließlich auf ihr Konto. Die Forderung läge nahe, die Verursacher für die angerichteten Schäden zahlen zu lassen. (Deutschland gehört unter den Verursachern auf Platz sechs zu den führenden Nationen.)
Die Entwicklungshilfeorganisation Oxfam spricht in diesem Zusammenhang von einer kolossalen Ungerechtigkeit. Die von der Klimakrise besonders betroffenen, ärmeren Länder des Globalen Südens seien einmal mehr an den Rand gedrängt worden. Ihr Ruf nach Hilfe bei der Bewältigung bei den vom Klimawandel angerichteten Schäden und Zerstörungen sei nahezu unerhört geblieben.
Worum es geht, macht ein Vergleich deutlich: Im Juli hat das deutsche Hochwasserdrama mit den schweren Schäden im Ahrtal und im Rheinland einen wirtschaftlichen Schaden von etwa einem Prozent des hiesigen Bruttoinlandsprodukts angerichtet.
Andern Orts sind die Verhältnisse ganz andere. In Haiti zum Beispiel hatten Zerstörungen durch Naturkatastrophen in den vergangenen Jahren mitunter den Umfang der Wirtschaftsleistung eines ganzen Jahres.
Inbegriffen waren darin, wie 2021 allerdings auch Erdbeben, die natürlich nicht mit dem Klimawandel in Verbindung stehen. Doch die schnelle Abfolge von Erdbeben und verheerenden Hurrikans beuteln das Land im besonderen Maße, und das katastrophale politische und ökonomische Erbe der einstigen Kolonialmacht Frankreich und der Diktatoren stützenden US-Interventionen im 20. Jahrhundert macht die Bewältigung nicht gerade einfacher.