Hongkong: Abwanderung nach Großbritannien

Blick von Kowloon zur Insel Hongkong, 2013. Bild: Ralf Roletschek, CC BY 3.0

Repressivere Stimmung in der autonomen Stadt lässt einen Teil des Mittelstands sein Glück im Ausland suchen

In Hongkong leiden Schulen unter stark rückläufigen Anmeldungen. Die ersten würden schließen, berichtet die in der autonomen südchinesischen Metropole erscheinende South China Morning Post. Eine zweistellige Zahl müsse in diesem Jahr voraussichtlich den Betrieb einstellen.

Neben der geringen Zahl an Geburten, zuletzt statistisch betrachtet 1,378 Geburten pro Frau, und coronabedingten Einschränkungen für Schüler aus der Volksrepublik, die keine Bürgerrechte in Hongkong genießen, sei der Wegzug von Familien für die Lage verantwortlich.

40.000 Familien hätten im vergangenen Jahr die 7,4-Millionen-Stadt verlassen, viele davon offenbar wegen des deutlich repressiveren Klimas. Zuletzt hatten sich Studentenvereine und Gewerkschaften aufgelöst, weil sie unter dem neuen Gesetz für Nationale Sicherheit um das Wohlergehen ihrer Mitglieder und Funktionsträger fürchteten.

Telepolis hatte kürzlich an dieser Stelle über die Probleme der oppositionellen Gewerkschaftsbewegung berichtet. Auf der Webseite der Hongkonger Anwaltsvereinigung findet sich eine längere Darstellung des Gesetzes und der Umstände seiner Verabschiedung.

Insgesamt sollen bisher 90.000 Hongkonger die Stadt verlassen haben, seit das Gesetz im Juni 2020 eingeführt wurde, und der Trend scheint anzuhalten. Vor allem Australien, Kanada und Großbritannien haben trotz Protesten aus Beijing (Peking) die Einreisebedingungen für Hongkonger deutlich erleichtert.

Hongkonger konnten in den ersten zehn Jahren nach der Übergabe der langjährigen britischen Kolonie an China im Jahre 1997 den Status eines British National (Overseas) beantragen, einer Art Staatsbürgerschaft zweiter Klasse.

Rund 350.000 Menschen sollen davon Gebrauch gemacht haben. Andere Quellen sprechen gar von drei Millionen Hongkongern, die einen Anspruch auf diese nachrangige Staatsbürgerschaft haben, die einst eingeführt wurde, um die nichteuropäischen Bewohner britischer Kolonien fernzuhalten.

Der Status erlaubt weder Wahl- noch Niederlassungsrecht, noch haben seine Träger Zugang zur Sozialhilfe. Allerdings haben sie nach den nun verbesserten Regeln einen Anspruch auf ein kostenpflichtiges Visum, mit dem sie sich befristet in Großbritannien aufhalten, diese Frist beliebig erneuern, arbeiten und sich nach fünf Jahren um Staatsbürgerschaft und Niederlassungsrecht bewerben können.

Zusammen mit der notwendigen zusätzlichen Krankenversicherung kostet ein solches Visum für einen Erwachsenen fünf Jahre 3.125 Britische Pfund (rund 3.660 Euro). Die Regelung wurde also nicht für den ärmeren Teil der Hongkonger Bevölkerung geschaffen.

Im Januar rechnete ein Bericht der Nachrichtenagentur Reuters damit, dass diese Abwanderung nach Großbritannien für Hongkong eine 2021 Kapitalflucht in Höhe von 280 Milliarden HK-Dollar (31,3 Milliarden Euro) bedeuten könnte, wenn die erwarteten Immigranten ihre Rentenfonds-Guthaben mitnehmen und ihre Eigentumswohnungen verkaufen.