"Infiltration, Spionage und Aktionen"

Luxemburger Bommeleeër-Prozess untersucht Rolle von Stay Behind

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Roby Biever klang letztes Jahr wie ein eingefleischter Verschwörungstheoretiker, als er erklärte, sei überzeugt davon, dass es Personen gebe, die hohe Ämter bekleideten und genau wüssten, wer was getan habe. Es gebe viele Hinweise, Verschachtelungen und Vorkommnisse, die man sich nicht anders erklären könne, als dass es Menschen gibt, die genau wissen, wer noch hinter den Anschlägen steckt. Der Mann ist immerhin Luxemburger Generalstaatsanwalt. Der Mammutprozess um die Bommeleeër-Anschläge hat das Land verändert, kaum ein Beobachter kommt zu anderen Schlussfolgerungen als Biever.

Gestern nun hätte es am 155. Prozesstag zu einem Showdown vor Gericht kommen können: Biever traf auf den während der Attentate amtierenden Minister für Weinanbau und Armee, Marc Fischbach, der sich von Biever angegriffen fühlte. Sollte tatsächlich die NATO und ihr hochgeheimes Stay Behind-Netzwerk in die rätselhaften pseudoterroristischen Bombenanschläge verwickelt sein, wäre eine Umgehung oberster Militärs schwer vorstellbar. Die Verteidigung der beiden angeklagten Elite-Polizisten sieht die NATO-Geheimeinheit Stay Behind hinter den Anschlägen, der für sein Temperament Bekannte Anwalt Dr. Vogel sprach von einer europaweiten "Gladio-Scheißerei" im Auftrag der Amerikaner, um das Land zu terrorisieren. Doch außer Nettigkeiten bot der Schlagabtausch wenig Neues.

Zum Luxemburger Stay-Behind-Netz, „Plan“ genannt, erklärte ein Ermittler nun vor Gericht Einzelheiten: Die geheime Einheit sei 1957 geplant und 1960 aktiviert worden. Den "Plan" soll der Vater des Geheimdienstchefs Patrick Heck geleitet haben. Aufgabe seien Infiltration, Spionage und Aktionen auf Luxemburger Gebiet gewesen, sowie das Ausschleusen etwa der königlichen Familie im Kriegsfall. Die Mitglieder der paramilitärischen Geheimeinheit wurden nicht aus dem Militär rekrutiert, jedoch auf die Zusammenarbeit mit Spezialeinheiten vorbereitet und unterhielten geheime Waffenlager. Die Organisation sei 1990 aufgelöst worden – wie in Deutschland. Eine Verwicklung von Stay Behind in die Attentate zwischen 1984 und 1986 hielt der Ermittler für abwegig.

Die Rolle Luxemburgs in einem konventionell geführten Krieg zwischen Ost und West wäre von besonderer Bedeutung gewesen. Als Brückenkopf wäre der Flughafen Findel ein wichtiger logistischer Stützpunkt für NATO-Truppenbewegungen gewesen, was in groß angelegten NATO-Übungen trainiert wurde. Der Warschauer Pakt unterhielt umgekehrt eine „Luxemburgische Operationsrichtung“, die das 300 km von der DDR-Grenze entfernte Land innerhalb von 12 Tagen hätte erreichen sollen. Dementsprechend wichtig war daher auch die unkonventionelle Verteidigung durch Stay Behind.

Bei allen berechtigten Fragen nach den Geheimnissen des Kalten Kriegs auch in Luxemburg ist tatsächlich zweifelhaft, ob die eigenartigen Anschläge ins Konzept einer „Strategie der Spannung“ passen. So fehlte es in Luxemburg offensichtlich an einer schlüssigen Inszenierung eines etwa kommunistischen Gegners. Plausibel hingegen erscheint ein eigennütziges Motiv polizeilicher Bombenleger. So rivalisierten in den 1980ern Gendarmerie, Polizei, Geheimdienste und Justiz in Luxemburg miteinander, zudem beklagte man geringe personale und logistische Ausstattung. Letzteres änderte sich, nachdem die Wertschätzung für den Sicherheitsapparat mit den Attentaten zunahm; sogar für Hubschrauber reichte auf einmal die Kasse. Seit es der Luxemburger Polizei gut geht, scheinen sich die Bommeleeër eher dem Bommerlunder gewidmet zu haben.