Klimakrise: SPD will Frackinggas aus den USA
Sozialdemokraten behaupten, bis 2050 klimaneutral sein zu wollen, planen aber zugleich viel Geld für fossile Investitionen auszugeben
Das nennt sich Timing. Am Wochenende legt SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz gemeinsam mit den beiden Vorsitzenden seiner Partei den Entwurf eines Wahlprogramms vor - den die meisten Medien bereits als beschlossene Sache behandeln -, und zwei Tage später gibt es dann die Enthüllung seiner Geheimverhandlungen mit der Trump-Regierung über den Bau der Nord-Stream-2-Pipeline.
Klimaneutral heiße die "Zukunftsmission" der SPD, die "Zukunftsmission für Dich". Das ist nicht nur angesichts der Bilanz zweier gemeinsamer Legislaturperioden von Union und SPD ziemlich vermessen.
Das ist insbesondere auch angesichts der konkreten Energiepolitik der SPD-Minister der Versuch, die Wählerinnen und Wähler für dumm zu verkaufen - um es einmal zivilisiert auszudrücken. Spontan fallen einem da eher jede Menge Kraftausdrücke ein.
Das zeigt nicht zuletzt auch das jetzt von der Deutschen Umwelthilfe veröffentlichte Schreiben von Scholz an seinen US-amerikanischen Amtskollegen. In diesem hat der Bundesfinanzminister und Vizekanzler im August 2020 der US-Regierung angeboten, eine Milliarde Euro bereitzustellen, um den Aufbau von Flüssiggasterminals in Wilhelmshaven und Brunsbüttel abzusichern.
Über die könne dann Gas aus den USA importiert werden. Im Gegenzug sollte die USA ihren Widerstand gegen die Pipeline aus Russland aufgeben und die Sanktionsdrohungen zurückziehen.
So viel Einsatz würde man sich auch für die Wind- und Solarenergie wünschen. Doch die hat man in den letzten acht Jahren SPD-Mitregierens, allen schönen Sonntagsreden im neuesten Programmentwurf zum Trotz, regelrecht ausbluten lassen.
Etliche 10.000 Arbeitsplätze gingen verloren und das Ausbautempo wurde soweit gedrosselt, dass selbst das Erreichen der unzulänglichen Klimaziele ohne die Corona-Pandemie nicht möglich gewesen wäre.
Langfristige Investitionen
Natürlich handelt es sich bei dem US-Flüssiggas hauptsächlich um Frackinggas, bei dessen Förderung bereits große Mengen des potenten Treibhausgases Methan entweichen. Die Investitionen sind auch nicht für eine Übergangszeit gedacht, wie das oft zu hörende Argument von Gas als Brückentechnologie suggeriert.
Wie die neue Pipeline aus Russland auch wird sie über viele Jahrzehnte genutzt werden und damit das Klima weiter schädigen, falls der Gesetzgeber nicht einschreitet. Und wie schon bei der Kohle werden die Betreiberkonzerne gegebenenfalls die Hand aufhalten, um sich den dann hoffentlich doch irgendwann erzwungenen Ausstieg aus ihrer Steinzeit-Technologie reichlich versüßen zu lassen.
Das Terminal im schleswig-holsteinischen Brunsbüttel wird übrigens auch von der dortigen Landesregierung unterstützt. Auch von den Grünen. Seit 2017 regiert sie gemeinsam mit FDP und CDU an der Kieler Förde. "Wir werden die beiden Projekte Vielzweckhafen und nationales LNG-Terminal in Brunsbüttel vorantreiben", heißt es auf Seite 44 kurz und bündig in ihrem Koalitionsvertrag.
Kenner der Partei verwundert es nicht weiter. Im benachbarten Hamburg hatten sie einst gegen den umstrittenen Bau des Kraftwerks Moorburgs, ein Kohlekraftwerk der Megaklasse, Wahlkampf gemacht, um dann seiner Vollendung in der Koalitionsregierung mit der hanseatischen CDU tatenlos zuzuschauen.
Nun soll das Kraftwerk, wie berichtet, demnächst nach nicht einmal sechs Jahren Betriebszeit stillgelegt werden.
Kleines Schmankerl am Rande: Im Kapitel zur Verkehrspolitik, die natürlich nicht mehr so genannt wird, weil es um den Aufbau "modernster Mobilitätssysteme" geht, werden Fahrrad, Fußgänger und ÖPNV mit keinem Wort erwähnt. Bei der SPD dreht sich immer noch (fast) alles ums Auto. Nicht einmal ums Elektroauto, sondern um "den Umstieg auf klimafreundliche Antriebe".
Letzteres dürfte ein Hintertürchen sein für Biokraftstoffe sein, denen immer wieder gerne ein grünes Image angedichtet wird, die aber letztlich - auch für das Klima – mehr Schaden als Nutzen bringen.