Lukaschenko zieht die Zügel an

Als Reaktion auf die jüngsten Sanktionen verstärkt das Lukaschenko-Regime seine Repressionen gegenüber der Opposition

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Worüber die Außenminister der Europäischen Union fast sechs Wochen berieten, ist seit dem 31. Januar beschlossene Sache. Als Reaktion auf die umstrittenen Präsidentschaftswahlen in Weißrussland vom 19. Dezember vergangenen Jahres und der damit verbundenen Verfolgung der Opposition, verhängte die Europäische Union zum zweiten Mal nach 2006 L:2011:028:0017:0031:DE:PDF: Sanktionen gegen das autoritäre Lukaschenko-Regime. Mit dem Präsidenten Alexander Lukaschenko an der Spitze dürfen ab nun 157 Funktionäre nicht mehr in die Staaten der EU einreisen. Zudem wurden auch die Konten von mehr als 100 Vertretern des autoritären Regimes eingefroren.

Damit fallen vor allem die aktuellen Sanktionen der Europäischen Union härter aus als 2006. Damals galt das Einreiseverbot für insgesamt 35 Vertreter des Regimes. Diesmal trifft es aber nicht nur die wichtigsten Staatsfunktionäre und Beamten, sondern auch Journalisten der regimetreuen Medien, wie die Generaldirektoren der staatlichen Fernsehsender oder die gesamte Chefredaktion der Tageszeitung Sowjetskaja Belarus.

Dass die aktuellen Sanktionen jedoch nur das Regime und nicht das weißrussische Volk treffen sollen, machte die EU am vergangenen Mittwoch deutlich. Bei der auf Einladung des polnischen Außenministers in Warschau stattgefundenen , bei der insgesamt fast 40 Staaten, darunter die USA, die am 31. Januar ebenfalls ihre Sanktionen gegenüber Weißrussland verstärkten, und viele Nichtregierungsorganisationen teilnahmen, beschlossen die EU die Aufstockung ihrer Finanzhilfen zur Förderung der weißrussischen Zivilgesellschaft um das Vierfache. Mit den von den Teilnehmern insgesamt vereinbarten 87 Millionen Euro, von denen in diesem Jahr allein 6.6 Millionen aus der Bundesrepublik kommen werden, sollen Stipendien für Journalisten, Wissenschaftler und Studierende, deren Fortbildungen sowie Projekte zur Förderung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit finanziert werden.

Zudem soll zukünftig weißrussischen Bürgern die Einreise in die Europäische Union erleichtert werden, wobei es da zwischen den einzelnen EU-Staaten Unterschiede gibt. Während Berlin lediglich die Visagebühren in Höhe von 60 Euro für weißrussische Studierende und Wissenschaftler erlassen wird, hat Warschau, das seit Jahren die weißrussische Demokratiebewegung unterstützt, bereits vor einiger Zeit die Visagebühren für alle weißrussischen Bürger weitgehend abgeschafft.

Dass die jüngsten Beschlüsse in Minsk auf wenig Gegenliebe stoßen, ist nicht erstaunlich. "Die Beschlüsse des EU-Rates zwingen Weißrussland zu angemessenen adäquaten Maßnahmen, die auf die Festigung der Souveränität der Republik sowie auf die Erhaltung der Stabilität und der Konsolidierung der weißrussischen Gesellschaft gerichtet sein werden", hieß es am 31. Januar aus dem weißrussischen Außenministerium.

Diese Ankündigung dürfte außenpolitisch jedoch nicht unbedingt die weitere Bindung Weißrusslands an Russland bedeuten. Nach den Querelen des vergangenen Jahres, als der Kreml Lukaschenko sogar politische Morde vorwarf, haben sich die beiden Staaten zwar wieder angenähert, doch langfristig will sich Moskau mit Lukaschenko offenbar nicht arrangieren. Am 1. Februar äußerte der russische Präsident Dimitrij Medwedew offen seinen Unmut über die Menschenrechtslage in Weißrussland, ebenso wie der russische Außenminister Sergej Lawrow. "Weißrussland ist ein Bruderland und strategischer Partner von uns, das bedeutet jedoch nicht, dass wir die Augen vor der Verletzung der Grundrechte und -freiheiten verschließen werden", sagte Lawrow vergangene Woche in einem Interview für Russia Today und bemängelte vor allem die Verhaftung der oppositionellen Präsidentschaftskandidaten sowie zweier russischer Staatsbürger, die sich seit den Präsidentschaftswahlen in weißrussischer Haft befinden.

Die Rache von Lukaschenko

Lukaschenko, der auch vom ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch für seine Politik gegenüber der Opposition kritisiert wurde, scheinen die harschen Reaktionen aus Brüssel und Moskau jedoch nicht zum Umdenken zu bewegen. Sogar im Gegenteil: als Reaktion auf die jüngsten Sanktionen und die distanzierte Haltung Moskaus hat das Regime in den letzten Wochen seine Repressionen sogar verstärkt. Einige namhafte Oppositionelle, wie der Präsidentschaftskandidat Viktor Neklajew und die Journalistin Irina Chalil, Ehefrau des Präsidentschaftskandidaten Andrej Sannikow, wurde zwar aus dem Gefängnis entlassen, doch diese tauschten nur Gefängnisgitter gegen ein rigoroses Hausarrest ein. In ihren Wohnungen werden die Oppositionellen rund um die Uhr von KGB-Mitarbeitern bewacht und von der Außenwelt abgeschirmt. Sowohl Telefon wie auch Internet sind ihnen untersagt.

Seine Kritiker bestraft das Regime aber nicht nur mit Gefängnis und Hausarrest. Wie die polnische Gazeta Wyborcza vergangene Woche berichtete, wurden viele Teilnehmer der Protestaktion vom 19. Dezember nicht nur verhaftet, sondern haben im Nachhinein auch ihren Studien- oder Arbeitsplatz verloren. So sollen allein rund 61 Studenten wegen ihres Engagements für die Opposition Exmatrikuliert worden sein. Die genaue Zahl der Personen, die ihren Arbeitsplatz verloren, ist zwar nicht bekannt, doch die bisher publik gewordenen Fälle reichen von einer Schulköchin bis zu Rechtsanwälten.

Und der Rachedurst Lukaschenkos scheint damit nicht gestillt zu sein. Um alle Teilnehmer der Demonstration vom 19. Dezember ausfindig zu machen, mussten die weißrussischen Mobilfunkunternehmen die Verbindungsdaten all ihrer Kunden an den KGB weiterreichen, die sich an dem Tag in der Nähe des Oktober-Platzes befanden. Inoffiziell spricht man in Minsk von 40.000 Kundendaten. Doch nicht nur mit Repressionen will Lukaschenko seine Macht sichern. Wie die regimetreue Sowjetskaja Belarus Mitte Januar berichtete, soll auf Anweisung Lukaschenkos die Propaganda gegenüber der Jugend überarbeitet und verstärkt werden. Dem Regime hat offenbar zu denken gegeben, dass die meisten Teilnehmer der gewaltsamen Proteste vom 19. Dezember jünger als 30 Jahre waren.