Merkel fällt auch bei ESM-Aufstockung um
Vor dem EU-Gipfel ändert die Kanzlerin ihre Haltung zur Aufstockung des Rettungsschirms erwartungsgemäß
Es war zu erwarten, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel auch in der Frage der Aufstockung des dauerhaften Rettungsmechanismus (ESM) umfallen würde. Eigentlich sollte der ESM nur mit einer halben Billion Euro ausgestattet werden, um angeschlagene Länder auffangen zu können. Er sollte zudem auf Juli vorgezogen werden, um dann den temporären EFSF zu ersetzen. Dabei reicht dieses Volumen wohl nicht einmal aus, um das schwer angeschlagene Spanien aufzufangen. Dort tauchen überall neue Schulden auf. Das Haushaltsdefizit ist mit 8,51% sogar noch deutlich höher ausgefallen, als zunächst angenommen wurde. Madrid versucht sogar schon den ersten Schuldenschnitt.
Eigentlich hatte Merkel dagegen plädiert, noch vorhandene EFSF-Gelder in den ESM zu überführen. Doch nun will sie offenbar zulassen, dass ESM und EFSF nebeneinander bestehen. Die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) zitiert Regierungskreise, wonach die Kanzlerin eine ESM-Aufstockung "materiell" weiter nicht für notwendig halte. Doch der "Rest der Welt" habe sich aber darauf versteift, dass eine Aufstockung aus "psychologischen Gründen" nötig sei: "Diesem Druck werden wir uns auf Dauer nicht widersetzen können."
Wenn beide Töpfe "zunächst einmal für ein Jahr" nebeneinander bestünden, soll eine Rettungssumme von fast 750 Milliarden Euro zusammenkommen. Zum harten hartem Kapital von 22 Milliarden Euro, mit dem Deutschland den ESM unterlegen muss, kommen Garantien von etwa 280 Milliarden Euro hinzu. Das sind deutlich mehr als die Bürgschaftsgrenze von 211 Milliarden Euro, auf die im vergangenen September fast verdoppelt wurde. Schon dabei war die Kanzlermehrheit unsicher und am Montag hat die angeschlagene Kanzlerin sie in der Frage der Griechenland-Nothilfe 2.0 erstmals verfehlt. Im vergangenen Jahr hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble die Abweichler noch einbinden können und geschworen: "Mehr als 211 Milliarden zahlt Deutschland nicht."
Noch im Januar hatten sich CSU-Chef Horst Seehofer und FDP-Chef Philipp Rösler ultimativ gegen eine weitere Ausweitung ausgesprochen, als die Finanzminister über die Nebelkerze ESM debattierten. Doch angesichts der Tatsache, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) mehrfach höhere "Brandmauern" forderte, war klar, dass die Bundesregierung einknicken würde. Der IWF hat zuletzt sogar gedroht, sich an der zweiten Griechenland-Nothilfe ohne Aufstockung des ESM nicht im bisherigen Umfang in Griechenland zu engagieren.
Seehofer hat bestätigt, dass sich die Berliner Koalition mit der Frage einer ESM-Aufstockung beschäftigen müsse. Merkel habe ihm mitgeteilt, dass "dieses Thema auf uns zukommt", zitiert die SZ den bayerischen Ministerpräsident. Der Präsident des Europaparlaments Martin Schulz erklärte im Deutschlandfunk dagegen schon , die Aufstockung sei ein entscheidendes psychologisches Signal für die Stärke der Euro-Zone: "Deshalb wird sie kommen".
Dass es "weniger um Geld" gehe, wie der Sozialdemokrat behauptet, darf bezweifelt werden. Zwar spricht auch Schulz an, dass nur "über die Haushaltsdisziplin und über die Refinanzierung von Haushalten" gesprochen wird, aber nicht über die notwendige "Investition in Wachstum und insbesondere in Beschäftigung". Da aber heute auf dem Gipfel über Merkels Fiskalpakt mit Schuldenbremse debattiert wird, geht die Reise weiter in die andere Richtung. Dann werden demnächst weitere Rettungspakete und angesichts der verheerenden Entwicklung auch eine Nothilfe 2.0 mit Schuldenschnitt für Portugal fällig.