Mindestlohn: Und wo bleiben die Langzeitarbeitslosen?
Die Fraktion die Linke ist mit ihrem Antrag auf Veränderungen beim Mindestlohn gescheitert - die Begründung ist vielsagend
Am 21.03.2017 stellte die Fraktion Die Linke den Antrag, einen armutsfesten Mindestlohn zu beschließen. Sie gab nicht nur an, dass der bisherige Mindestlohn zu gering angesetzt sei, sie monierte auch insbesondere die zahlreichen Ausnahmen. Im Antrag wurde ein Mindestlohn von 12 Euro pro Stunde angeregt, weiterhin sollte auf Ausnahmen verzichtet werden.
Mit diesem Antrag ist die Fraktion gescheitert. Die CDU/CSU betonte, dass für die Mindestlohnausgestaltung nicht die Politik, sondern die dafür eingesetzte Kommission zuständig sei. Ferner sei die im Antrag angesprochene Problematik, dass ein geringer Mindestlohn eher zu geringen Renten und Altersarmut führen würde, eine Rentenangelegenheit, die insofern nicht über die Mindestlohnregelung zu lösen sei. Letztendlich sei der Mindestlohn auch keine sozialpolitische Angelegenheit, sondern eine ordnungspolitische. Dieser Ansicht schlossen sich die SPD und die Grünen an. Die SPD verteidigte zudem noch die Ausnahmeregelungen, schließlich seien Praktikumsverhältnisse keine Arbeitsverhältnisse.
Eine kurzsichtige Ansicht. Entweder ist den Politikern hier nicht bekannt, wie Praktika mittlerweile dazu genutzt werden, Festanstellungen zu vermeiden, oder sie ignorieren dies lieber. Die Langzeitarbeitslosen, die in den ersten sechs Monaten ihrer Beschäftigung vom Mindestlohn ausgeschlossen sind, waren offensichtlich nicht einmal eine Antwort wert. Dabei wurde erst kürzlich festgestellt, dass diese von den Mindestlohnausnahmen nicht profitieren. Wie aber gerade die teilweise fragwürdigen Fördermaßnahmen der Arbeitsagentur sowie Praktika eine fatale Situation für Arbeitssuchende ergeben können, zeigte sich im u.a. Jahr 2014.
Eine Frau hatte sich beim Lebensmittelhändler REWE beworben und war mit einem Berufspraktikum einverstanden. Doch ein entsprechender Vertrag wurde nicht zwischen ihr und REWE geschlossen, sondern die Arbeitsagentur deklarierte dies als Arbeitsförderungsmaßnahme, die noch dazu unter Zuhilfenahme eines externen Trägers zustande kam. Das zunächst auf einen Monat anberaumte Praktikum wurde etliche Male verlängert, bis die Frau schließlich 8 Monate lang unentgeltlich für REWE gearbeitet hatte, unter anderem hatte sie auch Reinigungsdienste, das Einräumen von Regalen sowie Kassierarbeiten übernommen.
Eine entsprechende Vergütung stand ihr jedoch nicht zu, urteilte das Landesarbeitsgericht Hamm. Wie aus dem Gesamturteil ersichtlich, gab es für REWE die günstige Situation, nicht etwa einen Ausbildungsvertrag oder gar einen Arbeitsvertrag abschließen zu müssen, jedoch die Frau weiterhin bei sich beschäftigen zu können. Die Defizite wie Unpünktlichkeit oder nicht ausreichende Leistung wären normalerweise etwas, was ggf. während eines Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnisses zu Gesprächen, Abmahnungen oder aber zur Kündigung, z.B. während der Probezeit, führen könnten, so aber wird einfach angegeben, dass man sich unsicher sei ob jemand eine Ausbildung schaffen würde, das Praktikum verlängert und schon ist eine neue Kraft gefunden, die von den Stundenlöhnen nicht profitiert, sondern lediglich eine Berufsausbildungsbeihilfe und einen Fahrtkostenzuschuss erhält.
Gerade für Langzeitarbeitslose, denen gerne attestiert wird, dass sie erst wieder Pünktlichkeit etc. erlernen müssen, ist dies eine Situation, die sie nicht nur im Zuge von Fördermaßnahmen und Praktika vom Mindestlohn ausschließt, sondern auch, sofern später eine Festanstellung folgt, ihnen weitere sechs Monate lang den Mindestlohn verwehrt. Langzeitarbeitslose somit als Billigarbeitskräfte zu nutzen ist vom Gesetz eindeutig gedeckt, dass keine der drei Parteien, die sich zu der Anfrage der Linken äußerten, hierzu Worte finden, sagt viel darüber aus, welchen Stellenwert die Belange der Langzeitarbeitslosen bei der Politik einnehmen.